Amors Geburt
Nicht erst in dieser Reih von Jahren,
Schon da, als Menschen Schafer waren,
Vor Saklen schon hab ich, Sophia, dich gekubt,
Nur blos dem Namen nach verschieden,
Hab ich Sophien in Naiden,
Hast du mich im Mirtill gekubt.
Zwar diese Bilder sind an Lethens goldnen Wellen,
Der unter Trauben sich ergiebt,
Wo ewig, wie aus Nektarquellen,
Der Most aus Bachus Urne fliebt –
Zwar sind sie langst an Lethens goldnen Wellen
Aus deiner Seel ertrankt:
Nur aus des Dichters Geist hat sie kein Most ertrankt,
Der Thaten aus Prometheus Zeiten
So klar, wie ferne Kunftigkeiten,
Am Aganipper-Bache denkt.
Ich seh, ich seh – o glaube dem Berichte! –
In jene Welt zuruck, von heilger Glut beseelt!
O Liebste, hore die Geschichte,
In der dein Dichter dir erzahlt,
Wie er vor Saklen schon dich und dein Herz gewahlt –
Dein Herz voll Zartlichkeit, dein himmlisch Herz gewahlt!
Es war im Anfange der Zeiten, da ich gebohren ward.
Der Himmel trug noch wenig Gotter;
Den Zevs verkundigte kein zornig Donnerwetter;
Halbgotter kannte man noch nicht.
Vor wenigen, holdlachelnden Gottinnen
Entzuckte Cypria durch Bildung und Gesicht: –
Dir aber, Madchen, glich sie nicht. –
Der spatern Nachwelt Halbgottinnen
Durchirrten noch als Schaferinnen
Die bunte Flur, den jungen Hayn,
Und nahmen keinen Schafer ein,
Und fuhlten nicht der Liebe Pein:
Denn Amor, der Monarch der Herzen,
Schob noch in keine Brust glutvolle Liebesschmerzen.
Kein Wunder! der Gott war noch nicht gebohren. – Ich war schon ein Jungling, als ihn Venus gebahr. –
Singt Cypripors Geburt, ihr Musen! –
Aus einer Rosenknosp an Venus vollem Busen
Schlich unvermerkt der Gott hervor.
An seinem zarten Hals, durchsichtiger als Flor,
Den seidne Locken frey umflogen,
Hing schon der Kocher und der Bogen.
Schnell sprang der Schalk auf Venus Brust empor,
Sah von der Hohe stolz hernieder,
Und schuttelte sein artiges Gefieder,
Und wagts, und flog empor.
O wie mubte ich Jungling lachen, als ich den kleinen Helden, klein, wie ein Nelkenblatt, auf dem warmen Busen sich blahen sah! Aber ach! wer hatte es geglaubt? Schon damals bewies mir der Gott, er sey nicht gebohren, um verlacht zu werden.
Gewaltsam, in der schnellsten Eile,
Flog in mein Herz der grobte seiner Pfeile:
Erschrocken sank ich hin.
Da sah ich meine Brust von Tropfen Bluts sich farben,
Und weint’, und glaubte nun zu sterben;
Doch Cyperns edle Koniginn
Entrib mich huldreich dem Verderben.
Weine nicht, lieber Jungling, sprach die Holdselige. Amors Pfeile verwunden zwar, aber sie todten nicht. Siehe! Eins von diesen Madchen aus meinem Gefolge soll deine blutende Brust wieder heilen. Steh auf, und wahle; es soll dein Eigenthum seyn. – Und ich stand auf, und weinte nicht mehr. Da stellten sich die Madchen um mich herum, dab ich wahlen konnte: Aber – glaube mir, Geliebte, – der Pfeil hatte mich gelehrter gemacht, und ich unterschied itzt Reizungen, die ich vordem kaum bemerkt hatte.
Hier winkte mir ein Purpur-Mund;
Dort eine Brust, gewolbt und rund;
Hier reizten ein paar volle Wangen,
Dort ein paar Augen, mein Verlangen:
Wohin ich nur, unschlubig, sah,
Stand etwas, mich zu reizen, da;
Bis ich ein holdes Kind entdeckte,
Das meinen Blicken sich versteckte,
Frisch, wie der Morgenthau, jung, wie ein Fruhlingstag,
Und heiter, wie ein Silberbach.
O meine Freundinn, du warst es, die Liebenswurdigste unter den Madchen aus demGefolge der Venus. Wie hatte ich dich ubersehen konnen? Dich, dich wahlte ich, meine Sophia, der erste der Liebhaber, und sprach zur Cythere:
Dein ganz Gefolge gonn ich dir;
Dieb Madchen, Gottinn, schenke mir.
Die Gottinn lachelte, und winkte mir Beyfall zu, dab ich so vernunftig gewahlt hatte.