Українська та зарубіжна поезія

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Der neue Amadis, 11. Gesang 3

Des Ritters Augen demnach vergassen sich so sehr
Auf Schattulliosens – schonem Busen,
Dab zehn Megaren und zwanzig Empusen
Und aller Lerm von einem wuthenden Heer,
Und alle Coketterie von hundert Colifischetten
Aus seiner Traumerey ihn nicht gezogen hatten.
In kurzem uberzeugt er sich,
Dab dieser Busen sehr viel dem schonen Busen gliech,
Der ihn im Thurm des Druiden entzuckte;
Mit jedem Blick entdeckt sich ein neuer Zug
Von Aehnlichkeit. Nun war der Enthusiasmus im Flug!
Es war ein Ideal, was er verkorpert erblickte.
Vergebens warnet ihn so mancher Probe Betrug;
Was Wollustathmendes, ausgegossen
Auf ihre ganze Person, und durch die Sittsamkeit,
Die Grazie voller Ernst, die, in sich selbst verschlossen,
Gesucht seyn will, nicht sich entgegenbeut,
Erhoben, – stellet ihm in unsrer Preciosen
Die Gottin dar, die er zur Dame sich erlesen.
Was vorgieng in seinem Herzen, entdeckt ihr sein zartlicher Blick,
Mit Ehrfurcht sanftbewolkt, und unterweilen
Ein Seufzer, den er zu gutem Gluck
Noch fruh genug ertappt, ihn mitten in zwey zu theilen;
Halb druckt er ihn in seine Brust zuruck,
Die andre Halfte darf mit leisem zephyrischem Tone
Ihr sagen, wie sehr er brenne, und bitten, dab Sie ihn
Mit allzugrausamen Proben verschone.
Denn ihre Tugend schreckt den armen Paladin;

Mit welchem Grunde, wird der Leser bald erfahren;
Wir haben sie lange genug in ihrer Maske gesehn;
Und, um die Wahrheit nicht zu sparen,
Selbst in der Maske war sie nicht besonders schon.
Gemacht, von Platons mibverstandnen Lehren
Den alten Niphus zu bekehren,
Dem aubrer Reitz des innern Widerschein heist.
Mein guter Niphus, der Leib beweiset fur den Geist
Was ein vergoldeter Schild fur achten Wein beweist.
Indessen hatte die Dame ein Temperament gefunden,
Durch welches Geist und Leib bey ihr
In schonster Einverstandnib stunden.
Sie hatte das Interesse von beyden kluglich verbunden.
Sie nahrte den Geist mit Witz, und mit Vergnugen das Thier.
Dieb hatte man vielleicht ihr ubersehen konnen.
Allein die Gleibnerey! Dem Ansehn nach so kalt
Wie Eis zu seyn, und in geheim zu brennen,
Die strengste Richterin von allen, deren Gestalt
Und Liebenswurdigkeit ihr Schatten gab, zu spielen,
Die Freuden verdammen, die ihr am meisten gefielen,
Und wahrend dab sie, so klug als wie ein Allmanach,
Maximen und weise Spruche und Lebensregeln sprach,
Stets niederwarts mit ihren Blicken zu zielen:
Dieb, wir gestehen’s, sind Zuge die ihrem Herzen nicht
Viel Ehre machen, so zierlich sie ubrigens spricht,
So ehrbar sie thut, so subtil sie sentimentalisieret,
So fein die Grazien sind, womit – die Kunst sie zieret,
So niedlich ihr Fub, so schon ihr Busen ist,
Und so vergeistert der Ritter die kleine Hand ihr kubt!
Empfindlich hatte sie wohl schon mehr als einer gesehen,
Nur die Gefalligkeit, es jemals zu gestehen,
Dieb hatte, sogar im Taumel der Lust,
Noch keiner von ihr zu erhalten gewubt.
Zum erstenmal in ihrem Leben
Ward ihr die Maske beschwerlich; allein
Zu zartlich, wenigstens es gar zu bald zu seyn,
Dieb (denkt sie weislich) hiess’ ihm zu verstehen geben,
Sie habe, da er noch wie eine Herma stand,
Ihn scharfer, als sie nothig fand
Ihn merken zu lassen, angesehen.
Und gleichwohl war es schwer, gewisse Nebenideen
Sich aus dem Sinne zu schaffen, so oft ihr schleichender Blick
Auf seiner Person verweilte, die wurklich ein Meisterstuck
Von feiner Arbeit war; noch schwerer, nicht rother zu werden
Als Scharlach, wenn des Ritters Blick
(Bey aller Sorgfalt, die ihrigen eilends zur Erden
Herunter glitschen zu lassen,) sie etwan auf frischer That
Ertappte. – So richtig ists, dab niemand sein Gewissen
So ganzlich wie er wunscht zu seinen Diensten hat.
Was hatte sie, zum Exempel, zu furchten vor seinen Schlussen?
Die Wahrheit war (wiewohl wir ihr verzeyhen mussen,
Wenn uber diesen Punkt sie anders denkt als er)
Dab er, um das, was ihre Bewundrung erregte,
Da er noch Marmor schien, sich selbst kein Staubchen mehr
Als andre grob zu achten pflegte.
Er hielt es fur ein Ungefehr,
Wie Schonheit, Geburt, und Gold und andre solche Gaben,
Um derentwillen wir kein Recht an Beyfall haben.
Sehr ferne war er demnach von jenem bosen Verdacht,
Den sie so angstlich war in ihm nicht aufzuwecken.
Glaubt er, in ihrem Blick zu entdecken,
Was seiner Liebe Hoffnung macht:
So nennt er’s Sympathie; nennt tugendhaftes Errothen
Die Glut, die ihren Wangen von Anemonen-Beeten
Die Farbe giebt. – So viel gewinnet man
Bey diesen schwarmerischen Herren,
Man braucht sein Cabinet vor ihnen nicht zu sperren.
Gesetzt sie trafen euch bey einem Giton an,
In Nymphenhaftem Gewand auf einem Sopha schlafen;
Sie dachten das Beste davon, (das glaubet sicherlich!)
Und wurden, eh sie euch fur schuldig hielten, an sich
Den Frevel ihrer Augen strafen. Die Empusa war bey den Griechischen Ammen ungefehr ebendas, was man in einigen deutschen Provinzen die Nachtfrau nennt. Sie hatte einen menschlichen und einen Esels-Fub, konntealle mogliche Gestalten annehmen, und frab die kleinenKinder, wenn sie nicht fromm seyn wollten. Philostratus, der Sophist, schamte sich nicht, im Leben des Apollonius von Tyana invollem Ernst ein Mahrchen von einer solchen Empusa zu erzahlen, welche der Philosoph Menippus, in der Meynung, dab es einsehr schones und reiches Frauenzimmer sey, eben habe heyrathen wollen, wenn nicht zu gutem Glucke Apollonius dazu gekommenware, und die Braut gezwungen hatte, ihren Eselsfub zu zeigen; ein erbauliches Geschichtchen, welches ein Delrio, Erasmus Francisci und zwanzig andre Manner von diesem Schlage, als ein Beyspiel der Macht und List des hollischen Proteus, jenem fanatischen Heiden glaubig nacherzahlen.

Eine Anspielung auf die Beschreibung, welche Winkelmannvon der hohen Grazie macht. Sie scheinet sich selbstgenugsam, sagt er von ihr, und bietet sich nicht an, sondern willgesucht seyn, u. s. w. Gesch. der Kunst S. 231. und, wennman will, die Grazien S. 143.

Niphus (der, wie bekannt ist, fur einen der groben Philosophen des XVI. Jahrhunderts gehalten wurde, und besonders bey dem Pabst LEO X. in Gnaden stund,) behauptet diesen Satz in seinem Buche DE AMORE; wo wir ihn ehmals gelesen haben, ohne itztdie Stelle citieren zu konnen. Dieser Niphus vertraut unsunter andern eine kleine Particularitat von sich selbst, die der Naivetat seines Characters Ehre macht, so ubelihm auch die gravitatischen Pedanten seiner Zeit und derehrliche Mann Moreri debwegen mitgespielt haben. Mein ganzes Leben lang, sagt er, habe ich die schonen Madchenlieb gehabt – Doch mit einer tugendhaften und keuschen Liebe, setzt er hinzu, und erklart sich hieruber sehr umstandlichin einer Stelle seines Buchs DE MULIERE AULICA; welche Bayle imArtikel NIPHVS citiert. Wie viele Philosophen sind ehrlich genug, eine Neigung, die sie mit allen empfindenden Wesen gemein haben, so aufrichtig zu gestehen? Seine Handwerksgenossen machten ihm sogar ein Verbrechen daraus; aber was bekummerte sich Niphusdarum? Die Damen, geruhrt von der Ehre, die er ihnen erwies, hielten ihn schadlos dafur, und wie Anakreon und St. Evremont war er noch in seinem 70ten Jahre bey ihnen wohlgelitten.

Vermuthlich wird hier diejenige Art von Blicken gemeynt, welcheman auf franzosisch REGARD EN DESSOUS nennt; eine Art vonBlicken, wovor wir alle unsre guten Freundinnen beylaufiggewarnt haben wollen, wenn es auch nur um der ungereimten Schlussewillen ware, welche die Mannsleute daraus zu ziehen pflegen.

Die Ironie, welche in diesem Verse liegt, wird wohl keiner Erklarung bedurfen. Grazien, welche Tochter derKunst sind, horen auf, Grazien zu seyn. Und gleichwohl istes moglich auch hierinn die Kunst bis zu einer Art von Tauschungzu treiben, und es giebt Falle, wo nur der unverdorbenste Geschmack und die feinste Empfindsamkeit die naive Grazie, die allein diesen Nahmen verdient, von derjenigen, welche eine Fruchtder Kunst, der Nachahmung und einer durch die Übung naturlich gewordenen Bestrebung ist, zu unterscheiden wissen.

Der Dichter hatte den hassenswerthen Charakter der Dame Schatulliose mit keinem widerlichern Zug vollenden konnen. Eine so weit getriebene Ungefalligkeit kam schon dem alten Griechischen Dichter, Simonides, so unweiblich vor, daber behauptet, die Seele einer solchen Dame werde aus einer Katzen-Seelegebildet.

Die altesten Bilder der Gotter waren blobe Steine. Sogar Amor und die Grazien wurden nicht anders vorgestellt. Mit der Zeit wurden Kopfe auf diese Steine gesetzt, und diese Art von Bildsaulen hieb bey den alten Griechen Herma. Winkelmann G. d. K. S. 6. 7.

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Der neue Amadis, 11. Gesang 3 - CHRISTOPH MARTIN WIELAND