Zwei Preussenlieder
I.
An Borussia.
Und so waren’s dreibig Jahre,
Seit ein Furst in tiefster Nacht –
Nicht der Jetz’ge, Gott bewahre! –
Guter Hoffnung dich gemacht;
Seit du trachtig, niedertrachtig,
Arme Preubenhundin du:
Doch nun gehst du, o wie prachtig!
Deinem Wochenbette zu.
Denn du fangst mit Einemmale
So gewaltig an zu schrei’n,
Und man raunt im Furstensaale:
Sollten das die Wehen sein?
Hat das Ohr auch recht vernommen?
Jungster Tag, und bist du da?
Willst du wirklich niederkommen?
Wirklich, o Borussia?
Und was sagt der Ritter Bunsen,
hocherfahren, tiefgelehrt?
hat er nicht fur aufgedunsen,
Voller Winde dich erklart?
Solltest du zum Zeitvertreibe
Gar nur wassersuchtig sein?
Oder tragst du mehr im Leibe
Als den freien deutschen Rhein?
Und die preubischen Auguren,
Loben sie der Adler Flug?
Was sie im Urin erfuhren,
Ist’s beruhigend genug?
Haben sie trotz aller Muhe, –
Und die Herrn sind so geschickt! –
In den Herzen deutscher Kuhe
Nichts Gefahrliches erblickt?
Nichts! es spricht der neuste Ukas
Auch dem kleinsten Zweifel Hohn,
Und man macht den Doktor Lukas
Deinethalb nur zum Baron,
Dab er glucklich dich entbinde,
Wenn die Zeit herangeruckt,
Und mit Schonung deinem Kinde
Schnell den Kopf zusammendruckt.
Zwar ich mocht’ es kaum bedauern,
Denn der Balg verheibt nicht viel,
Und ich wette, just die Bauern
Fehlen in dem Kartenspiel;
Doch gar viele sind berufen
Und nur Wenige erwahl – – –
Wenn man christlich erst die Hufen
Irdischen Besitzes zahlt.
Zwar wir haben nichts zu essen,
Doch der Konig wird nicht matt,
Und er macht mit neuen Spassen
Uns, mit neuen Reden satt;
Zwar der Schwager schwingt die Knute,
Die Kosacken prugeln schon,
Doch wir haben eine gute
Deutsche Konstitution.
II.
L’etat c’est moi!
Ordonnanzen! Ordonnanzen!
Meine Volker mussen tanzen,
Wie Ich ihnen aufgespielt!
Eins – zwei – drei — und Runde! Runde!
Tanzet ihr getreuen Hunde,
Wenn der Konig es befiehlt.
Lernt des Lebens Lust begreifen:
Euer Konig wird Euch pfeifen,
Und Ihr werdet ihn verstehn.
Leise, leise, nur im Kreise,
Nach dem Takt der Russenweise,
Nur um Mich sollt Ihr Euch drehn!
Ich bin Euer Kopf und Magen,
Antwort’ Ich auf alle Fragen,
Aller Rede letzter Sinn;
Ihr der Abglanz nur des Fursten –
Und wer wagte noch zu dursten,
Wenn Ich selber trunken bin?
Volksvertreten? Volksvertreten?
Beten sollt Ihr, Ihr sollt beten,
Ich bin Solon und Lykurg!
Brecht mir nicht des Schweigens Siegel,
Denn Ich habe Schlob und Riegel:
Gott ist eine feste Burg!
Ordonnanzen! Ordonnanzen!
Meine Volker mussen tanzen,
Wie Ich ihnen aufgespielt!
Tanzt, o Polen, tanzt, o Deutsche,
Alle nach derselben Peitsche,
Wenn der Konig es befiehlt!
Ich bin Konig, meine Grunde
Donnern durch Kanonenschlunde
In des Pobels taubes Ohr’;
Rasselt irgendwo die Kette,
Hunderttausend Bajonette
Schaffen Ruhe wie zuvor.
Freiheit – welch ein toll Begehren,
Ja, der Henker soll sie lehren
Euch zum Schrecken und zum Graus;
Wird der Vorrath hier zu mager,
Hilft ja gern mein lieber Schwager
Mir mit seinen Galgen aus.
Ordonnanzen! Ordonnanzen!
Meine Volker mussen tanzen,
Wie Ich ihnen aufgespielt!
Tanzt ihr Deutsche, tanzt ihr Polen,
Wie der Czar es Mir befohlen,
Wie’s der Konig Euch befiehlt.
Jeder Flugel sei beschnitten,
Auch dem Amor, der die Sitten
Uns’res Reichs kompromittirt.
Und von nun an sei bewubtes
Bett von weiland Herrn Prokrustes
Als Reichseh’bett eingefuhrt.
Nur ein Vorurtheil ist Liebe;
Eure ungestumen Triebe
Zugl’ ich durch ein christlich Joch.
Ich bin Herr von allen Sachen,
Und allein das – Kindermachen
Lab ich Euch in Gnaden noch.
Ich verbiete, Ich erlaube,
Ich nur denke, Ich nur glaube,
Und Ihr Alle seid bekehrt.
Jeden Zweifel lost die – Knute;
Hat man denn das Absolute
In Berlin umsonst gelehrt?
Seid Ihr denn nicht meine Knechte?
Und Ihr fragt nach einem Rechte,
Wenn der Konig’ was befiehlt?
Ordonnanzen! Ordonnanzen!
Meine Volker mussen tanzen,
Wie Ich ihnen aufgespielt!