Venus Heroica
Psalm an den Geist.
Bleibe dir heilig, Geist:
Herr deiner Seele!
Ein fremder Schein beirrt dich noch:
was spahst du nach Schiffen im Nebel,
von Andern gelenkt?!
Aus deinem Leuchtturm blickst da hinab,
und Strome, auf denen der Erdball durchs Weltdunkel rast,
reiben an dir und reizen zum Sturz
hinunter ans lauernde Ufer.
Dort standest du schon als Jungling;
und wahrend Woge auf Woge kam,
schriebst du, den Kruckstock tief einbohrend,
Namen auf Namen in den feuchten Triebsand,
geliebte Namen – und keiner blieb.
Manche taten schon so
und wurden stolze Verzweifler.
Aber machtig macht nur der Glaube;
und Niemand lebt, den sein Tiefstes
nicht noch uber die Sonne hinaufweist,
uber die Sterne, und weiter.
Sahst du nicht gestern die Zimmerleute,
wie sie die Leiche auf der Leiter trugen,
vom Neubau weg:
machte nicht jeden ihrer schweren Schritte
die Kraft des Abgesturzten
sichrer als je ihn selber?!
Warlich, Keiner von Diesen
wird sich zu Tode sturzen;
und wenn sie einst den Geist aufgeben,
wird jede dieser sechs Handwerkerseelen
– wir Alle sind Erben –
hell triumphierend an den Schauder denken,
als sie den Andern auf seinem Werkzeug trugen.
Bleibe dir heilig, Geist:
Herr deiner Seele!
Auf denn, Seele! reck die Glieder!
fast beschamt mich mein Getraume;
drauben hor ich meinen biedern
Schuster schon am Werktisch raumen.
Und sein narrischer Altgeselle
wird nun gleich nach Fruhstuck brullen
und mich dann mit Bibelstellen
ganz wie Tolstoi murbe knullen.
Warte nur, verehrter Schutzpatron:
heut kommt’s anderst! Mit den Mucken
deiner christlichen Passion
kannst du dann den Pechdraht jucken.
Ja, ihr wurdigen deutschen Volks-Betbasen,
faltet nur entsetzt die Hande!
Ehre genug fur eure judischen Phrasen,
dab ich meinen Groll euch spende.
Wie mein gallischer Freund Charles Simon grollt,
dem ich mich verbrudert fuhle
mehr als jedem Teutobold:
“la nation c’est la crapule.”
Himmel! kaum begreif ich noch die Sorgen
meiner dustern Selbstbetrachtung;
frostelnd wie der junge Morgen
reib ich mich aus der Umnachtung.
Nur noch Einmal will ich ruckwarts schaun
auf die grimmigen Wochen meiner Haft;
nein – sie wehrt es mir mit letztem Grauen,
sie, die Stimme unsrer Schaffenskraft.