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Waldeinsamkeit. IV. Das alte Waldschlob

Verstruppt und wild ein ander Bild,
Von Laubstreu ganz uberschuttet,
Von Schichte zu Schichte versinkt drin der Fub,
Kein Echo meldet die Tritte.
Unheimlich verodet und regungslos
Halt schwule Siesta das Reichsgrafenschlob,
Nur das blitzende Licht bringt Bewegung.
Die Fenster grillirt
Mit gebauchtem, geschnorkeltem Eisengestab,
Das vergoldet einst war,
Ein Rokokoschemen der Grobvaterzeit,
Senkt der Bau mit der hohen Estrade
Zum Waldesdunkel
Die einst moderne Façade.
Das war eine hofische Gartenkunst einst
Von Taxus und Buchs, mit der Scheere normirt,
Von Buschpyramiden und Tulpenflor,
Von Muschelgrotten und Sphinxen.
Noch gibt verwittert Kunde davon
Ein Saulentorso, wohl kannelirt,
Und im Brombeergestrauch hebt mit plastischem Schwung
Den Marmorleib
Und die schwellende Brust mit dem zierlichen Arm
Die letzte vom schonen Najadenschwarm.

Des Mittags Hitze liegt brutend und schwul
Ob dem oden Parke, kein Luftlein weht kuhl,
Und schlafrig schaut und verdrossen drein,
Als gahn’ es im Traum, das alte Gestein,
“Mon Halali” einst vom Gebieter benannt.
Es denkt anders denn wir und hat Kummer und Leid
Vom gerauschlosen Walten der Einsamkeit;
Das Gahnen bedeutet die Langeweil’
Des Vergessenseins.
Und ich kenne den Traum und ich deut’ ihn:
Es traumt vom Fest des Hubertustags,
Wenn die kurze Messe der Jager zu End,
Und der Hof sich fullte mit Rossen und Herrn,
Mit Jagdkavalieren im Dreieckchapeau
Und Damen im Reifrock von Seidenbrocat,
Mit Schonheitspflasterlein schwarz von Tafft,
Mit Schminke geschmuckt und mit Puder.
Geschaftig umher der gewaltige Schwarm
Von Buchsenspannern, Leibjagern, Piqueurs,
Heiducken und Laufern, Hornisten zu Pferd,
Und die klaffende Meute der Ruden am Seil
Der Valet des chiens und der Hofmohr.

Da harrten sie alle des hohen Moments,
Wenn seine Erlaucht der Schlobherr erschien
Und aufs Rob sich zu schwingen geruhte,
Wenn der Jagermeister trat meldend heran:
“Der Hirsch ist lancirt,
Dort sprengt er im Busch nach den Feldern!”
Dann Hussa! halloh! laut scholl das Gebell
In der Huftritte Schlag und der Pferde Gewieh’r,
Fort tobte die welsche Parforcejagd,
Bis weit aus der Ferne verklingender Ton
Des Halaliwaldhorns die Nachricht verbracht,
Dab der Sechszehnender gefallt sei.

Erschien dann der Abend, da glanzte im Strahl
Krystallner Kronleuchter demanten der Saal,
Den der Sonnenstaubchen einsamer Tanz
Itzt durchflimmert,
Und Geigenstrich, zierlich geschnorkelt im Ton
Wie Kostum und Bauform und Mode der Zeit,
Rief Jagdfrack und Reifrock zum Gala-Menuett.
Hier aber im Hof, wo des Mittags Licht
Grell die Freitreppe saumt,
War tolles Gewuhl – im Fackelschein
Trugen die Jager den Edelhirsch ein
Und brachen ihn auf,
Und von der Estrade, die dicht umrankt
Von Eppich, Geisblatt und Schlinggewachs
Versunken dort ragt,
Warf man der Meute ihr Jagerrecht vor
Vom zerstuckten Hirsch;
Frei losgekoppelt in knurrender Wuth
Erstritten sich Hardi und Picas ihr Theil
Von Herz und Leber und Eingeweid,
Und hellauf lachten des Larms der Curee,
Heiduck und Piqueur und der Valet des chiens,
Und Jean Pierre Negre der Hofmohr. . .

. . . Wo sind sie nun all? Wo die Lenker der Jagd?
Wo die Damen in thurmhoher Haarwulstfrisur
Mit den Absatzstelzchen des Ballschuhs? . . .
Verweht wie Herbstlaub im Winde! . . .

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Waldeinsamkeit. IV. Das alte Waldschlob - JOSEPH VICTOR VON SCHEFFEL