Ausspruch des Esels
Dulceis Lusciniae modulos sententia vana, Arcadici
pecoris Coccysmis post habet. Ergò, Nil miri,
modulamina nunc sperni Philo-Melæ. Definitiva
oder Endlicher Aubspruch deb Esels, in strittigen
sachen der Nachtigaln, an einem, wider den
Guckguck, andern theils, vnd wie davon
rechtmessiger wolbefugter weib
appellirt worden, allen denen,
so sich deb Richterlichen
Ampts vermeintlich
anmassen, zum vnterricht in
Teutsche Reimen verfast.
Ihr, die gern seht was sonderlichs,
Nun secht mir hie was wunderlichs,
Hie sitzt ein Esel vnd will richtn
Inn jhm gar vnbekandten Gschichtn,
(Wie heut noch manche Esel pflegn,
So vrtheiln, was sie nicht vermogn).
Dasselbig hat sich zugetragn
Auff weib, wie ich euch nun will sagn:
Ein zanck erhub sich auff ein mal
Zwischen Guckgauch vnd Nachtigal,
Wer das best gsang fuhrt vnter jhnen,
Weil mit einander sie beginnen
Zugleich im Aprill jhr Gesang
Vnd treibens ubern May nicht lang.
Der Guckgauch ward gar vnverschampt
Vnd trotzt die Vogel Allesampt.
Damit nun solch spanige sach
Vnter Vogeln kein Auffruhr mach,
Wardt gschlossen, den streit abzustelln,
Dab man ein Richter solt erwehln,
Aber doch aub den Vogeln keinen,
Weil sie hierinn Partheysch scheinen,
Sondern ein aub Vierfussing Thiern,
Der recht sprech, wem preib solt geburn.
Nun trat her aub dem Wald vngfahr
Ein Esel grobitetisch schwer,
Fein fub fur fub vnd gar bedachtsam,
Dab er kein Fub verrenckt, gmachsam.
All Vogel sahen jhn drumb an:
“Secht, was Schultheib trit hie auff dban,
Es jst furwar ein Erbarer Esel,
Der seb gar fein im Richter Sessel,
Dieweil er hat lang Ohren auch,
Die wol verhoren vnsern Gauch.”
Sie schickten ein Gesandten hin,
Den Retscher, der solt bitten jhn,
Das sich sein Orithet bemuhe,
Zu vrtheilen disen streit Alhie.
Als der Esel die werbung hort,
Der sachen er sich nicht lang wehrt,
Dann er sich hett albreit beredet,
Das man die gschicksten nur erbetet,
So man doch witz bey eim sucht gwonlich,
Weil er eim witzigen sicht ahnlich,
Darumb den Spruch man billich soll,
Wer weib, obs war ist, wissen wol,
Obs Nemblich war ist, oder Narr ist,
Weil dunckel machet, dab nichts klar ist.
Nach dem nun Nachtigal vnd Gauch
Heten eingwilligt nach rechts brauch
In den Schiedrichter Herr Ragorlin,
Da nam er fur ein Richters gwehrlin,
Ein grun Reib, reuspert sich drauff bald,
Dab das Giga in Wald erschalt;
Er setzet sich vnd spitzt sein ohrlin,
Wie dMeydlin, wenn man sagt ein Marlin,
Vnd sach stracks zu dem walt dorthin,
Alda die Kempffer fassen kun.
In deb fieng an die Nachtigal
Zu gallen jhrn zwitzrenden schall,
Das der Esel sich drob vergab
Vnd nicht wust, wie vnd was es was.
Darauff der Guckgauch auch herrucket,
Rufft dem Richter, der auff jn gucket,
Gugkuck, Gugkuck, giga gikuck:
Es laut als der Tantz auff der Kruck.
Meim Herr Esel Ohren richter
Gefiel so wol der Guckguck tichter,
Das vor verwunderung jhm gleich
Aub dem Trappen der stab entweich
Vnd thet das vrtheil gleich drauff sprechen,
Dab nach sein Ohrn es zu rechen,
So geb dem Guckgauch er das Lob,
Weil ers macht so verstendlich grob,
Dab solchs all Esels Ohrn merckn,
Dorffn nit drob viel kopffs zerwerckn
Vnd sein gsangsweib errathen lang,
Weil er selbst rufft sein Nam vnd gsang.
Aber die Nachtigal darnebn
Fuhr so ein seltzam verwirts lebn,
Verkalerirts, verzuckts, zerhackts,
Verketzerts, verzwickts vnd verzwackts,
Koterts vnd kauets in der Kaln,
Das man kein Silb jr nach kan zehln.
Drumb gab der Gauch weib er den preib,
Die reim sich zu seinr giga weib,
Aber der Nachtigallen gellen
Woll nicht in seinen Ohren stellen.
Hierauff so brach er seinen Stab,
Als ob ers wol verrichtet hab.
Da nun das vrtheil gsprochen ward,
Vertrob es alle Vogel hart,
Dab einer von so langen Ohrn,
Vnd darzu von so grawen Harn,
Nicht besser solt vrtheiln konnen,
Dann wie vom gschmack ein sau vol pfinnen.
Verjagten drumb den Gauch von jhnen,
Ders Recht durchs Esel recht wolt gwinnen,
Vnd gaben jrer Nachtigall
Den Rath, dab sie flucks in dem fall
Solt zu den Menschen Appelliern,
Der werds ohn zweiffel bab erspurn,
Weil er sein sinn nicht lab Regiern,
Sondern vernunfft die sinn lab fuhrn.
Sejther, zu folgen diesem Rath,
Die Nachtigal kein ruh nicht hat;
Wann sie ein Menschen nur erblickt,
Dab sie zum singen sich gleich schickt,
Vnd singt daher mit allem fleib,
Zuklagen jm durch klaglich weib
Das vrtheil deb wald Esels grob,
Der jr abgsprochen hat Lob,
Vnd einem Guckgauch zugesprochn,
Aub vnvernunfft nur Abgestochn.
Ja auch, dab sie vmb solchen Hohn
Sich etwas rechen mog zu lohn,
Ist gantzem Nachtigallen gschlecht
Erlaubt vom Jove fur gantz Recht,
Das es dem Esels gschlecht mog schadn,
Wann es mit gschweren ist beladn,
Es beissen auff den gschwollnen Ruckn,
Das es der Sattel bas mog truckn.
Ey dab all Nachtigal verachter
Han musten noch erger durchachter,
Wie Marsias, den Phoebus schundt,
Da er sich grossers vnterwundt
Vnd mit jm dorfft ein Kampff eingehn,
Darinn er doch nicht mocht bestehn.
Ey das all solche Guckgauchpreyser
Wurden zuschanden oder weiser,
Weil sie sich uber Eyer wagn,
Die sie nicht wissen, was sie tragn.
Wer sind aber ohn G. die GEselln,
Die solch wald Eblisch vrtheil felln?
Das sind die, so sich duncken klug
Vnd vrtheiln alles auch ohn fug,
Wollen erkennen uber sachn,
Die sie nicht konnen noch betrachtn,
Die vrtheiln, ehe sie ejn Ding lesn,
Vnd doch dab vrtheil jn zumessn,
Die viel richten vnd nichts verrichtn,
Vnd wolln als schlichtn durchs vernichtn
Ja da es geht, wie der Weib spricht:
Weibheit wird von jrn Kindern gricht.
Darumb, O liebe Nachtigal,
Es hat dir gfalt in disem fall
Dab Appellirest zu den Leutn,
Weil auch bey jnen seind zu zeitn
Zweybejnig Esel, die dein gsang
Achten minder denn Schellen klang,
Vnd uber Glehrte wolln sprechn
Vnd uber jedes den Stab brechn,
Die so nichts konnen dann gigagen,
Wollen vom gsang schon vrtheil sagen,
Doch mub die Nachtigal verliern,
Weil Eselskopff richten von jrn,
Da, die in Kunsten sind die minsten,
Sind im vrtheilen gar die kuensten,
Die ohn verstand von sachen sprechn,
So weit sie aub funff sinnen rechn,
So doch, wie hie gemahlet stet,
Die wahr vernunfft fur alle geht,
Die stet in mitten der funff Sinnen,
Die sie beherrscht als Koniginnen,
Durchs Scepter der Fursichtigkeit
Vnd also jr vngwibheit leit.
Sie ist das Liecht, welchs die sinn schlicht,
Das kein ohn sie nicht dunckel richt;
Sie tregts Buch der erfahrenheit,
Die sie vom lesen jhr bereit,
Damit scherpfft sie jr Ration,
Dab sie nicht vrtheilt nach dem wohn,
Sonder nach grund vnd der kunst klarheit;
Draus entsteht weibheit vnd warheit.
Derhalben kompt her, all jr Leut,
Weil jr doch all wolt richten heut,
Sitzt neben dem Richtr Esel her,
Secht, wie Richten wol nicht ist schwer,
Aber es treffen, da ligt es,
Da fehlt offt grob das Eselmeb.
Auff das jrs aber Recht mocht treffn,
So last klug dunckel euch nicht affn,
Dann eygen lieb vnd sich klug stelln
Vnd verstendigre nicht horen wolln,
Dib macht die Welt heut so verwirt,
Das man kaum kennt Schaf oder Hirt.
Wolan, Gott geb dem Esel die Beuln,
Das ubr sein verstand will vrtheiln,
Vnd der Nachtigal ein scharpffn Schnabl,
Der dem Esel plag mehr denn die gabl.