An Gutenstein (2)
So schau’ ich dich im Fruhlingsschein,
Du mein geliebtes Gutenstein,
Und durch bedeutungsvolle Zahl,
Begrub’ ich dich nun siebenmal.
Die Welt, so alt sie immer sei,
An Trug und Tauschung bleibt sie neu,
Und edle Wahrheit thronet nur
Im Herzen kraftiger Natur.
Vertrauen ist ein muntrer Wandersmann,
Oft klimmt er froh den Berg hinan
Und fragt: Ist hier die feste Burg der Treue?
Da tont’s zuruck: “Hier findest du die Reue!”
Weil mein Gemut nun auch zu solchem Los geboren,
So hab’ ich dich zu meiner Braut erkoren,
Du liebes, trautes Gutenstein.
Hier will ich oft des Beifalls Rauschen
Mit der bescheidnen Stille tauschen,
In deines Tales dunklem Hain.
Hier will ich all mein Glutverlangen
Kuhlen an den bluhnden Wangen
Deiner upp’gen Flur;
Und an deinem holden Busen
Suchen dann der flucht’gen Musen
Kunstgeweihte Spur.
Hoch auf des Klosterberges Gipfel,
Wo unter dunkler Tannen Wipfel,
Die heil’ge Wallfahrtskirche steht;
Wo der Sturm gebiet’risch weht,
Dab mit ehrfurchtsvollem Schweigen
Sich die stolzen Tannen neigen,
Vor dem hehren Gnadenbilde,
Das dort strahlt in Himmelsmilde;
Wo seiner eis’gen Kron’ noch nicht beraubt,
Der Schneeberg kuhn sein konigliches Haupt
Hoch uber Österreichs Berge streckt;
Wo all dies Hohe zur Begeistrung weckt:
Dort will ich sinnen uber Erdenfreuden,
Schnell den Traumen Worte kleiden.
Bunten Wechsel in des Menschen Leben
Leiden, Dulden, Widerstreben,
Des Geschickes Zauberwalten
Will zum Werke ich gestalten,
Und wenn, was ich auf deinen Bergen sang,
Der Stadter heitre Gunst errang,
Sind alle Blumchen, die ihr Lob mir streut,
Dir, meiner suben Braut, geweiht.
Auf deine Hohn will all mein Gluck ich tragen,
Nur deinen Kluften will ich mein Geheimnis sagen,
In deine Bache will ich meine Tranen weinen,
Mit ihren Wellen meinen Gram vereinen.
So halt’ ich fest an meiner frommen Liebe;
Des Neids, der Eifersucht gemeine Triebe,
Sie konnen niemals dieses Bundnis enden;
Denn buhlst du auch mit Elementen,
Wie darf ich Erdenwurm es wagen,
Der Schopfung Triebe anzuklagen?
Darf ich rechten mit dem Blitz, der aus Donnerwolken zuckt,
Und den gluhnden Kub auf deine Felsenlippen druckt?
Darf ich wohl den Strom beneiden, dab er deine Adern kuhlt,
Oder mit dem Westwind grollen, der um deinen Nacken spielt?
Mit den Hirtenliedern, die auf deinen Alpen klingen,
Mit den Nachtigallen, die in deinen Waldern singen?
Mit dem Morgen, weil er dir so freundlich lacht,
Mit dem Abend, weil er dich erroten macht?
Mit der Sonn’, weil sie ins Aug’ dir schallt mit Liebesglut?
Mit dem Mondlicht, weil es nachts in deinen Armen ruht?
Mit dem Echo, weil’s in deinen Bergen haust?
Mit dem Sturm, weil er in deinen Locken braust?
Und soll ich endlich die Natur beneiden,
Die reiche Quelle aller Lebensfreuden,
Weil sie als treuer Gatte dich begluckt,
Und mit dir zeugt, was mich entzuckt?
Nein, danken mub ich ihrer Himmelskraft,
Womit sie so viel Herrliches erschafft.
So will, geliebte Braut, ich’s mit der Treue halten,
Dich lass’ ich mit Natur, du mit der Kunst mich schalten;
Euch weih’ ich Lieb’, all meinen Freunden Dankbarkeit,
Dem Himmel meinen Geist, und meinen Leib der Zeit.
Und schliebt mich einst die Kunst aus ihrem Tempel aus,
Verbirg mein graues Haupt in deinem grunen Hans!
Dann mag sich meine Lebenssonne neigen,
Dann will ich in dein kuhles Brautbett steigen,
In deinem Schob ruh’ mein Gebein,
Mein Grabmal sei in Gutenstein!