Ein Flecken am Rhein
Grub dir, Romantik! – Welch ein prachtig Nest!
Mit seines schlanken Mauerthurmes Zinnen,
Mit seiner Thore moosbewachs’nem Rest!
Mit seiner Burg, so schartig und so fest,
Wie reibt es sieghaft meinen Geist von hinnen!
Grub dir Romantik! Traumend zieh’ ich ein
in deinen schonsten Zufluchtsort am Rhein!
Drin weilst du noch! Im schlichten Nonnenkleid
Blickst Du mich an durch die bemalten Scheiben.
Es hat geachtet dich die Nuchternheit,
Ach, und die Klugheit dieser hast’gen Zeit;
Sie mochten gern dich ganz und gar vertreiben.
In kleinen Ufervesten, morsch und grau
Birgst du dich zitternd, wunderbare Frau!
Doch – ach, in Kirchen, die des Schmuckes baar,
Dort ist die Statt, wo deine Seele jammert!
In oden Kirchen, mit zerwehtem Haar,
In oden Kirchen knie’st du am Altar;
Und halst mit Weinen brunstig ihn umklammert,
In seines Schattens ewigheil’ger Ruh’
Suchst eine Freistatt deinem Schmerze du.
Und bist dieselbe doch, die einst mit Lob
Und trunkner Scheu des Volkes Beste nannten;
Die Ludwig Tieck einst auf den Zelter hob,
Die keck den Forst der Poesie durchstob,
Arnim, Brentano deines Zugs Trabanten.
Die Waldung gluhte, silbern sprang der Born,
Und wie ein Mahrchen scholl das Wunderhorrn.
Das war vordem! – Jungst ging ich am Gestad;
Grun flob der Strom: nicht Volker sah ihn reiner.
Ein Dampfboot zog voruber seinen Pfad,
Tief in die Wellen griff es mit dem Rad,
Und auf dem Deck stand deiner Priester Einer:
Der jungste wohl – und doch schon grauen Haars
Um die gewolbten Schlafen: Uhland war’s!
Wir kannten uns – wir grubten uns. Vorbei
Mein einsam Stadtchen schwamm er zu den Danen.
Auf uns hernieder sah die Lorelei,
Im Hals erstickt’ ich einen Freudenschrei,
Doch in den Augen hatt’ ich helle Thranen.
Trub klang ein Lied in meiner Seele Schrein;
Das hieb: “Drei Bursche zogen uber’n Rhein!”
Ja, dieb der Rhein! Die Woge mit dem Hort,
In dessen Strahl sich Uhlands Wimper sonnte!
Und dort er selbst! die Sangerlippe dort,
Romantik, ach, die mit gefeitem Wort
All’ deinen Zauber noch verkunden konnte!
Das Auge dort, das tief im Elfenbusch
In deiner Bronnen Spiegel klar sich wusch!
Du wubtest es, dab er voruberzog!
Aus Burg und Felsrib durch des Morgens Nasse
Sahst du hernieder, und ein Lacheln flog,
Ein sonnig Lacheln, als das Schiff sich bog,
Durch deiner Zuge kummervolle Blasse.
Mit truber Freude sahst du auf den Knie’n
Auf deinem Strome deinen Dichter ziehn.
Da flog er hin, der letzte Rauch verschwamm!
Da flog er hin, dein jungster, reinster Kampfer!
Dein Lacheln floh, trub stand der Berge Kamm,
In meinem Herze pocht’ es wundersam:
Dein letzter Ritter – ach, und auf dem Dampfer!
Dahingerissen von der neuen Zeit
Des Mittelalters fromme Trunkenheit!
Ein Gleichnib nur! – Doch kamm es uber mich,
Und nich vermocht’ ich’s trotzig abzuweisen;
Daher die Trauer, die mich uberschlich.
Du Stille, Bleiche, ja verhulle dich!
Die Zeit, o Herrin, ist fur dich von Eisen!
Kalt unterwuhlt sie dein vermorscht Asyl –
Ach, nicht allein mit ihrer Dampfer Kiel!
Dein Reich ist aus! – Ja ich versteh’ es nicht;
Ein andrer Geist regiert die Welt als deiner.
Wir fuhlen’s Alle, wie er Bahn sich bricht;
Er pulst im Leben, lobert im Gedicht,
Er strebt, er ringt – so strebte vor ihm keiner!
Ich dien’ ihm auch und wunsch’ ihm frohen Sieg –
Doch warum dir, Verbannte, debhalb Krieg?
Dir, deren prachtig Banner ohnehin
Einsam nur weht noch auf zerfallner Mauer!
Dir, der Entthronten! – Mit bewegtem Sinn
Zu deinen Fuben werf’ ich still mich hin,
Ein ernster Zeuge deiner Witwentrauer!
Ein Kind der Neuzeit, fiebernd und erregt,
Das um die alte fromm doch Leide tragt!
Nicht wie ein Knabe! – Diese Stunde nur
Zu deinen Fuben klagend will ich sitzen!
Der frische Geist, der diese Zeit durchfuhr,
Er hat mein Wort, ich gab ihm meinen Schwur,
Noch mub mein Schwert in jungen Schlachten blitzen.
Nur eine Stunde! Aber die auch ganz
An deiner Brust, in deiner Glorie Glanz.