Der Blinde und der Lahme
Von ungefahr mub einen Blinden
Ein Lahmer auf der Strabe finden,
Und jener hofft schon freudenvoll,
Dab ihn der andre leiten soll.
Dir, spricht der Lahme, beizustehn?
Ich armer Mann kann selbst nicht gehn;
Doch scheints, dab du zu einer Last
Noch sehr gesunde Schultern hast.
Entschliebe dich, mich fortzutragen:
So will ich dir die Stege sagen:
So wird dein starker Fub mein Bein,
Mein helles Auges deines sein.
Der Lahme hangt mit seiner Krucken
Sich auf des Blinden breiten Rucken.
Vereint wirkt also dieses Paar,
Was einzeln keinem moglich war.
Du hast das nicht, was andre haben,
Und andern mangeln deine Gaben;
Aus dieser Unvollkommenheit
Entspringet die Geselligkeit.
Wenn jenem nicht die Gabe fehlte,
Die die die Natur fur mich erwahlte:
So wurd er nur fur sich allein,
Und nicht fur mich, bekummert sein.
Beschwer die Gotter nicht mit Klagen!
Der Vorteil, den sie dir versagen
Und jenem schenken, wird gemein,
Wir durfen nur gesellig sein.