Kirschblute bei der Nacht
Ich sahe mit betrachtendem Gemute
Jungst einen Kirschbaum, welcher bluhte,
In kuhler Nacht beim Mondenschein;
Ich glaubt’, es konne nichts von grobrer Weibe sein.
Es schien, ob war ein Schnee gefallen.
Ein jeder, auch der kleinste Ast
Trug gleichsam eine rechte Last
Von zierlich-weiben runden Ballen.
Es ist kein Schwan so weib, da namlich jedes Blatt,
Indem daselbst des Mondes sanftes Licht
Selbst durch die zarten Blatter bricht,
Sogar den Schatten weib und sonder Schwarze hat.
Unmoglich, dacht ich, kann auf Erden
Was Weibers aufgefunden werden.
Indem ich nun bald hin, bald her
Im Schatten dieses Baumes gehe,
Sah ich von ungefahr
Durch alle Blumen in die Hohe
Und ward noch einen weibern Schein,
Der tausendmal so weib, der tausendmal so klar,
Fast halb darob erstaunt, gewahr.
Der Blute Schnee schien schwarz zu sein
Bei diesem weiben Glanz. Es fiel mir ins Gesicht
Von einem hellen Stern ein weibes Licht,
Das mir recht in die Seele strahlte.
Wie sehr ich mich an Gott im Irdischen ergetze,
Dacht ich, hat Er dennoch weit grobre Schatze.
Die grobte Schonheit dieser Erden
Kann mit der himmlischen doch nicht verglichen werden.