Українська та зарубіжна поезія

Вірші на українській мові






Das Buch von der Armut und vom Tode

Vielleicht, dab ich durch schwere Berge gehe
in harten Adern, wie ein Erz allein;
und bin so tief, dab ich kein Ende sehe
und keine Ferne: alles wurde Nahe
und alle Nahe wurde Stein.

Ich bin ja noch kein Wissender im Wehe, –
so macht mich dieses grobe Dunkel klein;
bist Du es aber: mach dich schwer, brich ein:
dab deine ganze Hand an mir geschehe
und ich an dir mit meinem ganzen Schrein.

Du Berg, der blieb da die Gebirge kamen, –
Hang ohne Hutten, Gipfel ohne Namen,
ewiger Schnee, in dem die Sterne lahmen,
und Trager jener Tale der Cyclamen,
aus denen aller Duft der Erde geht;
du, aller Berge Mund und Minaret
(von dem noch nie der Abendruf erschallte):

Geh ich in dir jetzt? Bin ich im Basalte
wie ein noch ungefundenes Metall?
Ehrfurchtig full ich deine Felsenfalte,
und deine Harte fuhl ich uberall.

Oder ist das die Angst, in der ich bin?
die tiefe Angst der ubergroben Stadte,
in die du mich gestellt hast bis ans Kinn?

O dab dir einer recht geredet hatte
von ihres Wesens Wahn und Abersinn.
Du stundest auf, du Sturm aus Anbeginn,
und triebest sie wie Hulsen vor dir hin…

Und willst du jetzt von mir: so rede recht, –
so bin ich nichtmehr Herr in meinem Munde,
der nichts als zugehn will wie eine Wunde;
und meine Hande halten sich wie Hunde
an meinen Seiten, jedem Ruf zu schlecht.

Du zwingst mich, Herr, zu einer fremden Stunde.

Mach mich zum Wachter deiner Weiten,
mach mich zum Horchenden am Stein,
gieb mir die Augen auszubreiten
auf deiner Meere Einsamsein;
lab mich der Flusse Gang begleiten
aus dem Geschrei zu beiden Seiten
weit in den Klang der Nacht hinein.

Schick mich in deine leeren Lander,
durch die die weiten Winde gehn,
wo grobe Kloster wie Gewander
um ungelebte Leben stehn.
Dort will ich mich zu Pilgern halten,
von ihren Stimmen und Gestalten
durch keinen Trug mehr abgetrennt,
und hinter einem blinden Alten
des Weges gehn, den keiner kennt.

Denn, Herr, die groben Stadte sind
verlorene und aufgeloste;
wie Flucht vor Flammen ist die grobte, –
und ist kein Trost, dab er sie troste,
und ihre kleine Zeit verrinnt.

Da leben Menschen, leben schlecht und schwer,
in tiefen Zimmern, bange von Gebarde,
geangsteter denn eine Erstlingsherde;
und drauben wacht und atmet deine Erde,
sie aber sind und wissen es nicht mehr.

Da wachsen Kinder auf an Fensterstufen,
die immer in demselben Schatten sind,
und wissen nicht, dab drauben Blumen rufen
zu einem Tag voll Weite, Gluck und Wind, –
und mussen Kind sein und sind traurig Kind.

Da bluhen Jungfraun auf zum Unbekannten
und sehnen sich nach ihrer Kindheit Ruh;
das aber ist nicht da, wofur sie brannten,
und zitternd schlieben sie sich wieder zu.
Und haben in verhullten Hinterzimmern
die Tage der enttauschten Mutterschaft,
der langen Nachte willenloses Wimmern
und kalte Jahre ohne Kampf und Kraft.
Und ganz im Dunkel stehn die Sterbebetten,
und langsam sehnen sie sich dazu hin;
und sterben lange, sterben wie in Ketten
und gehen aus wie eine Bettlerin.

Da leben Menschen, weiberbluhte, blasse,
und sterben staunend an der schweren Welt.
Und keiner sieht die klaffende Grimasse,
zu der das Lacheln einer zarten Rasse
in namenlosen Nachten sich entstellt.

Sie gehn umher, entwurdigt durch die Muh,
sinnlosen Dingen ohne Mut zu dienen,
und ihre Kleider werden welk an ihnen,
und ihre schonen Hande altern fruh.

Die Menge drangt und denkt nicht sie zu schonen,
obwohl sie etwas zogernd sind und schwach, –
nur scheue Hunde, welche nirgends wohnen,
gehn ihnen leise eine Weile nach.

Sie sind gegeben unter hundert Qualer,
und, angeschrien von jeder Stunde Schlag,
kreisen sie einsam um die Hospitaler
und warten angstvoll auf den Einlabtag.

Dort ist der Tod. Nicht jener, dessen Grube
sie in der Kindheit wundersam gestreift, –
der kleine Tod, wie man ihn dort begreift;
ihr eigener hangt grun und ohne Sube
wie eine Frucht in ihnen, die nicht reift.

O Herr, gieb jedem seinen eignen Tod.
Das Sterben, das aus jenem Leben geht,
darin er Liebe hatte, Sinn und Not.

Denn wir sind nur die Schale und das Blatt.
Der grobe Tod, den jeder in sich hat,
das ist die Frucht, um die sich alles dreht.

Um ihretwillen heben Madchen an
und kommen wie ein Baum aus einer Laute,
und Knaben sehnen sich um sie zum Mann;
und Frauen sind den Wachsenden Vertraute
fur Ängste, die sonst niemand nehmen kann.
Um ihretwillen bleibt das Angeschaute
wie Ewiges, auch wenn es lang verrann, –
und jeder, welcher bildete und baute,
ward Welt um diese Frucht, und fror und taute
und windete ihr zu und schien sie an.
In sie ist eingegangen alle Warme
der Herzen und der Hirne weibes Gluhn -:
Doch deine Engel ziehn wie Vogelschwarme,
und sie erfanden alle Fruchte grun.

Herr: Wir sind armer denn die armen Tiere,
die ihres Todes enden, wennauch blind,
weil wir noch alle ungestorben sind.
Den gieb uns, der die Wissenschaft gewinnt,
das Leben aufzubinden in Spaliere,
um welche zeitiger der Mai beginnt.

Denn dieses macht das Sterben fremd und schwer,
dab es nicht unser Tot ist; einer der
uns endlich nimmt, nur weil wir keinen reifen.
Drum geht ein Sturm, uns alle abzustreifen.

Wir stehn in deinem Garten Jahr und Jahr
Und sind die Raume, suben Tod zu tragen;
aber wir altern in den Erntetagen,
und so wie Frauen, welche du geschlagen,
sind wir verschlossen, schlecht und Unfruchtbar.

Oder ist meine Hoffahrt ungerecht:
sind Baume besser? Sind wir nur Geschlecht
und Schoob von Frauen, welche viel gewahren? –
Wir haben mit der Ewigkeit gehurt,
und wenn das Kreibbett da ist, so gebaren
wir unsres Todes tote Fehlgeburt;
den krummen, kummervollen Embryo,
der sich (als ob ihn Schreckliches erschreckte)
die Augenkeime mit den Handen deckte
und dem schon auf der ausgebauten Stirne
die Angst von allem steht, was er nicht litt, –
und alle schlieben so wie eine Dirne
in Kindbettkrampfen und am Kaiserschnitt.

Mach Einen herrlich, Herr, mach Einen grob,
bau seinem Leben einen schonen Schoob,
und seine Scham errichte wie ein Tor
in einem blonden Wald von jungen Haaren,
und ziehe durch das Glied des Unsagbaren
den Reisigen, den weiben Heeresscharen,
den tausend Samen, die sich sammeln, vor.

Und eine Nacht gieb, dab der Mensch empfinge
was keines Menschen Tiefen noch betrat;
gieb eine Nacht da bluhen alle Dinge,
und mach sie duftender als die Syringe
und wiegender denn deines Windes Schwinge
und jubelnder als Josaphat.

Und gieb ihm eines langen Tragens Zeit
und mach ihn weit in wachsenden Gewandern,
und schenk ihm eines Sternes Einsamkeit,
dab keines Auges Staunen ihn beschreit,
wenn seine Zuge schmelzend sich verandern.

Erneue ihn mit einer reinen Speise,
mit Tau, mit ungetotetem Gericht,
mit jenem Leben, das wie Andacht leise
und warm wie Atem aus den Feldern bricht.

Mach, dab er seine Kindheit wieder weib;
das Unbewubte und das Wunderbare
und seiner ahnungsvollen Anfangsjahre
unendlich dunkelreichen Sagenkreis.

Und also heib ihn seiner Stunde warten,
da er den Tod gebaren wird, den Herrn:
allein und rauschend wie ein grober Garten,
und ein Versammelter aus fern.

Das letzte Zeichen lab an uns geschehen,
erscheine in der Krone deiner Kraft,
und gieb uns jetzt (nach aller Weiber Wehen)
des Menschen ernste Mutterschaft.
Erfulle, du gewaltiger Gewahrer,
nicht jenen Traum der Gottgebarerin, –
richt auf den Wichtigen: den Tod-Gebarer,
und fuhr uns mitten durch die Hande derer,
die ihn verfolgen werden, zu ihm hin.
Denn sieh, ich sehe seine Widersacher,
und sie sind mehr als Lugen in der Zeit, –
und er wird aufstehn in dem Land der Lacher
und wird ein Traumer heiben: denn ein Wacher
ist immer Traumer unter Trunkenheit.

Du aber grunde ihn in deine Gnade,
in deinem alten Glanze pflanz ihn ein;
und mich lab Tanzer dieser Bundeslade,
lab mich den Mund der neuen Messiade,
den Tonenden, den Taufer sein.

Ich will ihn preisen. Wie vor einem Heere
die Horner gehen, will ich gehn und schrein.
Mein Blut soll lauter rauschen denn die Meere,
mein Wort soll sub sein, dab man sein begehre,
und doch nicht irre machen wie der Wein.

Und in den Fruhlingsnachten, wenn nicht viele
geblieben sind um meine Lagerstatt,
dann will ich bluhn in meinem Saitenspiele
so leise wie die nordlichen Aprile,
die spat und angstlich sind um jedes Blatt.

Denn meine Stimme wuchs nach zweien Seiten
und ist ein Duften worden und ein Schrein:
die eine will den Fernen vorbereiten,
die andere mub meiner Einsamkeiten
Gesicht und Seligkeit und Engel sein.

Und gieb, dab beide Stimmen mich begleiten,
streust du mich wieder aus in Stadt und Angst.
Mit ihnen will ich sein im Zorn der Zeiten,
und dir aus meinem Klang ein Bett bereiten
an jeder Stelle, wo du es verlangst.

Die groben Stadte sind nicht wahr; sie tauschen
den Tag, die Nacht, die Tiere und das Kind;
ihr Schweigen lugt, sie lugen mit Gerauschen
und mit den Dingen, welche willig sind.

Nichts von dem weiten wirklichen Geschehen,
das sich um dich, du Werdender, bewegt,
geschieht in ihnen. Deiner Winde Wehen
fallt in die Gassen, die es anders drehen,
ihr Rauschen wird im Hin – und Wiedergehen
verwirrt, gereizt und aufgeregt.

Sie kommen auch zu Beeten und Alleen -:

Denn Garten sind, – von Konigen gebaut,
die eine kleine Zeit sich drin vergnugten
mit jungen Frauen, welche Blumen fugten
zu ihres Lachens wunderlichem Laut.
Sie hielten diese muden Parke wach;
sie flusterten wie Lufte in den Buschen,
sie leuchteten in Pelzen und in Pluschen,
und ihrer Morgenkleider Seidenruschen
erklangen auf dem Kiesweg wie ein Bach.

Jetzt gehen ihnen alle Garten nach –
und fugen still und ohne Augenmerk
sich in des fremden Fruhlings helle Gammen
und brennen langsam mit des Herbstes Flammen
auf ihrer Äste grobem Rost zusammen,
der kunstvoll wie aus tausend Monogrammen
geschmiedet scheint zu schwarzem Gitterwerk.

Und durch die Garten blendet der Palast
(wie blasser Himmel mit verwischtem Lichte),
in seiner Sale welke Bilderlast
versunken wie in innere Gesichte,
fremd jedem Feste, willig zum Verzichte
und schweigsam und geduldig wie ein Gast.

Dann sah ich auch Palaste, welche leben;
sie brusten sich den schonen Vogeln gleich,
die eine schlechte Stimme von sich geben.
Viele sind reich und wollen sich erheben, –
aber die Reichen sind nicht reich.

Nicht wie die Herren deiner Hirtenvolker,
der klaren, grunen Ebenen Bewolker
wenn sie mit schummerigem Schafgewimmel
daruber zogen wie ein Morgenhimmel.
Und wenn sie lagerten und die Befehle
verklungen waren in der neuen Nacht,
dann wars, als sei jetzt eine andre Seele
in ihrem flachen Wanderland erwacht -:
die dunklen Hohenzuge der Kamele
umgaben es mit der Gebirge Pracht.

Und der Geruch der Rinderherden lag
dem Zuge nach bis in den zehnten Tag,
war warm und schwer und wich dem Wind nicht aus.
Und wie in einem hellen Hochzeitshaus
die ganze Nacht die reichen Weine rinnen:
so kam die Milch aus ihren Eselinnen.

Und nicht wie jene Scheichs der Wustenstamme,
die nachtens auf verwelktem Teppich ruhten,
aber Rubinen ihren Lieblingsstuten
einsetzen lieben in die Silberkamme.

Und nicht wie jene Fursten, die des Golds
nicht achteten, das keinen Duft erfand,
und deren stolzes Leben sich verband
mit Ambra, Mandelol und Sandelholz.

Nicht wie des Ostens weiber Gossudar,
dem Reiche eines Gottes Recht erwiesen;
er aber lag mit abgeharmtem Haar,
die alte Stirne auf des Fubes Fliesen,
und weinte, – weil aus allen Paradiesen
nicht eine Stunde seine war.

Nicht wie die Ersten alter Handelshafen,
die sorgten, wie sie ihre Wirklichkeit
mit Bildern ohnegleichen ubertrafen
und ihre Bilder wieder mit der Zeit;
und die in ihres goldnen Mantels Stadt
zusammgefaltet waren wie ein Blatt,
nur leise atmend mit den weiben Schlafen…

Das waren Reiche, die das Leben zwangen
unendlich weit zu sein und schwer und warm.
Aber der Reichen Tage sind vergangen,
und keiner wird sie dir zuruckverlangen,
nur mach die Armen endlich wieder arm.

Sie sind es nicht. Sie sind nur die Nicht-Reichen,
die ohne Willen sind und ohne Welt;
gezeichnet mit der letzten Ängste Zeichen
und uberall entblattert und entstellt.

Zu ihnen drangt sich aller Staub der Stadte,
und aller Unrat hangt sich an sie an.
Sie sind verrufen wie ein Blatternbette,
wie Scherben fortgeworfen, wie Skelette,
wie ein Kalender, dessen Jahr verrann, –
und doch: wenn deine Erde Note hatte:
sie reihte sie an eine Rosenkette und
truge sie wie einen Talisman.

Denn sie sind reiner als die reinen Steine
und wie das blinde Tier, das erst beginnt,
und voller Einfalt und unendlich Deine
und wollen nichts und brauchen nur das Eine

so arm sein durfen, wie sie wirklich sind.

Denn Armut ist ein grober Glanz aus Innen…

Du bist der Arme, du der Mittellose,
du bist der Stein, der keine Statte hat,
du bist der fortgeworfene Leprose,
der mit der Klapper umgeht vor der Stadt.

Denn dein ist nichts, so wenig wie des Windes,
und deine Blobe kaum bedeckt der Ruhm;
das Alltagskleidchen eines Waisenkindes
ist herrlicher und wie ein Eigentum.

Du bist so arm wie eines Keimes Kraft
in einem Madchen, das es gern verburge
und sich die Lenden prebt, dab sie erwurge
das erste Atmen ihrer Schwangerschaft.

Und du bist arm: so wie der Fruhlingsregen,
der selig auf der Stadte Dacher fallt,
und wie ein Wunsch, wenn Straflinge ihn hegen
in einer Zelle, ewig ohne Welt.
Und wie die Kranken, die sich anders legen
und glucklich sind; wie Blumen in Geleisen
so traurig arm im irren Wind der Reisen;
und wie die Hand, in die man weint, so arm…

Und was sind Vogel gegen dich, die frieren,
was ist ein Hund, der tagelang nicht frab,
und was ist gegen dich das Sichverlieren,
das stille lange Traurigsein von Tieren,
die man als Eingefangene vergab?

Und alle Armen in den Nachtasylen,
was sind sie gegen dich und deine Not?
Sie sind nur kleine Steine, keine Muhlen,
aber sie mahlen doch ein wenig Brot.

Du aber bist der tiefste Mittellose,
der Bettler mit verborgenem Gesicht;
du bist der Armut grobe Rose,
die ewige Metamorphose
des Goldes in das Sonnenlicht.

Du bist der leise Heimatlose,
der nichtmehr einging in die Welt:
zu grob und schwer zu jeglichem Bedarfe.
Du heulst im Sturm. Du bist wie eine Harfe,
an welcher jeder Spielende zerschellt.

Du, der du weibt, und dessen weites Wissen
aus Armut ist und Armutsuberflub:
Mach, dab die Armen nichtmehr fortgeschmissen
und eingetreten werden in Verdrub.
Die andern Menschen sind wie ausgerissen;
sie aber stehn wie eine Blumen-Art
aus Wurzeln auf und duften wie Melissen
und ihre Blatter sind gezackt und zart.

Betrachte sie und sieh, was ihnen gliche:
sie ruhren sich wie in den Wind gestellt
und ruhen aus wie etwas, was man halt.
In ihren Augen ist das feierliche
Verdunkeltwerden lichter Wiesenstriche,
auf die ein rascher Sommerregen fallt.

Sie sind so still; fast gleichen sie den Dingen.
Und wenn man sich sie in die Stube ladt,
sind sie wie Freunde, die sich wiederbringen,
und gehn verloren unter dem Geringen
und dunkeln wie ein ruhiges Gerat.

Sie sind wie Wachter bei verhangten Schatzen,
die sie bewahren, aber selbst nicht sahn, –
getragen von den Tiefen wie ein Kahn,
und wie das Leinen auf den Bleicheplatzen
so ausgebreitet und so aufgetan.

Und sieh, wie ihrer Fube Leben geht:
wie das der Tiere, hundertfach verschlungen
mit jedem Wege; voll Erinnerungen
an Stein und Schnee und an die leichten, jungen
gekuhlten Wiesen, uber die es weht.

Sie haben Leid von jenem groben Leide,
aus dem der Mensch zu kleinem Kummer fiel;
des Grases Balsam und der Steine Schneide
ist ihnen Schicksal, – und sie lieben beide
und gehen wie auf deiner Augen Weide
und so wie Hande gehn im Saitenspiel.

Und ihre Hande sind wie die von Frauen,
und irgendeiner Mutterschaft gemab;
so heiter wie die Vogel wenn sie bauen, –
im Fassen warm und ruhig im Vertrauen,
und anzufuhlen wie ein Trinkgefab.

Ihr Mund ist wie der Mund an einer Buste,
der nie erklang und atmete und kubte
und doch aus einem Leben das verging
das alles, weise eingeformt, empfing
und sich nun wolbt, als ob er alles wubte –
und doch nur Gleichnis ist und Stein und Ding…

Und ihre Stimme kommt von ferneher
und ist vor Sonnenaufgang aufgebrochen,
und war in groben Waldern, geht seit Wochen,
und hat im Schlaf mit Daniel gesprochen
und hat das Meer gesehn, und sagt vom Meer.

Und wenn sie schlafen, sind sie wie an alles
zuruckgegeben was sie leise leiht,
und weit verteilt wie Brot in Hungersnoten
an Mitternachte und an Morgenroten,
und sind wie Regen voll des Niederfalles
in eines Dunkels junge Fruchtbarkeit.

Dann bleibt nicht eine Narbe ihres Namens
auf ihrem Leib zuruck, der keimbereit
sich bettet wie der Samen jenes Samens,
aus dem du stammen wirst von Ewigkeit.

Und sieh: ihr Leib ist wie ein Brautigam
und fliebt im Liegen hin gleich einem Bache,
und lebt so schon wie eine schone Sache,
so leidenschaftlich und so wundersam.
In seiner Schlankheit sammelt sich das Schwache,
das Bange, das aus vielen Frauen kam;
doch sein Geschlecht ist stark und wie ein Drache
und wartet schlafend in dem Tal der Scham.

Denn sieh: sie werden leben und sich mehren
und nicht bezwungen werden von der Zeit,
und werden wachsen wie des Waldes Beeren
den Boden bergend unter Subigkeit.

Denn selig sind, die niemals sich entfernten
und still im Regen standen ohne Dach;
zu ihnen werden kommen alle Ernten,
und ihre Frucht wird voll sein tausendfach.

Sie werden dauern uber jedes Ende
und uber Reiche, deren Sinn verrinnt,
und werden sich wie ausgeruhte Hande
erheben, wenn die Hande aller Stande
und aller Volker mude sind.

Nur nimm sie wieder aus der Stadte Schuld,
wo ihnen alles Zorn ist und verworren
und wo sie in den Tagen aus Tumult
verdorren mit verwundeter Geduld.

Hat denn fur sie die Erde keinen Raum?
Wen sucht der Wind? Wer trinkt des Baches Helle?
Ist in der Teiche tiefem Ufertraum
kein Spiegelbild mehr frei fur Tur und Schwelle?
Sie brauchen ja nur eine kleine Stelle,
auf der sie alles haben wie ein Baum.

Des Armen Haus ist wie ein Altarschrein.
Drin wandelt sich das Ewige zur Speise,
und wenn der Abend kommt, so kehrt es leise
zu sich zuruck in einem weiten Kreise
und geht voll Nachklang langsam in sich ein.

Des Armen Haus ist wie ein Altarschrein.

Des Armen Haus ist wie des Kindes Hand.
Sie nimmt nicht, was Erwachsene verlangen;
nur einen Kafer mit verzierten Zangen,
den runden Stein, der durch den Bach gegangen,
den Sand, der rann, und Muscheln, welche klangen;
sie ist wie eine Waage aufgehangen
und sagt das allerleiseste Empfangen
langschwankend an mit ihrer Schalen Stand.

Des Armen Haus ist wie des Kindes Hand.

Und wie die Erde ist des Armen Haus:
Der Splitter eines kunftigen Kristalles,
bald licht, bald dunkel in der Flucht des Falles;
arm wie die warme Armut eines Stalles, –
und doch sind Abende: da ist sie alles,
und alle Sterne gehen von ihr aus.

Die Stadte aber wollen nur das Ihre
und reiben alles mit in ihren Lauf.
Wie hohles Holz zerbrechen sie die Tiere
und brauchen viele Volker brennend auf.

Und ihre Menschen dienen in Kulturen
und fallen tief aus Gleichgewicht und Mab,
und nennen Fortschritt ihre Schneckenspuren
und fahren rascher, wo sie langsam fuhren,
und fuhlen sich und funkeln wie die Huren
und larmen lauter mit Metall und Glas.

Es ist, als ob ein Trug sie taglich affte,
sie konnen gar nicht mehr sie selber sein;
das Geld wachst an, hat alle ihre Krafte
und ist wie Ostwind grob, und sie sind klein
und ausgeholt und warten, dab der Wein
und alles Gift der Tier – und Menschensafte
sie reize zu verganglichem Geschafte.

Und deine Armen leiden unter diesen
und sind von allem, was sie schauen, schwer
und gluhen frierend wie in Fieberkrisen
und gehn, aus jeder Wohnung ausgewiesen,
wie fremde Tote in der Nacht umher;
und sind beladen mit dem ganzen Schmutze,
und wie in Sonne Faulendes bespien, –
von jedem Zufall, von der Dirnen Putze,
von Wagen und Laternen angeschrien.

Und giebt es einen Mund zu ihrem Schutze,
so mach ihn mundig und bewege ihn.

O wo ist der, der aus Besitz und Zeit
zu seiner groben Armut so erstarkte,
dab er die Kleider abtat auf dem Markte
und bar einherging vor des Bischofs Kleid.
Der Innigste und Liebendste von allen,
der kam und lebte wie ein junges Jahr;
der braune Bruder deiner Nachtigallen,
in dem ein Wundern und ein Wohlgefallen
und ein Entzucken an der Erde war.

Denn er war keiner von den immer Mudern,
die freudeloser werden nach und nach,
mit kleinen Blumen wie mit kleinen Brudern
ging er den Wiesenrand entlang und sprach.
Und sprach von sich und wie er sich verwende
so dab es allem eine Freude sei;
und seines hellen Herzens war kein Ende,
und kein Geringes ging daran vorbei.

Er kam aus Licht zu immer tieferm Lichte,
und seine Zelle stand in Heiterkeit.
Das Lacheln wuchs auf seinem Angesichte
und hatte seine Kindheit und Geschichte
und wurde reif wie eine Madchenzeit.

Und wenn er sang, so kehrte selbst das Gestern
und das Vergessene zuruck und kam;
und eine Stille wurde in den Nestern,
und nur die Herzen schrieen in den Schwestern,
die er beruhrte wie ein Brautigam.

Dann aber losten seines Liedes Pollen
sich leise los aus seinem roten Mund
und trieben traumend zu den Liebevollen
und fielen in die offenen Corollen
und sanken langsam auf den Blutengrund.

Und sie empfingen ihn, den Makellosen,
in ihrem Leib, der ihre Seele war.
Und ihre Augen schlossen sich wie Rosen,
und voller Liebesnachte war ihr Haar.

Und ihn empfing das Grobe und Geringe.
Zu vielen Tieren kamen Cherubim
zu sagen, dab ihr Weibchen Fruchte bringe, –
und waren wunderschone Schmetterlinge:
denn ihn erkannten alle Dinge
und hatten Fruchtbarkeit aus ihm.

Und als er starb, so leicht wie ohne Namen,
da war er ausgeteilt: sein Samen rann
in Bachen, in den Baumen sang sein Samen
und sah ihn ruhig aus den Blumen an.
Er lag und sang. Und als die Schwestern kamen,
da weinten sie um ihren lieben Mann.

O wo ist er, der Klare, hingeklungen?
Was fuhlen ihn, den Jubelnden und Jungen,
die Armen, welche harren, nicht von fern?

Was steigt er nicht in ihre Dammerungen –
der Armut grober Abendstern.

( ursprunglicher Schluss des Stundenbuchs:

Nur Einer ist, ein Wachender, ein Reifer,
ein grober Fur-Sich-Redender im Stein;
unendlich hart und herrisch als Ergreifer
und so wie Osterglocken rein im Eifer
und selig schwingend im Ergriffensein.

Er dauerte in taglichem Verzichte
auf seine Zeit zu einem Alter hin;
ein grober Bart geht aus aus seinem Kinn
und fliebt jetzt langsam hin in weibem Lichte
und ist der Strom der inneren Gesichte
und ganz erfullt von seinem Anbeginn.

Wann aber wirst Du, grober Geigenbauer,
noch eine Geige bilden so wie ihn,
und ihre Dunkel mit dem Regenschauer
seliger Saiten uberziehn?

Es tonen Viele. Tonen im Gewirre
und werfen ihre Worte in den Wind;
doch sie frohlocken und sie klagen irre
und reifen nicht, weil sie nicht einsam sind.

Und so sind alle Kundigen der Kunste:
Verlorene in Larm und Lust der Zeit.
Und ihre Dinge sind verdunnte Brunste
und dauern traurig eine Eitelkeit.
Sie sind von grober Hoffahrt angefabte
und darum taumeln sie von Tand zu Tand,
und konnen weder Hande sein noch Taste
und schwanken nur…
Du aber bist die Hand.
_

Du bist die Hand, die in die Geigenboden
versenkt das heimliche Gerausch der Welt.
Die stille Hand, die alle Dinge halt,
und die in Ängsten und in groben Öden
Einsame wie ein Engel uberfallt.

Du bist die Hand, die mit den neuen Zweigen
aus ihren Ästen geht, den Wind hinauf,
Du bist die Hand, aus der die Sturme steigen
und fuhlst die Madchen an wie grune Feigen
und deckst den Reifen ihre Rote auf.

Du bist die Hand, die aus dem Abgrund reicht,
und in den Nachten greifst Du nach den Schwachen,
die Dich erwarten weil sie lange wachen,
und hebst sie auf und fuhlst sie an wie Sachen
und formst sie und vollendest sie vielleicht…)
Das Einhorn
Der Heilige hob das Haupt, und das Gebet
fiel wie ein Helm zuruck von seinem Haupte:
denn lautlos nahte sich das niegeglaubte,
das weibe Tier, das wie eine geraubte
‚hulflose Hindin’ mit den Augen fleht.
Der Beine elfenbeinernes Gestell
bewegte sich in leichten Gleichgewichten,
ein weiber Glanz glitt selig durch das Fell,
und auf der Tierstirn, auf der stillen, lichten,
stand wie ein Turm im Mond, das Horn so hell,
und jeder Schritt geschah, es aufzurichten.
Das Maul mit seinem rosagrauen Flaum
war leicht gerafft, so dab ein wenig Weib
(weiber als alles) von den Zahnen glanzte;
die Nustern nahmen auf und lechzten leis.
Doch seine Blicke, die kein Ding begrenzte,
warfen sich Bilder in den Raum
und schlossen einen blauen Sagenkreis.

1 Star2 Stars3 Stars4 Stars5 Stars (2 votes, average: 5,00 out of 5)

Das Buch von der Armut und vom Tode - RAINER MARIA RILKE