Waldeinsamkeit. X. Waldfrevel
Ein gastlich Quartier um Mitternacht
Hab vom Wald ich geheischt; gern bot er mir dar
Ein windstill Lager im dichtsten Geholz,
In sammtweichem Moose, von Farren umschwankt,
Den umsponnenen Stein als Kissen des Kopfs,
Altknorrige Eichen als Huter.
Unlang war der Schlaf; es umschwebte mich nicht
Sub gaukelnder Traum und entfuhrte mir nicht
Zu dir, mein Magnet, die Gedanken.
Jah fuhr ich empor mit unwirschem Fluch,
Geweckt von dem Schalle der hauenden Axt,
Der, doppelt so stark
Denn bei Tag, weit rief durch die Nacht hin.
Im Silberglanzdammern der Sommernacht
Hob Eiche bei Eiche ihr wipfelgrun Haupt.
Nur des Vordergrunds erste, geborsten im Stamm,
Lag einwarts gesturzt und erfullte den Grund
Mit der machtigen Krone Laubwirrsal.
Von dort kam der Schall, nichts Gutes vermeldend,
Denn hauende Axt um Mitternacht ruft
Zwar manchesmal: “Ehrlich!” doch oftermal: “Schuft!”
Hoch oben auf schief sich erbiegendem Stamm
Stand einer und hieb mit gewaltiger Kraft,
Dab Spane flogen und Aeste,
Und auf den Schauplatz der nachtigen That
Sah kreisrund die Scheibe des Vollmonds herab,
Und dasselbe traumdammrige Silberlicht,
Das Liebende lockt,
In sanften Gefuhlen zu schwarmen,
Bestrahlte die Kanten der Nachbarbaume,
Bestrahlte mild den gesunknen Kolob,
Der Aeste Verflechtung nach rechts und links,
Und ihm selber, dem Mann mit geschwungener Axt,
Kahlkopf, Hemdarmel und Haubeil.
Zum Gluck ists ein Fall nicht, der Blutsuhne heischt
Wie ehdem, wo grausam dem Frevler im Forst
Den rechten Daumen der frevelnden Hand
Als verwirkt abhieb der Gerichtsherr.
Ich kenne den Mann. Im Taglohn haut
Der Forstei er das Holz,
Der Sturm, nicht er, warf die Eiche.
Und weil er am Tage heut Kindtaufe hielt
Hilft verspateter Fleib und die Silberscheinnacht,
Der Saumnib Fehler zu bessern.
Und ich nahte dem, der sich den Schlummer brach
Und den meinen verdarb, doch ich zurnte ihm nicht,
Und gahnenden Mundes, schier schlaftrunken noch
Entbot ich den Grub:
“Was ist, Sebastian, hauts gut?”