Українська та зарубіжна поезія

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Vernunft und Wahnsinn

Dem Morgen traumt nicht, was der Abend bringt,

Wenn lachelnd wohl aus rosenrotem Osten

Sein erster Strahl durch Wald und Fluren dringt,

Des Taues frische Perlensaat zu kosten,

Wenn ihr Erwachen hell die Amsel preist

Und Hirsche wandeln zu des Tales Bronnen,

Wenn um die Gletscher still der Adler kreist,

Sich in der Fruhe heil’gem Licht zu sonnen.

Blau schaut die Blume aus des Feldes Garben,

Auf Moor und Weiher schwankt des Schilfes Kranz.

Es fliebt der Strom in Regenbogenfarben

Zum Meere, wiegend seiner Wellen Tanz.

Und rauschend im gewalt’gen Wogenliede

Dehnt unabsehbar sich die grune Flut –

Und Freude nur und wundervoller Friede

Auf Festland, Insel und Gewassern ruht.

Doch wie zum Mittag wandelt sich der Morgen,

Hullt sich in Schleier auch des Tages Pracht.

Was einer fruhen Stunde tief verborgen,

Es bricht herein mit Angst und Graus und Nacht.

Der Himmel tont von rasselnden Gewittern,

Die Erde zuckt und birst zu jahem Spalt,

Und heulend uber Fels und Eichensplittern

Der Sturm entfesselt seine Bahnen wallt.

Es rast die Brandung an zerfetzten Kusten,

Und Dunkel herrscht, bis aus entwolkten Hohn,

Als ob sie nichts von Sturm und Wetter wubten,

Die Sterne ruhig strahlend niedersehn.

Und die vom Staub bis auf zum Firmamente

Gewalzt sich mit damonischer Gewalt:

Sie schlummern dann, die starken Elemente,

Bis sie ein neuer Kampf zusammenballt.

So ewiglich, mit wechselndem Gestalten,

Sklavischen Laufes rollt und kreist das All!

Nicht schoner mag sich die Natur entfalten,

Noch wenden sich als zu gewohntem Fall.

Die Welt und Welten aneinander bannte

Mit unerbittlicher Notwendigkeit:

Nur in den Geistern ihrer Menschen brannte

Sie fort zu schrankenloser Herrlichkeit!

Seit von der Lippe greiser Patriarchen

Der Weisheit blumenreiche Rede flob,

Bis wo die Schadel sturzender Monarchen

Zerstampft der Freiheit jugendliches Rob:

Hat die Natur mit ihrer Donnerstimme

Gesungen stets den mahnenden Gesang,

Dab jeder folge seinem Gram und Grimme

Wie seines Herzens liebevollem Drang.

Die gleich der Mowe keck die See umschwanken,

Die gleich der Schwalbe ihre Heimat baun,

Die gleich der Wolke blitzen den Gedanken

Und gleich dem Falken forschend niederschaun;

Die sich mit Palmen uber Hugeln wiegen,

Mit Rosen traumen auf bemooster Flur,

Die gleich dem Tiger ziehn von Krieg zu Kriegen –

Sie sollten folgen ihrem Innern nur!

In gleicher Schonheit flammten durch die Zeiten

Des Raumes Wunder; nur zu hoherm Flug

Mocht seines Geistes ries’ge Schwingen breiten

Der Mensch, der alle Kraft im Busen trug,

Der, ob er knechtisch sich im Staube wuhlte

Und zitternd sich vor Thron und Altarwand –

Doch wieder keck mit seinen Gottern spielte

Und freier nur und herrlicher erstand!

Der eignen Brust ist Freud und Leid entsprungen;

Vernunft und Wahnsinn! Schon jahrtausendlang

Hat dieses furchterliche Paar gerungen,

Den Kampf gewalzt vom Auf – zum Niedergang.

Es weht der Staub zermalmter Nationen

In dustern Massen auf von ihrem Pfad;

Und ob sie ruhig beieinander wohnen –

Sie rasten nur zu neuer, grobrer Tat!

In Ost und West ein reges Volkerleben,

Vom Meere schallt’s bis zu der Wuste Saum.

Das ist ein Ringen, Schaffen nur und Streben

Auf Feldern, Gassen und der Markte Raum.

Und kommt der Morgen sacht herangeschritten:

Da scheint’s, nur Segen schmucke rings das Land,

Als schaue Liebe sub aus hundert Hutten,

Als herrsche rings nur ordnender Verstand. –

Wohl mag die Blume auben uppig winken,

In ihrem Herzen wohnt nur Angst und Qual!

Wie einst mub heute noch der Weise trinken

Des Wahnsinns giftdurchfluteten Pokal.

Mit Blute leimen sie ihr Werk zusammen,

Die satt durchtaumeln Tempel und Palast;

Die Armut rochelt Wimmern und Verdammen,

Und wild die Lust aus goldnen Schusseln prabt!

Doch wie der Wahnsinn, folgend seinem Rechte,

Sinnlos mag rasen – so durch alle Welt

Hat die Vernunft ihr Recht, dab sie die Nachte

Des Wahnsinns funkenstiebend auch erhellt,

Dab, eine Lowin, sie die Glieder schuttelt

Und wieder naht in drohender Gestalt,

Dab sie den Wahnsinn aus den Fugen ruttelt

Und uber Trummer fort zum Siege wallt!

Vernichtet wird der Wahn zu Boden rollen,

Der mit Gewalt und schmeichelndem Geschwatz

Gebeut, dab Alle Einem folgen sollen,

Der Schranken schafft und Regeln und Gesetz,

Der seine Liebe macht zu Aller Liebe

Und seinen Hab zum Hasse Aller nur,

Der sie vergleicht, die menschlich freien Triebe,

Der Elemente sklavischen Natur! –

Der Erde goldner Morgen ist verronnen,

Anbrach der wilde, wetterschwangre Tag.

Es hat den langen, herben Streit begonnen,

Was schlummernd einst in tiefster Seele lag.

Fort mag er sich durch alle Zeiten turmen –

Es kennt der Mensch kein Ruhn und Stillestehn.

Nur aus des Wahnsinns furchterlichsten Sturmen

Wird die Vernunft zu schonerm Siege gehn!

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Vernunft und Wahnsinn - GEORG WEERTH