Prolog
Der Winter stand ein eiserner Tyrann,
Nie losend seine Faust, die festgeballte,
Die eisig sich um Berg’ und Taler krallte;
Ihr Leben lag erstarrt in seinem Bann.
Als frostbedeckt die Berg’ und Tale ruhten,
Gesellig drangte doch das Menschenleben
In Lust und Spiel zusammen seine Gluten,
Lieb Freudenfeste uberm Tode schweben.
Zum Tanz berauschend sangen helle Geigen,
Die schone Jugend drehte sich im Reigen,
Nicht denkend an ein Scheiden und Vergehen,
Sorglos, wie sich die Stern am Himmel drehen.
Und ubers blanke Feld des Eises glitten
Mit Geibelknall und Schellenklang die Schlitten.
So war es jungst noch im Magyarenlande,
Am segenuberhauften Donaustrande.
Wer hatte wohl in so begluckten Stunden
Den Donnerschlag des Unglucks vorempfunden?
Wer horte damals in den Schlittenschellen
Prophetisch grause Totenglocklein gellen?
Kein Tanzer ahnte dort beim Taumelfeste
Im Wassersturme tanzende Palaste.
Die Jubeltage waren bald verflogen,
Die Freude senkte die erregten Wogen,
Die Zeit des holden Fruhlings war gekommen,
Die alle Herzen spuren sub beklommen,
Die Zeit, wo aus dem Eis die Knospen springen
Und hell vom Liebesfest die Walder klingen.
O Fruhling, alle Herzen harrten dein,
Auf deine Lieder, deinen Sonnenschein;
Wie schrecklich aber tauschtest du ihr Hoffen,
Mit welchen Liedern hast du sie getroffen!
Sturmlauten, Jammerruf und Hulfeschreien,
Und Flutendonner, schlagend an die Wande,
Sind diesmal, Fruhling, deine Melodeien;
Und deine Blumen sind gerungne Hande,
Und rings verzweiflungsblasse Angesichter;
Diesmal bist du gekommen als Vernichter!
Danubius, der starke Riese, hat
Schon langst gebuhlt um diese schone Stadt;
Der Riese hat an hellen Sommertagen
Auf seiner breiten Brust ihr Bild getragen,
Er trug ihr Bild gefabt in Strahlenflimmer;
Wie hat es doch so bang gezittert immer!
Zu Winter hielt er einen festen Schlaf,
Bis weckend ihn der Hauch des Fruhlings traf.
Urplotzlich ward vom Schlaf Danubius munter,
Er springt nach seiner Braut mit offnen Armen,
Sie jammert auf, er fabt sie ohn Erbarmen
Und reibt sie jauchzend in sein Bett hinunter.
Er brachte ihr, als reiche Morgengabe,
Die wusten Trummer mit von manchem Grabe:
Waldstamme, Dacher und zerribne Muhlen
Lieb er heran zu ihren Fuben spulen,
Und Leichen rollt er, frische, langstversenkte,
Die nun die Flut aus ihren Gruften drangte.
Die Welle, die vordem so mild und zahm
Als treue Magd ins Haus des Menschen kam,
Die noch im Herbst als Mullerin geschaltet,
Hat jetzt sich zur Hyane umgestaltet,
Sie wuhlt hervor, was alte Graber bergen,
Und treibt heran die Wiegen mit den Sargen.
Durch alle Schranken sturzen sich die Fluten,
Sie steigen immer hoher an die Wande,
Und unaufhaltsam sieht der Mensch sein Ende,
Wie seine Jahre schrumpfen zu Minuten.
Dort auf die Dacher klettern die Bedrohten:
So sammeln sich die Schwalben auf den Dachern,
Enteilend ihren gastlichen Gemachern,
Wenn ubers Meer der Suden sie entboten.
Es werden diese angstgetriebnen Seelen,
Den Schwalben gleich, des Weges nicht verfehlen,
Sie fluchten in die Heimat ubers Meer,
Von wannen aber keine Wiederkehr.
Ein Schrei, ein Krach – und alles ist verschwunden –
Nun todesstill – nie wird die Spur gefunden.
Im Element verschwunden ohne Spur
Ist hier der Menschen Werk und all ihr Gluck,
Als traumte wieder einmal die Natur
In ihre wilde Jugend sich zuruck.
Fort ist die Stadt, die bluhend sich geregt,
Als hatte durres Laub der Sturm verfegt;
Die alten Steppen werden aufgefrischt,
Wo eines edlen Volkes Freude stand,
Als eine leere Tafel blieb das Land,
Des Volkes Rechnung ist hinweggewischt.
Und weinend wandeln auf der wusten Heide,
Dem stillen Grab von so viel Gluck und Leide,
Das Elend und der Kummer, eng verschlungen,
Und spat verblutende Erinnerungen.
Hier lernt das Herz ertraumten Schmerz vergessen,
Hat ihm ein Hauch des Schicksals weh getan;
Wir lernen unsern kummervollen Wahn
An dem furchtbar gediegnen Ungluck messen.
O haltet euer Herz an die gekettet,
Die aus dem Sturm als Bettler sich gerettet!
O gebt mit sanftem Wort und weichen Handen
Dem Kummer Trost, dem Elend eure Spenden!
Das ist ein boser Fruhling fur die Armen,
Und unersetzlich ist, was er genommen;
Doch eure Liebe wird dem Ungluck frommen,
Denn Balsam jeder Wunde ist Erbarmen.
Die milden Gaben, eure Liebesboten,
Sie heilen nicht die unheilbaren Schaden,
Und nicht erwecken konnen sie die Toten;
Doch konnen sie den groben Schmerz bereden,
Dab er sich allgemach zur Wehmut mildre,
Und dab er zur Verzweiflung nicht verwildre.
Die Armen schauen mit verweinten Blicken,
Geruhrt, auf ihrem Schutt des Mitleids Blute;
Der Herzenshauch von euch wird sie erquicken;
Der schonste Fruhling ist die Herzensgute!