Abwehr
Wir glauben! Lachle nicht; es ist uns Ernst!
Du kennst den Glauben nicht, und ich kann dir nicht zeigen,
dab wir mit ihm hinauf in alle Himmel reichen,
von denen du dich mehr und mehr entfernst.
Es ist so leicht, den Himmel Himmel sein zu lassen;
es ist so schwer, vom Himmel aus die Erde zu erfassen;
das ist der Grund, dab du nicht glauben lernst.
Wir glauben! Wubtest du doch, was das heibt!
Denk dir es nicht als ein personliches Empfinden;
denk dir’s als Meer, in dem wir Nahrung finden,
denk aber nicht, dab du es dann schon weibt.
Der Glaube bildet eine Welt, in der wir leben,
und dieser Welt allein ist Seligkeit gegeben;
er ist der Raum, in dem die Hoffnung kreist.
Wir glauben! Grobes ist damit gesagt!
Das, was ihr wibt, verdankt ihr nur den aubern Sinnen,
doch gibt’s nicht blob ein Auben, sondern auch ein Innen,
dem eine Sonne um die andre tagt.
Und offnet dieses Innen mutig seine Augen;
so durfen sie den Blick in Herrlichkeiten tauchen,
an welche eure Brille nie sich wagt.
Wir glauben! Dessen schamen wir uns nicht!
Es ist der Mensch verpflichtet, diesem Erdenleben
fur sich und seine Bruder, was ihm fehlt, zu geben:
Dem Herzen Liebe, dem Verstande Licht.
Wir fragen nicht: Wird diese Gabe angenommen?
Wir wissen nur: Es ist die Zeit dazu gekommen,
und darum sind wir voller Zuversicht.
Wir glauben! Aber wer sind diese “Wir”?
Gib dir nicht Muhe, unsre Ziffer zu bestimmen.
Wollt’st du uns sehn, so mubtest Berge du erklimmen,
und diese Berge stehen nicht nur hier.
Doch, wo nach Licht, nach Liebe sich ein Sehnen findet,
da offenbart sich dir das Band, das uns verbindet;
wir fuhren “Licht und Liebe” im Panier.
Wir glauben! Das ist hochste Tatigkeit!
Du meinst, der Glaube sei uns nur ein Ruhekissen,
auf dem wir unsre Psyche wohl zu pflegen wissen;
ich gebe dir ganz anderen Bescheid:
Wir baun im Stillen, rastlos, uns und euch zum Glucke,
von Tag zu Tage neue Pfeiler, eine Brucke
hoch ubers Grab hinweg zur Ewigkeit.
Wir glauben! Welche Wonne, welche Lust!
Wie freun wir uns darauf, den Vorhang zu entfernen;
wie wirst du da des Glaubens Walten kennen lernen,
die Brucke sehn, von der du nichts gewubt!
Du wirst dann schaun wie wir, nimmst Teil an unsern Gaben,
doch ohne so wie wir, vorher geglaubt zu haben,
fur dich ein unersetzlicher Verlust!
Wir glauben! Erstes, doch nicht letztes Wort!
Dies erste Wort, ich hab es heut zu dir gesprochen,
das zweite hat schon langst die Graber aufgebrochen,
doch leider warf der Unverstand es fort.
Das letzte hat sich unser Vater vorbehalten,
und liebest du nur ihn und seine Gnade walten,
so hortest du’s schon hier und nicht erst dort.