Українська та зарубіжна поезія

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Kinderschuhe aus Lublin

Von all den Zeugen, die geladen,
vergess ich auch die Zeugen nicht.
Als sie in Reihn den Saal betraten,
erhob sich schweigend das Gericht.

Wir blickten auf die Kleinen nieder,
ein Zug zog paarweis durch den Saal.
Es war, als tonten Kinderlieder,
ganz leise, fern, wie ein Choral.

Es war ein langer bunter Reigen,
der durch den ganzen Saal sich schlang.
Und immer tiefer ward das Schweigen
bei diesem Gang und Kindersang.

Voran die Kleinsten von den Kleinen,
sie lernten jetzt erst richtig gehn
– auch Schuhchen konnen lachen, weinen -,
ward je ein solcher Zug gesehn?

Es tritt ein winzig Paar zur Seite,
um sich ein wenig auszuruhn,
und weiter zieht es in die Weite –
es war ein Zug von Kinderschuhn.

Man sieht, wie sie den Fubchen passten –
sie haben niemals weh getan,
und Handchen spielten mit den Quasten,
das Kind zog gern die Schuhchen an.

Ein Paar aus Samt, ein Paar aus Seiden,
und eines war bestickt sogar
mit Blumen, wie sie ziehn, die beiden,
sind sie ein schmuckes Hochzeitspaar.

Mit Bandchen, Schnallen und mit Spangen,
zwerghafte Wesen, federleicht –
und viel sind viel zu lang gegangen
und sind vom Regen durchgeweicht.

Man sieht die Mutter, auf den Armen
das Kind, vor einem Laden stehn:
“Die Schuhchen, die, die weichen, warmen,
ach Mutter, sind die Schuhchen schon!”

“Wie soll ich nur die Schuhchen zahlen.
Wo nehm das Geld ich dafur her….”
Es naht ein Paar von Holzsandalen,
es ist schon mud und schleppt sich schwer.

Es muss ein Strumpfchen mit sich schleifen,
das wund gescheuert ist am Knie….
Was soll der Zug? Wer kann ‘s begreifen?
Und diese ferne Melodie….

Auch Schuhchen konnen weinen, lachen….
Da fahrt in einem leeren Schuh
ein Puppchen wie in einem Nachen
und winkt uns wie im Marchen zu.

Hier geht ein Paar von einem Jungen,
das hat sich schon als Schuh gefuhlt,
das ist gelaufen und gesprungen
und hat auch wohl schon Ball gespielt.

Ein Stiefelchen hat sich verloren
und findet den Gefahrten nicht,
vielleicht ist der am Weg erfroren –
ach, damals fiel der Schnee so dicht….

Zum Schluss ein Paar, ganz abgetragen,
das macht noch immer mit, wozu?
Als hatte es noch was zu sagen,
ein Paar zerrissener Kinderschuh.

Ihr heimatlosen, kinderlosen,
wer schickte euch? Wer zog euch aus?
Wo sind die Fubchen all, die bloben?
Liebt ihr sie ohne Schuh zu Haus?

Der Richter kann die Frage deuten.
Er nennt der toten Kinder Zahl.
….ein Kinderchor. Ein Totenlauten.
Die Zeugen gehen durch den Saal.

Die Deutschen waren schon vertrieben,
da fand man diesen schlimmen Fund.
Wo sind die Kinder nur geblieben?
Die Schuhe tun die Wahrheit kund:

Es war ein harter dunkler Wagen.
Wir fuhren mit der Eisenbahn.
Und wie wir in dem Dunkel lagen,
so kamen wir im Dunkel an.

Es kamen aus den Landern allen
viel Schuhchen an in einem fort,
und manche stolpern schon und fallen,
bevor sie treffen ein am Ort.

Die Mutter sagte: “Wie viel Wochen
wir hatten schon nichts Warmes mehr?
Nun werd ich uns ein Suppchen kochen.”
Ein Mann mit Hund ging nebenher:

“Es wird sich schon ein Platzchen finden”,
so lachte er, “und warm ist’s auch,
hier braucht sich keiner abzuschinden….”
bis in den Himmel kroch ein Rauch.

“Es wird euch nicht an Warme fehlen,
wir heizen immer tuchtig ein.
Ich kann Lublin nur warm empfehlen,
bei uns herrscht ewiger Sonnenschein.”

Und es war eine deutsche Tante,
die uns im Lager von Lublin
empfing und “Engelspuppchen” nannte,
um uns die Schuhchen auszuziehn,

und als wir fingen an zu weinen,
da sprach die Tante: “Sollt mal sehn,
gleich wird die Sonne prachtig scheinen,
und drum durft ihr jetzt barfuss gehn….

Stellt euch mal auf und lasst euch zahlen,
so, seid ihr auch hubsch unbeschuht?
Es wird euch nicht an Warme fehlen,
dafur sorgt unsere Sonnenglut….

Was, weint ihr noch? ‘s ist eine Schande!
Was tut euch denn, ihr Puppchen, weh?
Ich bin die deutsche Marchentante!
Die gute deutsche Puppenfee.

‘s ist Zeit, ihr Puppchen, angetreten!
Was fallt euch ein denn, hinzuknien.
Auf, lasst uns singen und nicht beten!
Es scheint die Sonne in Lublin!”

Es sang ein Lied die deutsche Tante.
Strafft sich den Rock und geht voraus,
und dort, wo heib die Sonne brannte,
zahlt sie uns nochmals vor dem Haus.

Zu hundert, nackt in einer Zelle,
ein letzter Kinderschrei erstickt….
Dann wurden von der Sammelstelle
die Schuhchen in das Reich geschickt.

Es schien sich das Geschaft zu lohnen,
das Todeslager von Lublin.
Gefangenenzuge, Prozessionen.
Und – eine deutsche Sonne schien….

Wenn Tote einst als Racher schreiten
und uber Deutschland hallt ihr Schritt
und weithin sich die Schatten breiten –
dann ziehen auch die Schuhchen mit.

Ein Zug von aber tausend Zwergen,
so ziehen sie dahin in Reihn,
und wo die Schergen sich verbergen,
dort treten sie unheimlich ein.

Sie schleichen sich herauf in Stiegen,
sie treten in die Zimmer leis.
Die Henker wie gefesselt liegen
und zittern vor dem Schuldbeweis.

Es wird die Sonne brennend scheinen.
Die Wahrheit tut sich allen kund.
Es ist ein grobes Kinderweinen,
ein Grabgesang aus Kindermund….

Der Kindermord ist klar erwiesen.
Die Zeugen all bekunden ihn.
Und nie vergess ich unter diesen
die Kinderschuhe aus Lublin.

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Kinderschuhe aus Lublin - JOHANNES R. BECHER