An Jungfer Ludovica Adelgunda Victoria
Victoria! du hast gesieget,
Ich bin dein Knecht, Victoria!
Den seine Dienstbarkeit vergnuget,
So bald er deine Schonheit sah.
So lab mich denn die Fessel kussen,
Die deine Macht mir angelegt;
Und wenn dein Stral mich niederschlagt,
Nicht meiner Schwachheit Fehler buben;
Die leichter Feinde, Schwert und Mann,
Als deinen Angriff, hemmen kann.
Des edlen Geistes Fruhlingsfruchte,
Die Werke deiner klugen Hand,
Sind durch das preisende Geruchte
Mir schon seit langer Zeit bekannt.
Dort, wo in Meibens fetten Auen
Die schlanke Pleibe rauschend fliebt;
Dort, wo der Musenhugel ist,
Darauf ganz Deutschland pflegt zu schauen;
Da hat es mir zuerst gegluckt,
Dab ich ein Lied von dir erblickt.
Im weit entlegnen Sachsenlande
Ertonte deiner Seyten Klang;
Von dem entfernten Weichselstrande,
Entzuckte mich dein Lustgesang.
Die Nymphen jener Philurenen,
Sammt jeder muntern Huldgottinn,
Entsetzten sich in ihrem Sinn
Vor solchen Proben einer Schonen;
Und zweifelten wohl gar dabey:
Ob Famens Nachricht glaublich sey?
Ich selber sprach in meinem Herzen:
Wer weis, ob mich der Ruf nicht trugt?
Vieleicht will jener Freund nur scherzen,
Indem er merkt, dab michs vergnugt.
Ich wagte mich, an dich zu schreiben,
Da sah ich bald ein neues Blatt,
Und an des alten Zweifels statt,
Nichts, als Erstaunung, ubrig bleiben:
Weil jede Zeile deiner Schrift
Fast Wunsch und Hoffnung ubertrifft.
Erwunschtes Schicksal! sey gepriesen,
Dab deiner Fuhrung Wunderzug
Mir That und Wahrheit selbst gewiesen,
Als mich dein Wink nach Danzig trug.
Der edlen Kulmus Seelengaben
Erhoht der frischen Jugend Pracht,
In welcher so viel Anmuth lacht,
Als hundert andre Schonen haben,
Die doch, denn ihr Verstand ist blind!
Nur todte Marmorbilder sind.
O waren meine Lobgesange
Der Schonheit deiner Bildung gleich,
Und so, wie deiner Glieder Lange,
An reizerfulltem Wesen reich!
Ach, unvergleichliche Louise!
So wurde bald ein Blatt erfullt,
Darauf ich dein entzuckend Bild
In lebhaftschonen Farben wiese.
Allein du bist ganz ungemein;
Wie kann mein Lied dir ahnlich seyn?
Was sag ich von der klugen Zungen,
Die durch der Sprachen Zierlichkeit,
Der Franzen zartes Ohr bezwungen,
Sammt unsrer deutschen Lusternheit?
Auf deinem holden Rosenmunde
Ist aller Charitinnen Sitz;
Und deiner heitern Augen Blitz
Steht mit Minerven selbst im Bunde;
Weil jeder Stral, der von dir schiebt,
Ein Herold deines Geistes ist.
Ihr sanften Hande, labt mich wissen,
Ob euch Mercur so schnell gemacht;
Der an den schwarzen Hollenflussen
Die Schatten auber sich gebracht?
Schlagt Orpheus selbst durch euch die Seyten,
Der auch den Cerber eingewiegt,
Und Plutons harten Sinn besiegt,
Die todte Gattinn zu erbeuten?
Nein! Phobus und sein Chor zugleich
Begeistert, ruhrt und treibet euch.
Zu zaubern scheint ihr, nicht zu spielen,
Sobald man eure Laute spurt:
Ja Mark und Adern konnens fuhlen,
Wenn ihr den Flugel kaum beruhrt.
O Reichthum neuer Fantasien!
Wie schnell, wie fertig, voll und schon
Hort man die bunten Fugen gehn?
Wie wenig dorft ihr euch bemuhen?
Weil, wie man deutlich hort und sieht,
Was hohers Nerv und Finger zieht.
O sollt ich sie doch alle kussen!
O sollt ich es doch zehnmal thun!
So konnte mein gestillt Gewissen,
Als nach erfullter Dankpflicht, ruhn.
O konnt ich taglich sehn und horen,
Wie schon, geschickt und klug du bist!
Und, weil ein Odem in mir ist,
Dein ungemeines Wesen ehren:
So gabe mir mein zeitlich Gluck
Den allerschonsten Gnadenblick!
Ach dorft ich solches auch nur hoffen!
Doch wie vergeht sich Hand und Kiel?
Was hat sie fur ein Fall betroffen?
Verstumme, mattes Seytenspiel!
Die Vorsicht deckt mit dunkeln Tuchern
Die Spuren ihrer Fugung zu;
Und will, man soll in stiller Ruh
Sich ihrer steten Huld versichern.
Wohlan, ich bin damit vergnugt:
Sie hat es stets sehr wohl gefugt.
Voritzo reibt mich mein Geschicke
Mit Macht aus dieser Weichselstadt;
Dahin es mich, durch sube Blicke,
Gelockt, doch nicht bestimmet hat.
Ach! soll ich dich denn nicht mehr sprechen?
O hartes Wort! o schwerer Satz!
Die Feder macht den Thranen Platz,
Und will das Reimen unterbrechen.
O hatt ich dich doch nie gesehn!
So dorfte nicht der Rib geschehn.
Ach! troste mich bey solchem Schmerze,
Ach troste mich, geliebtes Kind!
Und schaffe, dab mein mattes Herze
Durch deinen Zuspruch Kraft gewinnt.
Die Krone der gelehrten Damen.
Die voller Geist und Klugheit ist,
Und der du vollig ahnlich bist,
Verdient den Philosophennamen;
Und konnte mir in dieser Pein
Durch weise Lehren nutzbar seyn.
Vergib nur, englische Louise!
Vergib nur deines Dieners nicht,
Der dich sehr gern nach Wurden priese,
Doch itzt vor Gram sein Rohr zerbricht.
Entschuldige mein freyes Schreiben,
Und wenn ich gleich entfernet bin:
So glaube doch, dab Herz und Sinn
Dir ewiglich ergeben bleiben;
Und meiner fest beschlobnen Treu
Die Trennung selbst nicht schadlich sey.