Leben
Die Sonne sinkt den lebenleeren Tagen
Und sinkt der Stadt vergoldend und gewaltig,
So wie sie sank der Zeit, die viel zu sagen
Und viel zu schenken hatte, vielgestaltig.
Und Schatten scheint die goldne Luft zu tragen
Versunkener Tage, blab und zartgestaltig,
Und alle Stunden, die vorubergleiten,
Verhullt ein Hauch verklarter Moglichkeiten.
Ein Morgen war in blassen weiten Garten,
Von kuhlem Duft und Einsamkeit durchzogen,
Die Sonne steigt, es finden sich Gefahrten,
Aus Lauben tretend, aus lebendigen Bogen,
Und die Gedanken, die sich funkelnd mehrten
Und aus der Einsamkeit die Schonheit sogen,
Ergieben sich in losgebundenen Scharen
Mit offenen Lippen, Efeu in den Haaren.
Und alle Dinge werden uns lebendig:
Im Winde weht der Atem der Manaden,
Aus dunklen Teichen winkt es silberhandig,
Und die vertraumten flustern, die Dryaden,
In leisen Schauern sehnend und bestandig
Von nachtigen geheimnisvollen Gnaden
Mit gelbem warmem Mond und stillem Prangen
Und vieler Schonheit, die vorbeigegangen.
Doch aus dem Garten sind wir schon getreten:
Auf goldenen Fluten harren die Galeeren
Mit Flotenklang und Segeln, weibgeblahten…
Und weiter Treppen konigliche Ehren
Mit Purpurprunk und silbernen Trompeten…
Und von beruhmten griechischen Hetaren,
In goldenes Braun und Pfirsichrot gehullt,
Ist der Balkone Gitterwerk erfullt.
Es gleitet flink durch dunkelblaue Wogen
Das goldene Schiff der Insel nun entgegen,
Der Flotenschall ist singend vorgeflogen,
Und auf den blumen-uberquollnen Wegen
Aus des Theaters schwarzem Marmorbogen
Sieht man den Chor sich feierlich bewegen,
Um Bacchus und die Musen anzurufen,
Die aus dem Rausche die Tragodie schufen.
Im Fackelschein, wo alle Schatten schwanken,
Ist die Tragodie koniglich beendet,
Mit schweren reifen purpurnen Gedanken
Sind wir zur Heimfahrt durch die Nacht gewendet.
Und wie die Formen all in Dunkel sanken,
So hat auch alles Irdische geendet,
Und wie der Schlaf im leisen Takt der Wogen –
Willkommen kame jetzt der Tod gezogen.