Das bos weib mit dem wolf
Gedicht von Hans Sachs
In frau Eren ton des Erenboten.
14. mai 1546.
1.
Es hieb ein burger Thalamo,
der het ein zornig weibe,
zenkisch und boshaftig, also
vor irem gron und murren
der gute man kein guten tag nie het.
Das war dem guten man gar schwer,
wie sie peinigt sein leibe,
so kunt doch das nit wenden er.
ir uppiklich anschnurren
er mit gedult ganz uberwinden tet.
Eins nachts traumt im, wie sein frau in dem walde
ein grober wolf erhaschet het mit gwalde
bei irem hals und wolt sie auch hintragen,
die schrei um hilf, das es erkracht,
in dem der gut man auferwacht
und tet den traum seim bosen weib ansagen.
2.
Und sprach: “ge heut nit in den walt,
das rat ich dir in treuen!”
sie aber schrier hinwider balt
“potz leichnam, der prophete
die ding in seinem bruch erlesen het!”
Er sprach: “in treuen warn ich dich,
es mocht dich sunst gereuen.”
sie sprach: “wie sorgst so hart um mich?
zu herzen mirs nit gete.”
balt nun der man fur sich gieng in die stat,
Sprach sie: “ich merk, das mein man in dem holze
heut hat gezilet einer bubin stolze,
nun wil ich gen im walde mich verstecken,
was mein man fur kaufmanschaft treib.”
darmit gieng das boshaftig weib
und kruch im walde in ein dorenhecken.
3.
Als sie da lag verborgen lang,
aus einer dicken stauden
ein grober wolf her auf sie sprang,
ergriff sie bei der kelen,
trug sie dahin, das sie nit schreien kunt;
Das sahen die hirten darbei,
die loffen zu mit schnauden,
machten im holz ein grob geschrei,
teten des wolfs nit felen,
schlugen und stachen in totlichen wunt.
Die frau wart von den hirten heimgetragen,
tet ir bosheit halb selber in sich schlagen,
war irem man nicht mer so widerwertig.
o, das der selb wolf wider kem,
die weiber bos beim kragen nem,
das sie auch wurden frum, geschlacht und ertig.