Liebeszauber
Schwul wird diese Nacht. Am Himmelsbogen
Ziehn die Wolken dichter sich zusammen,
Breit beglanzt von Wetterleuchtens Flammen
Und von roten Blitzen scharf durchzogen.
Alles Leben ist in sich verschlossen,
Kaum nur, dab ich muhsam Atem hole;
Selbst im Beete dort die Nachtviole
Hat den suben Duft noch nicht ergossen.
Jedes Auge war’ schon zugefallen,
Doch die Herzen sind voll Angst und zittern
Vor den zwei sich kreuzenden Gewittern,
Deren Donnergrube bald erschallen.
Jene Alte schleppt sich zur Kapelle,
Doch sie wird den Heil’gen nicht erblicken,
Eh’ die Wolken ihre Blitze schicken,
Betend kauert sie sich auf der Schwelle.
Ist das nicht des Liebchens taube Muhme?
Ja! So will ich hier nicht langer weilen,
Will zu ihr, zu ihrem Fenster eilen,
Und dort lauschen, statt am Heiligtume.
Weib ich’s denn? Kann nicht ein Blitz da zunden?
Kann ich, wenn ich aus der Glut sie rette,
Nicht – o dab er schon gezundet hatte! –
Ihr mein sub Geheimnis endlich kunden?
Sieh, da bin ich schon! Beim Lampenlichte
Sitzt sie, in die weibe Hand das Kopfchen
Stutzend, mit noch aufgeflochtnen Zopfchen,
Stillen Schmerz im blassen Angesichte.
Horch, der erste Donnerschlag! Es krachen
Tur und Tor! Sie scheint es nicht zu horen!
Wessen denkt sie? Wubt’ ich’s, wurd’ ich schworen:
Heut noch will ich den Garaus ihm machen.
Sie erhebt sich. Willst du dich entkleiden?
Gute Nacht! Warum? Zur rechten Stunde
Loscht sie selbst das Licht, und gibt dir Kunde:
Mehr ist nicht erlaubt! Dann magst du scheiden!
Was? Sie knupft ein Tuch um ihre Locken?
Hullt sich in der Muhme alten Mantel?
Ist sie – Oder stach mich die Tarantel?
Wird sie – Die Besinnung will mir stocken!
Ja, schon knarrt die Tur. Da kommt sie. Nimmer
Wurd’ ich selbst sie, so vermummt, erkennen,
Hatt’ ich nicht – – Die Lampe labt man brennen,
Dab es scheint, man sei im frommen Zimmer.
Rasch an mir vorbei! Sie ist, wie alle!
Folg ich ihr? Ja freilich! Um zu schauen,
Ob man ihr mit braunen oder blauen
Augen – schwarze hab ich selbst – gefalle.
Waldhorn-Klange aus dem Jagerhauschen!
Beim Gewitter? Oh, das ist ein Zeichen!
So ist das der Jungling sondergleichen?
Wohl! Doch nachstens pflucken wir ein Straubchen.
Und weshalb? Hat sie dir was versprochen?
Nein! Und dennoch mub ich sie verklagen,
Dab sie, ja, so darf, so darf ich sagen,
Einen stillen Bund mit mir gebrochen.
Weiter! Weiter? So vergib, Geliebte!
Doch wohin? Hier zieht der Wald sich duster,
Und dort wohnt die Alte an der Ruster,
Die in mancher dunklen Kunst Geubte.
Gilt es der? Halt ein! Dein Herz mub klopfen!
Rastlos donnert’s ja, zur Feuergarbe
Schwillt der Blitz, blutrot wird seine Farbe,
Und noch immer fallt kein milder Tropfen.
Fort! Und fort! Und unter falschen Baumen,
Die der Blitz – – Ihr naher! dab sie keiner
Treffen kann, der mich verschont, nicht einer!
Schritt auf Schritt ihr nach! Wer wurde saumen!
Ist sie nun am Ziel? Da ist die Hutte!
Ja, sie pocht. Man offnet ihr. Ich spahe
Durch den Ritz. Wer weib, was ihr geschahe,
Wenn ich nicht – – Ein Kreis! Sie in der Mitte!
Wie sie da steht, fast zum Schnee erbleichend,
Und die Alte, in der Ecke kauernd,
Dreht ein Bild aus Wachs. Sie sieht es schauernd.
Jetzt spricht die zu ihr, das Bild ihr reichend:
Zieh dir nun die Nadel aus den Haaren,
Rufe den Geliebten, laut und deutlich,
Und durchstich dies Bild, dann wirst du brautlich
Ihn umfangen und ihn dir bewahren.
Schweigt, ihr Donner! Prable noch nicht, Regen,
Dab ich noch den einen Laut vernehme,
Ob er auch des Herzens Schlag mir lahme
Und der Pulse feuriges Bewegen!
Wie sie zogert! Wie sie mit Erroten
In die Locken greift und eine Nadel
Auszieht auf der Alten stummen Tadel
Und noch saumt, als galte es, zu toten!
Endlich zuckt sie die, und – meine Sinne
Reiben! – ruft – hinein! Zu ihren Fuben! _-
Ruft mich selbst mit Worten, stammelnd-suben,
Als den einen, den sie heimlich minne! – –
Und dem Zagen kommt der Mut, behende
Weicht die Tur. Wer durfte sich erfrechen,
Ruft die Alte, und den Zauber brechen? –
Ohne Furcht! Hier kommt nur, der ihn ende!
Sie entweicht mit holden Schamgebarden;
Da umschliebt er sie, und Glut und Sehnen
Lost bei beiden sich in linden Tranen,
Die der Mensch nur einmal weint auf Erden.
Und so stehn sie, wechseln keine Kusse,
Still gesattigt und in sich versunken,
Schon berauscht, bevor sie noch getrunken,
In der Ahnung dammernder Genusse.
Und auch drauben lost sich jetzt die Schwule,
Die zerribnen Wolken, regenschwanger,
Schutten ihn herab auf Hain und Anger,
Und hinein zur Hutte dringt die Kuhle.
Als nun auch der Regen ausgewutet,
Wallen sie, die Alte gern verlassend,
Kinderfromm sich an den Handen fassend,
Wieder heim, von Engeln still behutet.
Als sie aber scheiden will, da ziehen
Gluhendheib die Nachtviolendufte
An ihm hin im sanften Spiel der Lufte,
Und nun kubt er sie noch im Entfliehen.