Kurt Schmidt, statt einer Ballade
Der Mann, von dem im weiteren Verlauf
die Rede ist, hieb Schmidt (Kurt Schm., komplett).
Er stand, nur sonntags nicht, fruh 6 Uhr auf
und ging allabendlich Punkt 8 zu Bett.
10 Stunden lag er stumm und ohne Blick.
4 Stunden brauchte er fur Fahrt und Essen.
9 Stunden stand er in der Glasfabrik.
1 Stundchen blieb fur hohere Interessen.
Nur sonn – und feiertags schlief er sich satt.
Danach rasierte er sich, bis es brannte.
Dann tanzte er. In Salen vor der Stadt.
Und fremde Frauleins wurden rasch Bekannte.
Am Montag fing die nachste Strophe an.
Und war doch immerzu dasselbe Lied!
Ein Jahr starb ab. Ein andres Jahr begann.
Und was auch kam, nie kam ein Unterschied.
Um diese Zeit war Schmidt noch gut verpackt.
Er traumte nachts manchmal von fernen Landern.
Um diese Zeit hielt Schmidt noch halbwegs Takt.
Und dachte: Morgen kann sich alles andern.
Da schnitt er sich den Daumen von der Hand.
Ein Fraulein Brandt gebar ihm einen Sohn.
Das Kind ging ein. Trotz Pflege auf dem Land.
(Schmidt hatte 40 Mark als Wochenlohn.)
Die Zeit marschierte wie ein Grenadier.
In gleichem Schritt und Tritt. Und Schmidt lief mit.
Die Zeit verging. Und Schmidt verging mit ihr.
Er merkte eines Tages, dab er litt.
Er merkte, dab er nicht alleine stand.
Und dab er doch allein stand, bei Gefahren.
Und auf dem Globus, sah er, lag kein Land,
in dem die Schmidts nicht in der Mehrzahl waren.
So war’s. Er hatte sich bis jetzt geirrt.
So war’s, und es stand fest, dab es so blieb.
Und er begriff, dab es nie anders wird.
Und was er hoffte, rann ihm durch ein Sieb.
Der Mensch war auch blob eine Art Gemuse,
das sich und dadurch andere ernahrt.
Die Seele sab nicht in der Zirbeldruse.
Falls sie vorhanden war, war sie nichts wert.
9 Stunden stand Schmidt schwitzend im Betrieb.
4 Stunden fuhr und ab er, mud und dumm.
10 Stunden lag er, ohne Blick und stumm.
Und in dem Stundchen, das ihm ubrigblieb,
brachte er sich um.