Der Maibaum
Wir liebten uns. Ich sab an deinem Bette
und sah auf deinen todesmatten Mund.
Dein Auge suchte mich an irrer Statte:
Horst du den Sensenschnitt im Wiesengrund?
Und Pfingsten rings. Die Stadt war ausgeflogen
in hellen Kleidern und im Fruhlingshut,
wir waren um den schonsten Tag betrogen,
o Tag, sei gnadig ihrer Fieberglut.
Zu deinem Haupte bog, zu deinen Fuben
bog sich ein grunes Birkenbaumchen vor,
sie sollten dich vom heiligen Leben gruben,
ein letzter Grub dir sein am schwarzen Tor.
Ich hatte gestern sie fur dich geschnitten,
an einer Stelle, die dir wohlbekannt,
zu der wir ausgelassen oft geschritten,
an der wir oft gesessen Hand in Hand.
An jenem Ort steht eine alte Weide,
vor Neid und Sonne unsre Schutzerin,
da ist es still, und uberall die Heide,
am Ginster zittert die Libelle hin.
Ein Wasser schwatzt sich selig durchs Gelande,
ein reifer Roggenstrich schliebt ab nach Sud,
da stutzt Natur die Stirne in die Hande
und ruht sich aus, von ihrer Arbeit mud’.
Weibt du den Abend noch, wir saben lange,
ein nahendes Gewitter hielt uns fest
an unserm Weidenbusch, du fragtest bange,
es klang so zag: Und wenn du mich verlabt?
Sieh zu mir auf, beschirmt von Birkenzweigen,
ich war dir treu, wir haben uns geglaubt.
Aus Wusten zieht auf Wolken her das Schweigen,
die Sense flirrt, und sterbend sinkt dein Haupt.