Vorstadtlerche
“Bist du in dunkler Nacht, wenn Alle du verlassen,
Geschritten schon durch einer Weltstadt wirre Gassen? …
Du schreitest lassig heim. Scharf in die Stille fallen
Horst du mit mudem Ohr der eig’nen Tritte Hallen
Und klar ihr Echo an den Wanden…
Doch sieh die Hauser dort, wie sie im tiefen Schatten
Sich schweigend, drohend-ernst fest aneinander gatten –
So steht das Schlechte eng zusammen
Und birgt sich feig in dunklen dumpfen Ecken,
Um langsam immer weiter sich zu strecken,
Wenn rings erloschen will der Wahrheit Flammen…
Und wie ein Moderduft weht es um deine Stirn,
Und heiber jagt dein Blut durch dein ermattet Hirn,
In deinen Ohren tont ein langgezogenes Hallen…
Da packt ein Schauder dich, und du gehst schneller, schneller –
Und jagst dem Morgen zu, der stetig heitrer, heller
Die Angst von deinem Herzen lacht… –
Bist du in dunkler Nacht, wenn Alle du verlassen,
Geschritten schon im Geist durch des Jahrhunderts Gassen?…”
(John Henry Mackay.)
Stumm lag die Strabe unter schwarzem Laken;
Verschlafen blinzten der Laternen Flammen;
Die oden Pflastersteine schraken
Vor meinem Schritt zusammen.
Doch mir im Haupte brandete das Blut,
Und uppig blitzten die Gedanken –
Des Hochgespraches kuhne Brut,
Bei dessen wild erhabener Glut
Ich mit den Freunden sab, in feierlicher Nacht…
Und staunend schaut’ ich die Gedankenpracht
Und fuhlte staunend meines Herzens Weihe;
Und meine Seele wuchs zu hehren Sternen, –
Wie Rauchschwall wirbelnd sich gen Himmel breitet.
Und wie ich schlafen sah die dunkle Hauserreihe,
Bedunkt ich mich ein Heiland,
Der liebewach sein schlummernd Volk durchschreitet.
Doch als ich offnete des Hauses Thor,
Da gahnte schwarz das Haus wie eine Gruft;
Und als die finstern Treppen ich empor
Getastet bis zum Stockwerk unterm Dach,
Da hauchte mir das enge Schlafgemach
Entgegen druckend schwule Luft.
Beklommen streckt’ ich mich zu Bett
Und suchte Schlaf. Doch heib war meine Stirn,
Und rastlos grubelte das mude Hirn.
Dann aus der dunkeln Ecke kam geschlichen
Die Angst und kroch mit ekler Gier empor
Und druckte meine Brust und wurgte mich;
Und meine Glieder waren totenstarr,
Und eine Stimme zischelte mir ins Ohr:
“Ohnmachtiger Narr!
Der du ein Held
Und Heiland dich bedunkt,
Da liegst du nun gefallt,
Von meiner Faust gefabt,
Wie all dein kummerbleiches Volk,
Das hingesturzt von Tageslast
Rings unter dumpfen Dachern modert…”
Und wie es zischelnd hohnte,
Und wie im Finstern druben
Mein Doppelganger wimmerte und stohnte,
Da brach mein Herz, da sank mit hohlem Drohnen
Mein Sarg in schwarze Erde;
Der Deckel prebte meine dumpfe Stirn,
Und die Gedanken starrten im Gehirn. – –
Was zwitschert heimlich in der Ferne
So sub und morgenfrisch?
Was spur’ ich wie ein Liebchen schleichen
Vom Fenster durch das lauschig stille Zimmer?
Bist du es, Dammerung? Ja! Du bist es, Liebchen!
Schon gruben mich mit geisterhaftem Schimmer
Der Tisch, das Polster und die Uhr… Ihr bleichen,
Vom Tod erstandnen Freunde! Ja, es tagt!
Wie wonnig meine nachtgequalten Augen
Des Lichtes zarte Rieselquelle saugen!
Und wie in lichtgetrankten Wolkenraumen
Die Lerche selig zwitschert! –
O lab mich lauschen, lab mich selig traumen,
Zartlicher Vogel…
Die bange Nacht
Verschlief dein Kopfchen, flugelgeborgen,
In dunkler Ackerfurche der Vorstadt.
Doch als mit hauchendem Kusse der Morgen
Dein Flaumkleid ruhrte, bist du erwacht
Und sehnsuchtsvoll auf schlafgestarkten Flugeln
Emporgeschwirrt zu frischen Morgenluften,
Wo zwischen grauen Wolkenhugeln
Aus rotbesaumten Schluften
Des Tages goldne Quelle bricht.
Und auf zum jugendlichen Licht
Mit nie versiegender Liebeslust
Jubelt die zartliche Sangerbrust:
“Wie bist du sub! Wie bist du sub!”
O Lerchenlied,
So labefrisch und rein
Wie Blumenthau!
So funkelhell
Wie junger Sonnenschein,
Der uber die entzuckte Au
Rotgluhend blitzt!
Aus glutverklarten Fenstern lauscht
Manch trostverschmachtet Ohr
Erquickt zu dir empor.
Und du
Schwebst mit der hilflos matten,
Wehmutig frohen Seele
Von bangen Strabenschatten –
Du lieber kleiner Heiland –
Empor, empor
Zu seligem Ruhe-Eiland.