Gedanken uber Vernunft, Aberglauben und Unglauben
Dieses Gedicht war eine Art eines Gewettes: Mein Freund, derD. Stahelin, und andere werte Bekannte, die mir Basel zum angenehmsten Aufenthalte machten, erhoben die Engellander und ruckten mir oft das Unvermogen der deutschenDichtkunst vor. Ich nahm die Ausforderung an, da ich mich nach einer Krankheit langsam erholte undzu keiner andern Arbeit noch die Krafte hatte. Ich suchte in einem nach dem Englischen Geschmacke eingerichteten Gedichte darzutun, dab die deutsche Sprache keinen Anteil an dem Mangel philosophischer Dichter hatte. Die Fehler in dem Grundrib dieses Gedichtes sindmir sonst mehr als zu bekannt. Aber sie sind noch tiefer als des Johns Fransen in das Werk selbereingewoben und konnen nicht anders als mit einer volligen Veranderung gebessert werden, die weit uber meine jetzigen Mube und Krafte ist.
Woher, o Stahelin! kommt doch die Zuversicht,
Womit der schwachste Geist von hohen Dingen spricht?
Du weibts, Betrug und Tand umringt die reine Wahrheit,
Verfalscht ihr ewig Licht und dampfet ihre Klarheit!
Der Weise braucht umsonst, gefuhrt von der Natur,
Das Bleimab in der Hand und die Vernunft zur Schnur;
Im Geister-Labyrinth, in scheinbaren Begriffen
Kann auch der Klugste sich in fremde Bahn vertiefen;
Und wann sein sichrer Schritt sich nie vom Pfad vergibt,
Am Ende sieht er doch, dab er im Anfang ist.
Der Pobel hat sich nie zu denken unterwunden,
Er sucht die Wahrheit nicht und hat sie doch gefunden;
Sein eigner Beifall ist sein bundigster Beweis,
Er glaubet kraftiger, je weniger er weib.
Ihm wird der Weiseste zu schwache Stricke legen,
Er spricht ein trotzig Ja und lost sich mit dem Degen.
Unselig Mittel-Ding von Engeln und vonVieh!
Du prahlst mit der Vernunft und du gebrauchst sie nie;
Was helfen dir zuletzt der Weisheit hohe Lehren,
Zu schwach, sie zu verstehn, zu stolz, sie zu entbehren?
Dein schwindelnder Verstand, zum Irren abgericht’,
Sieht wohl die Wahrheit ein und wahlt sie dennoch nicht;
Du bleibest stets ein Kind, das taglich unrecht wahlet,
Den Fehler bald erkennt und gleich drauf wieder fehlet;
Du urteilst uberall und forschest nie, warum,
Der Irrtum ist dein Rat und du sein Eigentum.
Wahr ists, dem Menschen ist Verstand genug geschenket,
Sein fluchtig Denken ist kaum von der Welt umschranket,
Was nimmer moglich schien, hat doch sein Witz vollbracht
Und durch die Sternen-Welt sich einen Weg erdacht.
Dem majestatschen Gang von tausend neuen Sonnen
Ist lange vom Hugen die Renn-Bahn ausgesonnen,
Er hat ihr Mab bestimmt, den Korper umgespannt,
Die Fernen abgezahlt und ihren Kreis umrannt.
Ein forschender Kolumb, Gebieter von dem Winde,
Besegelt neue Meer’, umschifft der Erden Runde;
Ein andrer Himmel strahlt mit fremden Sternen dort,
Und Vogel fanden nie den Weg zu jenem Bort,
Die fernen Grenzen sind vom Ozean umflossen,
Was die Natur verbarg, hat Kuhnheit aufgeschlossen;
Das Meer ist seine Bahn, sein Fuhrer ist ein Stein,
Er sucht noch eine Welt, und was er will, mub sein.
Ein neuer Prometheus bestiehlt den Himmel wieder,
Zieht Blitz und Strahl aus Staub und findt dem Donner Bruder.
Das Meer wird selbst verdrangt, sein altes Ziel entfernt,
Wo manches Schiff verging, wird reiches Korngeerndt.
Was die Natur verdeckt, kann Menschen-Witz entbloben,
Er mibt das weite Meer unendlich grober Groben,
Was vormals unbekannt und unermessen war,
Wird durch ein Ziffern-Blatt umschrankt und offenbar.
Ein Newton ubersteigt das Ziel erschaffner Geister,
Findt die Natur im Werk und scheint des Weltbaus Meister;
Er wiegt die innre Kraft, die sich im Korper regt,
Den einen sinken macht und den im Kreis bewegt,
Und schlagt die Tafeln auf der ewigen Gesetze,
Die Gott einmal gemacht, dab er sie nie verletze.
Wohl-angebrachte Muh! gelehrte Sterbliche!
Euch selbst mibkennet ihr, sonst alles wibt ihr eh!
Ach! eure Wissenschaft ist noch der Weisheit Kindheit,
Der Klugen Zeitvertreib, ein Trost der stolzen Blindheit.
Allein, was wahr und falsch, was Tugend, Prahlerei,
Was falsches Gut, was echt, was Gott und jeder sei,
Das uberlegt ihr nicht; ihr dreht die feigen Blicke
Vom wahren Gute weg, nach einer Stunde Glucke!
Ein Kind ist noch ein Kraut, das an der Stange klebt,
Nicht von sich selbst besteht und nur durch andre lebt.
Darauf, wann nach und nach sein Denken wird sein Eigen,
Und Witz und Bosheit sich durch starkers Werkzeug zeigen,
Wachst Geiz und Ehrsucht schon, noch weil ein Kinderspiel,
Ein Ball und schneller Reif, ist seiner Wunsche Ziel.
Die Blumen-volle Zeit der immer muntern Jugend
Lebt, und ist druber stolz, in Feindschaft mit der Tugend;
Der Wollust sanfte Glut warmt ihr die Adern auf,
Kein Einfall von Vernunft hemmt ihrer Luste Lauf.
Wann mit den Jahren nun auch das Erkenntnis reifet
Und der gesetzte Sinn sich endlich selbst begreifet,
Wann Tugend und Vernunft am Steuer sollten sein,
Nimmt erst die Eitelkeit die Seele vollig ein.
Da sinnt ein kluger Mann in durchgewachten Nachten
Bald das, bald jenes Amt mit Schmeicheln zu erfechten.
So fuhret ihn die Zeit von Ehr auf Ehre hin,
Zu hoch fur seine Ruh, zu tief fur seinen Sinn,
Bis dab das Alter ihn mit schweren Armen fasset,
Sein Rucken vor sich fallt, sein hohl Gesicht erblasset;
Sein Herz pocht schon verwirrt, sein trubes Auge bricht,
Der Lebens-Purpur stockt und jeder Saft wird dicht;
Er stirbt, den Titel wird ein Stein der Nachwelt nennen,
Sich hat er nie gekennt und nie begehrt zu kennen;
Sein Leib verfallt in Staub, sein Blut verfliegt in Rauch;
So stirbt ein grober Mann, so sterben Sklaven auch.
O Gott, der uns beseelt! wem gibst du deine Gaben?
Der Mensch gebraucht sie nicht, er schamt sich, sie zu haben!
Wir sind, und jeder ist sich gnug davon bewubt,
Ein unleugbar Gefuhl bezeugts in unsrer Brust.
Allein woher wir sind, und was wir werden sollen,
Hat der, der uns erschuf, nur Weisen zeigen wollen.
Hier spannt, o Sterbliche, der Seele Sehnen an,
Wo Wissen ewig nutzt und Irren schaden kann!
Doch, ach! ihr seid gewohnt, an, was ihr seht, zu denken,
Und was ihr noch nicht fuhlt, lohnt nicht, euch drum zu kranken;
Tut jemand in sich selbst aus Vorwitz einen Blick,
So schielt er nur dahin und zieht sich gleich zuruck;
Und wer aus steifem Sinn, mit Schwermut wohl bewehret,
Sein forschend Denken ganz in diese Tiefen kehret,
Findt oft fur wahres Licht und immer helle Lust
Nur Zweifel in den Kopf und Messer in die Brust.
Doch weil der Stolz sich schamt, wann wir nicht alles wissen,
Hat der verwegne Mensch auch hier urteilen mussen.
Er hat, weil die Vernunft ihn nur zu zweifeln lehrt,
Sich selbst geoffenbart und seinen Traum verehrt.
Zwei Glauben hat die Welt hierin sich langsterwahlet,
Da jeder viel verspricht und jeder weit verfehlet.
Dem einen dienet jetzt das menschliche Geschlecht,
Der Erdkreis ist sein Reich und wer drauf wohnt sein Knecht,
Vor seinen Infuln mub der Fursten-Stab sich legen,
Fur ihn treibt man den Pflug, fur ihn zieht man den Degen,
Betrug hat ihn erzeugt und Einfalt grob gemacht,
Er ist das Joch der Welt und schlauer Priester Pacht.
Wer diesen Glauben wahlt, hat die Vernunft verschworen,
Dem Denken abgesagt, sein Eigentum verloren,
Er glaubet, was sein Furst, und glaubts, weil der es glaubt,
Er kniet, wann jener kniet, und raubt, wann jener raubt;
Er weib, soviel er hort und seine Priester leiden;
Zahlt heilig Gaukelspiel mit seinem Gut mit Freuden,
Tauscht, was er itzt besitzt, fur Schatze jener Welt
Und schatzt sich seliger, je minder er behalt;
Soviel der Priester will und die geweihtenBlatter,
So vielmal teilt er Gott, so viel verehrt er Gotter;
Und fahret, wann er stirbt, wohin sein Priester sagt,
Ist selig auf sein Wort, und, wann er will, geplagt.
So ists, der Menschen Sinn, durch eiteln Stolz erhohet,
Verachtet die Natur, lobt nie, was er verstehet;
Der Tag gefallt ihm nicht; wie eines Luft-Lichts Pracht,
Der Gottheit Merkmal heibt, was ihn erstaunen macht.
Das rollende Geknall von Schwefel-reichen Dampfen,
Die mit dem feuchten Dunst geschlobner Wolken kampfen,
Verruckte gleich ihr Hirn, sie dachten: was uns schreckt,
Ist machtiger als wir; so ward ein Gott entdeckt.
Der Sonne blendend Licht und immer gleich Bewegen,
Ihr alles schwangernd Feur, der Quell von unserm Segen,
Schien wurdig gnug zu sein vor Weihrauch und Altar,
Man fand was Gottliches, wo so viel Gutes war.
Die Helden guldner Zeit sind bald, nach vielen Siegen,
Durch List und Schmeichelei dem Himmel zugestiegen,
Die Welt verehrte tot, wer lebend sie verheert,
Und Babels Jupiter war eines Rades wert.
Selbst Laster durften sich den Gottern zugesellen,
Und Menschen ihre Schmach der Welt zum Beispiel stellen,
Geiz, Lugen, Üppigkeit, und was man tadeln kann,
Sab gulden beim Altar und nahm den Weihrauch an.
Man fullte nun die Welt mit Tempeln und mit Hainen
Und die mit Gottern an. Bedeckt mit Edelsteinen,
Nahm bald der Priester auch des Pobels Augen ein
Und wollte, wie sein Gott, von ihm verehret sein.
Drauf herrschte der Betrug, bewehrt mit falschen Zeichen,
Und mubte von der Welt die scheue Freiheit weichen,
Die Wahrheit deckte sich mit tiefer Finsternis,
Vernunft ward eine Magd und Weisheit Ärgernis;
So lieb die Vorwelt sich die Macht zum Denken rauben,
Und alles bog das Knie vor schlauemAberglauben.
Erschrecklich Ungeheur! sein Wuten ubersteigt,
Was je des Himmels Zorn zu unsrer Straf erzeugt.
Im innern Heiligtum, wohin kein Fremder schauet,
Ist sein verborgner Thron, auf Wahn und Furcht gebauet;
Ihm steht mit krummem Hals die stolze Heuchelei
Und mit verlarvtem Haupt Betrug, sein Vater, bei;
Er aber fullt mit Rauch die schimmernden Gewolber,
Wo seine Gottheit wohnt, und ehrt sein Schnitzwerk selber.
Bald aber, wann, vielleicht aus unbedachtem Witz,
Der Wahrheit freie Stimm erschuttert seinen Sitz,
Fullt er sein flammend Aug mit Rach und wildem Eifer;
Sein Arm, bewehrt mit Stahl, sein Mund, beschaumt mit Geifer,
Droht Tod und Untergang; Mord, Bosheit und Verrat,
Die Diener seines Grimms, emporen Kirch und Staat,
Und oftmals mub das Blut von zehen groben Reichen
Nach endlich sattem Zorn ihn mit sich selbst vergleichen:
Noch gutig, wann nur nicht zerstorter Thronen Schutt
Ihm wird zum Sohn-Altar und raucht von Konigs-Blut.
Dies ist der grobte Gott, vor dem die Welt sich bucket,
Die Gotzen, die man ehrt und auf Altaren schmucket,
Sind, bunten Farben gleich, nur Teile seines Lichts,
Sie selbst sind nur durch ihn und auber ihm ein Nichts.
Sie sind im Wesen eins, nur an Gestalt verschieden,
Weib unterm blanken Nord, schwarz unterm braunen Suden;
Dort grimmig, ihr Getrank ist warmes Menschen-Blut,
Hier gutig, etwas Gold versohnet ihre Wut.
Doch ein verwohnt Paris, dem Argenson nicht wehret,
Zeugt so viel Diebe nicht, als Gotter man verehret;
Kein Tier ist so verhabt, kein Scheusal so veracht,
Dem nicht ein Volk gedient und Bilder sind gemacht.
Den tragt hier ein Altar, der dort am Galgenhanget,
Das heibe Persen ehrt die Sonne, die es senget;
Das tumme Memphis sucht im Sumpf den Krokodil
Und rauchert einem Gott, der es verschlingen will;
Noch torichter als da, wo es die Gartenbetter
Zu heilgen Tempeln macht’ und dungte seine Gotter.
Des Bosen Wesen selbst, des Schadens alter Freund,
Hat Kirchen auf der Welt und Priester, wie sein Feind.
Entsetzlicher Betrug! vor solchen Ungeheuern
Kniet die verfuhrte Welt und lernet Teufeln feiern.
Umsonst sieht die Vernunft des Glaubens Fehler ein,
Sobald der Priester spricht, mub Irrtum Weisheit sein;
Von dem betorten Sinn labt sich das Herz betrugen,
Liebt ein beglaubtes Nichts und irret mit Vergnugen:
Ein angenommner Satz, den nichts als Glauben stutzt,
Wird bald ein Teil von uns und auch mit Blut beschutzt.
Die Alten schrieen schon, entbrannt mit heilgen Flammen:
Der ist des Todes wert, der ehrt, was wir verdammen;
Die Nachwelt, angesteckt mit ihrer Ahnen Wut,
Pflanzt Glauben mit dem Schwert und dunget sie mit Blut.
Hat nicht die alte Welt, nur weil sie anders glaubte,
Die neue wust gemacht? Wie manchem hohen Haupte
Hat eines Heilgen Arm den Stahl ins Herz gedruckt,
Den itzt ein Volk verehrt und auf Altarenschmuckt?
Ein mibgebrauchter Furst taucht seine Sieges-Fahnen
In Kessel voll vom Blut getreuer Untertanen,
Die nicht geglaubt, was er, und gern zum Tode gehn
Fur einen Worter-Streit, wovon sie nichts verstehn.
Wo Glaubens Zweitracht herrscht, stehn Bruder wider Bruder,
Das Reich zerstort sich selbst und frisset seine Glieder;
Fur seines Gottes Ruhm gilt Meineid und Verrat!
Was Boses ist geschehn, das nicht ein Priestertat?
In stiller Heimlichkeit, umzielt mit engen Schranken,
Herrscht eine zweite Lehr und wohnt in den Gedanken,
Ihr folget, wer allein auf eigne Weisheit baut,
Die Klugern insgeheim und Toren uberlaut.
Der Furst, dem Laster nutzt, den Gottesfurcht umschranket,
Der Freigeist, der sich schamt, wann er wie andre denket,
Der Weichling, dem ein Gott zu nah zur Strafe scheint,
Sind, aus verschiednem Grund, doch wider Gott vereint.
Oft deckt der Priester selbst sich mit erlernten Mienen,
Sein Herz verhohnt den Gott, dem seine Lippen dienen,
Er lachelt, wann das Volk vor Gotzen niederfallt,
Die List vergottert hat und Aberwitz erhalt.
Die alle nennen Gott ein Wesen nur in Ohren,
Dem Staat zum Dienst erdacht und machtig nur fur Toren;
Bei ihnen ist kein Zweck, kein Wesensursprung mehr,
Und alles hat das Sein vom blinden Ungefahr.
Hier wird die Seele selbst gemessen und gewogen,
Sie mub ein Uhrwerk sein, fur gleich lang aufgezogen,
Als ihr vereinter Leib das, was er wurkt, versteht,
Denkt, weil er sich bewegt, und, wann er stirbt, zergeht.
Hier sind die Tugenden, die wir am hochsten preisen,
Nur Namen ohne Kraft und Grillen bloder Weisen,
Die schlauer Stolz erzeugt, Verstellung prachtig macht,
Der leichte Pobel ehrt und, wer sie kennt, verlacht.
Bei ihnen zeugt die Furcht der Tugend edle Triebe,
Der Menschheit Feder ist fur sie die Eigenliebe.
Wer diese Satze glaubt, ist niemand untertan
Und nimmt nur die Vernunft zu seinem Richter an.
Klug, wann die Wahrheit sich an sichern Zeichen kennte,
Wann nicht das Vorurteil die scharfsten Augen blendte
Und im verwirrten Streit von Not und Ungefahr
Vernunft die Richterin von Wahl und Zweifel war!
O blinde Richterin! wen soll dein Spruch vergnugen,
Die oft sich selbst betrugt und ofters labt betrugen?
Wie leicht verfehlst du doch, wenn Neigung dich besticht!
Man glaubet, was man wunscht, das Herz legt ein Gewicht
Den leichtern Grunden bei; es falscht der Sinne Klarheit;
Die Luge, die gefallt, ist schoner als die Wahrheit.
Ein weicher Aristipp, der auf die Wollust geizt
Und taglich seinen Leib zu neuen Lusten reizt,
Der keine Pflichten kennt und lebt allein zum Schlemmen,
Labt seine Luste nicht durch Gottes Schreck-Bild hemmen,
Er leugnet, was er scheut, sperrt Gott in Himmel hin
Und labt, wenn Gott noch ist, doch Gott nicht uber ihn.
Nicht, weil zum Zweifel ihn Vernunft und Grunde leiten,
Nur, weil Gott, weil er herrscht, ihm Strafen mub bereiten.
Ein Weiser, der vielleicht mit ruhmlichemVerdrub,
Des Aberglaubens satt, die Wahrheit suchen mub,
Habt alles Vorurteil und sucht, aus wahren Grunden,
Beim Licht von der Vernunft sich in sich selbst zu finden.
Im Anfang fuhret ihn sein forschender Verstand
Nah zu der Wesen Grund und weit vom Menschen-Tand,
Bis, wann er itzt entfernt von irdischen Begriffen,
Im weiten Ozean der Gottheit wagt zu schiffen,
Vernunft, der Leitstern, fehlt und er aus Blindheit irrt,
Ein falsches Licht ihn fuhrt und seinen Lauf verwirrt,
Er selbst im truben Tag, den falsches Licht erheitert,
Sich nach den Klippen lenkt und endlich plotzlich scheitert.
Der arme Weise sinkt im Schlamm des Zweifels ein,
Er kennt sich selbst nicht mehr, sieht in der Welt nur Schein,
Halt sich fur einen Traum, die Sinnen fur Betruger,
Verwirft, was jeder glaubt, und glaubt sich desto kluger,
Je weniger er weib; der Gottheit helles Licht
Durchstrahlt den dunkeln Dunst verblendter Weisheit nicht;
Die Stimme der Natur ruft allzu schwach dem Tauben,
Wer zweifelt, ob er ist, kann keinen Schopfer glauben.
Unseliges Geschlecht, das nichts aus Grunden tut!
Dein Wissen ist Betrug und Tand dein hochstes Gut.
Du fehlst, sobald du glaubst, und fallst, sobald du wanderst,
Wir irren allesamt, nur jeder irret anderst.
So wie, wann das Gesicht gefarbtem Glase traut,
Ein jeder, was er sieht, mit fremden Farben schaut;
Nur sieht der eine falb und jener etwas gelber;
Der eine wird verfuhrt, und der verfuhrt sich selber;
Der glaubt an ein Gedicht und jener eignem Tand;
Den macht die Tummheit irr und den zuviel Verstand;
Der hofft ein kunftig Gluck und lebt darum nicht besser;
Und jenes Ungluck wird durch seine Tugend grober;
Der Pobel ist nicht weis’, und Weise sind nicht klug;
Soweit die Welt sich streckt, herrscht Elend und Betrug:
Nur dab der eine still, der andre rasend glaubet,
Der sich allein die Ruh und jener andern raubet.
Und du, mein Stahelin! was hast du dir erwahlt,
Da Glauben oft verfuhrt und Zweifeln immer qualt?
Viel Irrtum hat der Mensch sich selber zugezogen:
Er ist, der Erde war, dem Himmel zugeflogen,
Wohin Vernunft nicht reicht, hat Stolz sich hingetraut,
Was an der Welt ihm fehlt, aus eignem Witz erbaut,
Die Schranken eng geschatzt, worin er denken sollen,
Und drauben fallen eh, als drinnen stehen wollen.
Wie Gott die Ewigkeit erst einsam durchgedacht,
Warum einst, und nicht eh, er eine Welt gemacht;
Was unser Geist sonst war, eh ihn ein Leib bekleidet;
Und wie er soll bestehn, wann alles von ihm scheidet;
Wie erst ein ewig Nichts in uns zum Etwas ward;
Wie Denken erst begann und Wesen fremder Art
Der Seele Werkzeug sind; wie sich die weiten Kreise
Der anfangslosen Daur gehemmt in ihrer Reise,
Und ewig ward zur Zeit; und wie ihr seichter Flub
Im Meer der Ewigkeit sich einst verlieren mub:
Das soll ich nicht verstehn und kein Geschopfe fragen;
Es moge sich mein Feind mit solchem Vorwitz plagen!
Genug, es ist ein Gott; es ruft es die Natur,
Der ganze Bau der Welt zeigt seiner Hande Spur.
Den unermebnen Raum, in dessen lichten Hohen
Sich tausend Welten drehn und tausend Sonnen stehen,
Erfullt der Gottheit Glanz. Dab Sterne sonder Zahl
Mit immer gleichem Schritt und ewig hellem Strahl,
Durch ein verdeckt Gesetz vermischt und nicht verwirret,
In eignen Kreisen gehn und nie ihr Lauf verirret,
Macht ihres Schopfers Hand; sein Will ist ihre Kraft,
Er teilt Bewegung, Ruh und jede Eigenschaft
Nach Mab und Absicht aus. Kein Stein bedeckt die Erde,
Wo Gottes Weisheit nicht in Wundern tatig werde;
Kein Tier ist so gering, du weibts, o Stahelin!
Es zielt doch jeder Teil nach seinem Zwecke hin:
Ein unsichtbar Geflecht von zartlichen Gefaben,
Nach mehr als Menschen Kunst gebildet und gemessen,
Fuhrt den bestimmten Saft in stetem Kreis-Lauf fort,
Verschieden uberall und stets an seinen Ort;
Nichts stort des andern Tun, nichts fallt des andern Stelle,
Nichts fehlt, nichts ist zu viel, nichts ruht, nichts lauft zu schnelle;
Ja, in dem Samen schon, eh er das Leben haucht,
Sind Gange schon gehohlt, die erst das Tier gebraucht;
Der Mensch, vor dessen Wort sich soll die Erde bucken,
Ist ein Zusammenhang von eitel Meister-Stucken;
In ihm vereinigt sich der Korper Kunst und Pracht,
Kein Glied ist, das ihn nicht zum Herrn der Schopfung macht.
Doch geh durchs weite Reich, das Gottes Hand gebauet,
Wo hier in holder Pracht, vom Morgen-Rot betauet,
Die junge Rose gluht und dort im Bauch der Welt
Ein unreif Gold sich farbt und wachst zu kunftgem Geld:
Du wirst im Raum der Luft und in des Meeres Grunden
Gott uberall gebildt und nichts als Wunder finden.
Mehr find ich nicht in mir: Gott, der in allemstrahlt,
Hat in der Gnade sich erst deutlich abgemalt;
Vernunft kann, wie der Mond, ein Trost der dunkeln Zeiten,
Uns durch die braune Nacht mit halbem Schimmer leiten;
Der Wahrheit Morgen-Rot zeigt erst die wahre Welt,
Wann Gottes Sonnen-Licht durch unsre Dammrung fallt.
Zu stammelnd fur den Schall geoffenbarter Lehren
Soll die Vernunft hier Gott mit eignem Lallen ehren.
Sie fuhrt uns bis zu Gott, mehr ist ein Überflub.
Nichts wissen macht uns tumm, viel forschen nur Verdrub.
Was hilft es, himmelan mit schwachen Schwingen fliegen,
Der Sonne Nachbar sein und dann im Meere liegen?
Vergnugung geht vor Witz; auch Weisheit halt ein Mab,
Das Toren niedrig dunkt und Newton nicht vergab.
Wer will, o Stahelin! ist Meister des Geschickes,
Zufriedenheit war stets die Mutter wahres Gluckes.
Wir haben langst das Nichts von Menschen-Witz erkennt,
Das Herz von Eitelkeit, den Sinn von Tand getrennt;
Lab albre Weisen nur, was sie nicht fuhlen, lehren,
Die Seligkeit im Mund und Angst im Herzen nahren,
Uns ist die Seelen-Ruh und ein gesundes Blut,
Was Zeno nur gesucht, des Lebens wahres Gut;
Uns soll die Wissenschaft zum Zeitvertreibe dienen,
Fur uns die Garten bluhn, fur uns die Wiesen grunen;
Uns dienet bald ein Buch und bald ein kuhler Wald,
Bald ein erwahlter Freund, bald wir zum Unterhalt;
Kein Gluck verlangen wir, ein Tag soll allen gleichen,
Das Leben unvermerkt und unbekannt verstreichen;
Und, ist der Leib nur frei von siecher Glieder Pein,
Soll uns das Leben lieb, der Tod nicht schrecklich sein!
Oh! dab der Himmel mir das Gluck im Tode gonnte,
Dab meine Asche sich mit deiner mischen konnte!
In der Tale of a Tub des D. Swifts.