Seufzer einer verbannten Seele
Ach, wie traurig ist’s, zu geh’n,
Herr, durchs Leben ohne dich!
Nur ein Sehnen kenne ich:
Sterben mocht’ ich, dich zu seh’n.
1. Lang ist unser Weg hienieden,
Durch der Tranen banges Tal,
Muhevoll der Menschen Dasein,
Der verbannung herbe Qual.
Meister, voller Ruhm und Zier,
Nimm mich, Heiland, weg von hier!
Ja, nur darum will ich fleh’n:
Sterben mocht’ ich, dich zu seh’n.
2. Duster ist das Erdenleben,
Bitter bis zum Übermab,
Fern von dir seufzt meine Seele,
Trauernd ohne Unterlab.
Ach, wie ist mir, subes Gut,
Elend ohne dich zumut!
Nur um eines will ich fleh’n:
Sterben mocht’ ich, dich zu seh’n.
3. Tod, du Trost in meinen Noten,
Heile meiner Sehnsucht Schmerz!
Sub empfind’ ich deine Schlage,
Sie befrei’n mein armes Herz.
Welch ein Gluck, Geliebter mein,
Ganz vereint mit dir zu sein!
Nur um eines will ich fleh’n:
Sterben mocht’ ich, dich zu seh’n.
4. Wie die schnode Erdenliebe
Sich an dieses Leben hangt,
So die hehre Gottesliebe
Uns zum wahren Leben drangt.
Wie vermochte, Meister, ich
Zu bestehen ohne dich?
Nur um eines will ich fleh’n:
Sterben mocht’ ich, dich zu seh’n.
5. Unser Weilen hier auf Erden
Ist nur Schmerz und Seelenpein,
Reines Leben wird uns werden
In des Himmels Hoh’n allein.
Gott, mein Gott, gewahre mir,
Dab ich lebe dort bei dir!
Nur um eines will ich fleh’n:
Sterben mocht’ ich, dich zu seh’n.
6. Wer soll noch in Furcht erbeben,
Wenn der leib in Staub zerfallt,
Da man doch fur dieses Leben
Grenzenlose Lust erhalt?
Subes Dursten, sube Pflicht,
Dich zu lieben, schonstes Licht!
Nur um eines will ich fleh’n:
Sterben mocht’ ich, dich zu seh’n.
7. Meine Seele schwebt in Ängsten,
Seufzt vor Schwache, seufzt vor Leid.
Welches Herz soll sich denn freuen,
Wenn der Vielgeliebte weit?
Meine Qualen, meine Pein,
Lab sich bald zu Ende sein!
Herr, ich kenne nur ein Fleh’n:
Sterben mocht’ ich, dich zu seh’n.
8. Wie der Fisch am Angelhaken
Hangt und zerrt, dem Tod geweiht,
Und von seinen tausend Qualen
Erst im Tode wird befreit,
So leid’ ich der Schmerzen Glut
Ohne dich, mein hochstes Gut.
Und ich kenne nur ein Fleh’n:
Sterben mocht’ ich, dich zu seh’n.
9. O mein Meister, ganz vergeblich
Sucht dich meine Seele hier,
Unsichtbar dem bloden Auge
Birgst du allzeit dich vor ihr.
In der Trennung heibem Schmerz
Fliegt ihr Sehnen himmelwarts.
Eines will sie nur erfleh’n:
Sterben mocht’ ich, dich zu seh’n.
10. Ach, wann wirst du dich entschlieben,
Einzukehren, Herr, bei mir?
Mub ich ha noch immer furchten,
Dab ich dich, mein Gott, verlier’.
Seufzend ruft die Seele mein,
Schmerzerfullt gedenkt sie dein,
Und um eins nur kann sie fleh’n:
Sterben mocht’ ich, dich zu seh’n.
11. Komm doch deiner Magd zu Hilfe,
Die in Sehnsucht fast vergeht!
Setz ein Ende ihren Noten,
Hore doch ihr Bittgebet!
Brich die Ketten rasch entzwei,
Dab sie endlich glucklich sei!
Denn sie kann nur eines fleh’n:
Sterben mocht’ ich, dich zu seh’n.
12. Doch, ach nein, mein guter Meister,
Ist mir doch mein Schmerz zum Heil,
Suhnen will ich meine Fehler,
Tilgen meiner Schulden Teil.
Hore, Herr, meine Klagen an,
Und mein Ruf steig’ himmelan!
Eines will ich nur erfleh’n:
Sterben mocht’ ich, dich zu seh’n.