Die Abatissin und der Bischof
Ein’ edle Abatissin kam,
Ein’ Nonn’ beim Bischof klagen,
Die hatt’ gen Himmelsbrautigam
Der Treue sich entschlagen,
“O weh, der Sunde grob und schwer!
Frau Aebtin, kehret heime,
Beschicket gleich die Werkleut’ her
Mit Steinen und mit Leime
Und mauret mir die Sund’rin ein;
Sie seh’ nit nachster Sonne Schein!
Gott moge ihr genaden!”
Die Abatissin heime kehrt,
Sie lieb den Zelter jagen,
Und that, wie sie der Bischof lehrt,
Das gab ein grobes Klagen.
Sie fuhrten das bleich’ Schwesterlein
Hinwarts zu einer Blende,
Da fugten hastig Stein auf Stein
Der Werkleut’ flinke Hande.
Sie maureten die Nonne ein,
Sie sieht nit nachster Sonne Schein.
Gott moge ihr genaden!
Und als die Wande feucht und kalt
Das junge Blut umfassen,
Da hat es, eh’ man schlob den Spalt,
Sich noch vernehmen lassen:
“Wie grob die Sund’ und schwer die Pon,
Die Wonne war doch sube,
Und kennt wer meinen Buhlen schon,
Der bring’ ihm letzte Grube!
Ein Feuer ist die Lieb’, das zehrt,
Und Gott, der ihrer nit gewehrt,
Mog’ mir und euch genaden!”
Und eh’ verblich der Sonne Schein,
Vier Maultier’ vor dem Wagen,
Der Bischof fuhr ins Kloster ein,
Die Abatissin fragen.
Die leitet ihn an ihrer Hand
Hinabwarts viele Stufen,
Bis wo man hinter nasser Wand
Die Nonn’ noch horte rufen.
Der Bischof, der bekreuzt die Stein’.
“Der Erde Lust verlauft in Pein.
Gott moge dir genaden!”
Drauf leitet ihn die Aebtin noch
Ins Gastgelab, ins reiche.
“O, edle Frau, was habt Ihr doch
Fur Hande weib und weiche!”
Und als die nachste Sonn’ sie find’t,
Umfahet beid’ ein Schauern,
Sie dachten an ein bleiches Kind,
Das tot lag hinter Mauern:
Beim Scheiden an der Klosterpfort’,
Da flustern sie als Abschiedswort:
“Gott moge uns genaden!”