Hort ihr es nicht?
Hort ihr es nicht? In meinem Ohre bang
Ewig tont herber dumpfer Trommelklang.
In heller Lenznacht in der Nachtigall
Vertraumtes Lied rauscht schwerer Waffenschall.
Der Sommer gluht in dunkler Rosen Duft –
Wie Rossestampfen schallt es durch die Luft.
Und wenn der Wein im grunen Glase quillt, –
Horst nicht das Schlachtwort, das so blutig schrillt?
O Winternacht! Der Sturmwind heulend fahrt,
Die starrenden Wege leer sein Odem kehrt.
Vergebens gluht am Feuerheerd der Rost,
Starker als Feuer brennt der kalte Frost.
An Haus und Wand und an des Weg’s Geleis’
Fliegt Schnee und knarrt das demantharte Eis.
O Winternacht! Durch Eis und fliegenden Schnee
Lauter als Sturmgeist, schreit ein wildes Weh.
Wie an dem Strand die wuste Woge hallt,
Die Nacht hindurch Geschrei und Schlachtruf schallt.
In dunklen Schaaren drangt es finster an,
Mit Beil und Hammer wogt es dumpf heran.
Zerlumpte Haufen, wie vom Sturm verwirrt,
Das Eisen drohnt, das blanke Messer klirrt.
Das Angesicht, blab wie ein Wintertag,
Sagt, wie das Elend gar so fressen mag.
Das Auge tief, die Wange hohl und schmal,
Auf Stirn’ und Wang’ der Krankheit brand’ges Mal.
Das Haar gelost auf braunen Nacken hangt,
Den nackten, schweren Fub kein Schuh umzwangt.
Das Banner draut, wie Herzblut dunkelroth,
Und dort die Fahn’, schwarz wie der Wurger Tod.
Parol’ die Frag: Was fur ein seltsam Wesen?
Antwort: Vom Elend wollen wir genesen.
Es drangt heran, es wogt die dunkle Fluth
Und in den Luften schwimmt’s wie schwarzes Blut.
Auf, auf die Herzen, die am Thron ihr sitzt,
Von Gold und heibem Demantglanz umblitzt!
Auf, auf die Herzen, die beim duft’gen Mahl
Ihr schwingt den silberstrahlenden Weinpokal.
Seht ihr es nicht, das Zeichen, das sich hebt?
Ein eherner Kelch vor euren Augen schwebt!
Ein eherner Kelch mit Thranen angefullt,
In Dornen und in Stacheln eingehullt.
Hort aus der Tiefe schmerzenbanges Schrein –
Auf, auf die Herzen, labt die Liebe ein!
Reibt ab das rothe Gold vom Sammtgewand,
Den Demantschmuck, das schimmernde Perlenband.
Wir wandeln in der Lebenswuste Noth,
Des Golds bedarf es nicht, o gebt nur Brod!
Auf, auf die Herzen, Thran’ um Thrane quillt
Dort in der Tiefe, und von Seufzern schwillt
Die bange Brust, das Aug’ verderblich blitzt –
Auf, auf ihr Herzen, die am Thron ihr sitzt!
Hort ihr es nicht? In meinem Ohre bang
Ewig tont herber dumpfer Trommelklang…