An die Liebe
Liebe! Allerliebste Liebe,
Segne mich mit deinem Triebe!
Lab mich deinen Reiz empfinden,
Lab mich deine Gluth entzunden;
Lab mir hubsch durch dein Genieben
Zeit und Stunden schneller flieben!
Lab mir’s an der Muh’, zu wahlen,
Aber nie an Schonen fehlen;
Und damit auch viel Beschwerden
Durch ein Mittel minder werden,
Lab mir kunftig nur von allen
Eine schon seyn und gefallen!
Lehre sie, mich ganz zu kennen;
Klug zu frieren, klug zu brennen;
Lehre, witzig abzuschlagen,
Und nur reizend “Ja!” zu sagen.
Lehre sie, aus Wort und Werken
Meinen Wunsch und Willen merken!
Lehr’ sie aber: Wunsch und Willen
Nicht zur Unzeit zu erfullen,
Dab sie sich erst artig schame,
Und sich nicht zu bald bequeme!
Lehre sie die suben Mienen,
Die der Lust zum Vortheil dienen;
Lehre alle Frohlichkeiten
Und dabei, was sie bedeuten!
Lab sie stets in Unschuld prangen,
Nie zu viel von mir verlangen;
Auch dab sie’s verstandig klage,
Wenn ich ihr zu viel versage! –
Lehre, wie man nie veralte,
Wie man Reiz und Werth behalte,
Wenn auch einst auf Brust und Wangen
Aller Rosen Schmuck vergangen!
Lehr’ sie, wenn wir uns vereinen
Treu zu seyn und treu zu scheinen,
Dab sie mich mit nichts betrube
Und mich immer starker liebe!
Lehr’ auch mich durch deine Lehren,
Solchen Engel recht zu ehren,
Dab er, wenn ich ihn vergnuge,
Keine Lust zum Wechsel kriege!