Denker und Dichter
1
Wohlan, ihr neunmal Weisen!
Ich fordre euch heraus!
Baut ihr von Stein und Eisen
Ein sturmgesichert Haus:
Bau’ ich aus Blutenduften
Und Mondschein mir ein Schloss,
Drin biete ich euch allen Trutz
Und eurem Schulertross!
Die guldnen Sonnenstrahlen
Sind meine Lanzen scharf,
Die Blumen in den Talen
Sind all mein Schiessbedarf;
Die Tannen auf den Bergen
Sind meine Wachtersleut’,
Des Himmels Sterne allzumal
Mein glanzend Heer zum Streit.
Auf, meine Siegstandarte,
Die ist das Abendrot!
Auf, meine Feldherrnwarte,
Die ist das Morgenrot!
Mein Tambour ist der Donner,
Der durch die Lufte rollt,
Trompeter ist der wilde Sturm,
Der auf den Meeren grollt.
Der Oberfeldzeugmeister
Ist meine Phantasie,
Und ihre tapfern Geister
Verliessen mich noch nie!
Die unerschopfte Kasse
Der Quellen Silberschaum,
Mein lustig kuhles Lagerzelt
Des Waldes gruner Raum.
Die Wolken sind Trabanten,
Die meine Stimme ruft,
Und meine Adjutanten
Die Adler in der Luft,
Die fliegen und die spahen
Hinaus in alle Welt,
Mein leicht’ Gemut ist Feldmarschall,
Das ist ein guter Held!
Ich sende dir entgegen,
O Feind! die Nachtigall,
Die bringt mit ihren Schlagen
Dich alsogleich zu Fall.
Ich lasse auf euch spielen
Mein duftiges Geschutz,
Und euer Eis zerschmelzen muss
An meinem Lanzenblitz!
Gott hat zu seinem Zeugen
Geordnet den Gesang;
Der wird nun nimmer schweigen
Die Ewigkeit entlang.
In seinen Zauberwellen
Versinkt der letzte Spott;
Solange noch ein Dichter lebt,
Lebt auch der alte Gott!
2
Nein! – Zwischen uns soll Friede sein,
Die weisse Fahne steck’ ich auf,
Dass in geharnischtem Verein
Wir wallen einen Siegeslauf.
Voran, voran, ihr Bittern
In fegenden Gewittern!
Die Dichter aber schreiten nach
Mit klargestimmten Zithern!
Ihr seid die feuerschwangre Kraft,
Vor der der gift’ge Dunst zergeht,
Sprengt den entlaubten Eichenschaft,
Der starr und durr im Wege steht;
Doch funkelnd aufgezogen
Sind wir der Regenbogen,
Der von der Erd’ zum Himmel lacht,
Wenn das Gelarm verflogen.
Ihr werft die Gotzen aus dem Haus
Im Heidentum, im Christentum;
Ihr jatet Dorn und Distel aus
Und pflugt den starren Acker um!
Doch wir auf Lenzesschwingen,
Mit Spielen und mit Singen,
Wir mussen in die Furchen dann
Den neuen Samen bringen.
Ihr brecht die Bahn durch finstre Nacht,
Die Fackel in der sichern Hand;
Ihr seid die Vorhut und die Wacht,
Ihr sengt und brennt in Feindesland;
Vor der Posaune Schallen
Ist Jericho gefallen,
Vor eurer Tuba sturzen selbst
Des Himmels hochste Hallen!
Dann aber folgt der Sanger Schar,
Die einen neuen Himmel baut,
Darinnen man im Lichttalar
Den alten Gott der Liebe schaut!
Voran, voran, ihr Bittern
In fegenden Gewittern,
Wir ziehen heilend, segnend nach
Mit hellgestimmten Zithern!