Alte Weisen
Mir glanzen die Augen
Wie der Himmel so klar;
Heran und voruber,
Du schlanker Husar!
Heran und voruber
Und wieder zuruck!
Vielleicht kann’s geschehen,
Du findest dein Gluck!
Was weidet dein Rapp’ mir
Den Reseda dort ab?
Soll das nun der Dank sein
Fur die Lieb’, so ich gab?
Was richten deine Sporen
Mein Spinngarn zu Grund?
Was hangt mir am Hage
Deine Jacke so bunt?
Troll’ nur dich von hinnen
Auf deinem groben Tier
Und lass meine freudigen
Sternaugen mir!
2 Die Lor’ sitzt im Garten
Die Lor’ sitzt im Garten,
Kehrt den Rucken zumal
Und verbirgt mir der Augen
Himmlischen Strahl.
Ihr goldbrauner Haarwuchs
Weht uber den Zaun;
Den Rotmund, das Weisskinn
Doch lasst sie nicht schaun.
Sie lasset erklingen
Ihrer Stimme Geton;
O du boshafte Hexe,
Wie klingt es so schon!
3 Du milchjunger Knabe
Du milchjunger Knabe,
Wie siehst du mich an?
Was haben deine Augen
Fur eine Frage getan!
Alle Ratsherrn der Stadt
Und alle Weisen der Welt
Bleiben stumm auf die Frage,
Die deine Augen gestellt!
Ein leeres Schneckhausel,
Schau’, liegt dort im Gras;
a halte dein Ohr dran,
Drin brummelt dir was!
4 Ich furcht’ nit Gespenster
Ich furcht’ nit Gespenster,
Keine Hexen und Feen,
Und lieb’s, in ihre tiefen
Gluhaugen zu sehn.
Am Wald in dem grunen
Unheimlichen See,
Da wohnet ein Nachtweib,
Das ist weiss wie der Schnee.
Es hasst meiner Schonheit
Unschuldige Zier;
Wenn ich spat noch vorbeigeh’,
So zankt es mit mir.
Jungst, als ich im Mondschein
Am Waldwasser stand,
Fuhr sie auf ohne Schleier,
Ohne alles Gewand.
Es schwammen ihre Glieder
In der taghellen Nacht;
Der Himmel war trunken
Von der hollischen Pracht.
Aber ich hab’ entblosset
Meine lebendige Brust;
Da hat sie mit Schande
Versinken gemusst!
5 Singt mein Schatz wie ein Fink
Singt mein Schatz wie ein Fink,
Sing’ ich Nachtigallensang;
Ist mein Liebster ein Luchs,
O so bin ich eine Schlang’!
O ihr Jungfraun im Land,
Vom Gebirg und uber See,
Überlasst mir den Schonsten,
Sonst tut ihr mir weh!
Er soll sich unterwerfen
Zum Ruhm uns und Preis!
Und er soll sich nicht ruhren,
Nicht laut und nicht leis!
O ihr teuern Gespielen,
Überlasst mir den stolzen Mann,
Er soll sehn, wie die Liebe
Ein feurig Schwert werden kann!
6 Tretet ein, hoher Krieger
Tretet ein, hoher Krieger,
Der sein Herz mir ergab!
Legt den purpurnen Mantel
Und die Goldsporen ab.
Spannt das Ross in den Pflug,
Meinem Vater zum Gruss!
Die Schabrack’ mit dem Wappen
Gibt’ nen Teppich meinem Fuss!
Euer Schwertgriff muss lassen
Fur mich Gold und Stein,
Und die blitzende Klinge
Wird ein Schureisen sein.
Und die schneeweisse Feder
Auf dem blutroten Hut
Ist zu ‘nem kuhlenden Wedel
In der Sommerzeit gut.
Und der Marschalk muss lernen,
Wie man Weizenbrot backt,
Wie man Wurst und Gefullsel
Um die Weihnachtszeit hackt!
Nun befehlt Eure Seele
Dem heiligen Christ!
Euer Leib ist verkauft,
Wo kein Erlosen mehr ist!
7 Roschen biss den Apfel an
Roschen biss den Apfel an,
Und zu ihrem Schrecken
Brach und blieb ein Perlenzahn
In dem Butzen stecken.
Und das gute Kind vergass
Seine Morgenlieder;
Tranen ohne Unterlass
Perlten nun hernieder.
8 Wandl’ ich in dem Morgentau
Wandl’ ich in dem Morgentau
Durch die dufterfullte Au’,
Muss ich schamen mich so sehr
Vor den Blumlein ringsumher!
Taublein auf dem Kirchendach,
Fischlein in dem Muhlenbach
Und das Schlanglein still im Kraut,
Alles fuhlt und nennt sich Braut.
Apfelblut’ im lichten Schein
Dunkt sich stolz ein Mutterlein;
Freudig stirbt so fruh im Jahr
Schon das Papilionenpaar.
Gott, was hab’ ich denn getan,
Dass ich ohne Lenzgespan,
Ohne einen sussen Kuss
Ungeliebet sterben muss?
9 Das Kohlerweib ist trunken
Das Kohlerweib ist trunken
Und singt im Wald,
Hort wie die Stimme gellend
Im Grunen hallt!
Sie war die schonste Blume,
Beruhmt im Land;
Es warben Reich’ und Arme
Um ihre Hand.
Sie trat in Gurtelketten
So stolz einher;
Den Brautigam zu wahlen,
Fiel ihr zu schwer.
Da hat sie uberlistet
Der rote Wein –
Wie mussen alle Dinge
Verganglich sein!
Das Kohlerweib ist trunken
Und singt im Wald;
Wie durch die Dammrung gellend
Ihr Lied erschallt!
10 Das Gartlein dicht verschlossen
Das Gartlein dicht verschlossen
Haltst wohl du, frommes Kind,
Da diese Heckensprossen
So eng verwachsen sind?
Doch bluht die Unschuld immer
Darin, soviel ich seh’;
Sonst war es Lilienschimmer,
Nun ist es weisser Schnee!
Als hatt’ der gnadenreichen
Maria reinste Hand
Im Sonnenschein zum Bleichen
Ihr Hemdlein ausgespannt.
11 Wie glanzt der helle Mond
Wie glanzt der helle Mond so kalt und fern,
Doch ferner schimmert meiner Schonheit Stern!
Wohl rauschet weit von mir des Meeres Strand,
Doch weiterhin liegt meiner Jugend Land!
Ohn’ Rad und Deichsel gibt’s ein Wagelein,
Drin fahr’ ich bald zum Paradies hinein.
Dort sitzt die Mutter Gottes auf dem Thron,
Auf ihren Knien schlaft ihr sel’ger Sohn.
Dort sitzt Gott Vater, der den heil’gen Geist
Aus seiner Hand mit Himmelskornern speist.
In einem Silberschleier sitz’ ich dann
Und schaue meine weissen Finger an.
Sankt Petrus aber gonnt sich keine Ruh,
Hockt vor der Tur und flickt die alten Schuh’.
12 Alle meine Weisheit
Alle meine Weisheit hing in meinen Haaren,
Und all mein Wissen lag auf meinem roten Mund;
Alle meine Macht sass auf dem wasserklaren,
Ach, auf meiner Augen blauem, blauem Grund!
Hundert Schuler hingen an meinem weisen Munde
Und liessen sich von meinen klugen Locken fahn,
Hundert Knechte spahten nach meiner Augen Grunde
Und waren ihrem Winken und Blinken untertan.
Nun hangt totenstill das Haar mir armem Weibe,
Wie auf dem Meer ein Segel, wenn keine Luft sich regt,
Und einsam pocht mein Herz in dem verlassnen Leibe,
Wie eine Kuckucksuhr in leerer Kammer schlagt!