Der Zurchersee
Schon ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht
Auf die Fluren verstreut, schoner ein froh Gesicht,
Das den groben Gedanken
Deiner Schopfung noch Einmal denkt.
Von des schimmernden Sees Traubengestaden her,
Oder, flohest du schon wieder zum Himmel auf,
Komm in rothendem Strale
Auf dem Flugel der Abendluft,
Komm, und lehre mein Lied jugendlich heiter seyn,
Sube Freude, wie du! gleich dem beseelteren
Schnellen Jauchzen des Junglings,
Sanft, der fuhlenden Fanny gleich.
Schon lag hinter uns weit Uto, an dessen Fub
Zurch in ruhigem Thal freye Bewohner nahrt;
Schon war manches Gebirge
Voll von Reben vorbeygeflohn.
Jetzt entwolkte sich fern silberner Alpen Hoh,
Und der Junglinge Herz schlug schon empfindender,
Schon verrieth es beredter
Sich der schonen Begleiterin.
“Hallers Doris”, die sang, selber des Liedes werth,
Hirzels Daphne, den Kleist innig wie Gleimen liebt;
Und wir Junglinge sangen,
Und empfanden, wie Hagedorn.
Jetzo nahm uns die Au in die beschattenden
Kuhlen Arme des Walds, welcher die Insel kront;
Da, da kamest du, Freude!
Volles Mabes auf uns herab!
Gottin Freude, du selbst! dich, wir empfanden dich!
Ja, du warest es selbst, Schwester der Menschlichkeit,
Deiner Unschuld Gespielin,
Die sich uber uns ganz ergob!
Sub ist, frohlicher Lenz, deiner Begeistrung Hauch,
Wenn die Flur dich gebiert, wenn sich dein Odem sanft
In der Junglinge Herzen,
Und die Herzen der Madchen giebt.
Ach du machst das Gefuhl siegend, es steigt durch dich
Jede bluhende Brust schoner, und bebender,
Lauter redet der Liebe
Nun entzauberter Mund durch dich!
Lieblich winket der Wein, wenn er Empfindungen,
Bebre sanftere Lust, wenn er Gedanken winkt,
Im sokratischen Becher
Von der thauenden Ros’ umkranzt;
Wenn er dringt bis ins Herz, und zu Entschliebungen,
Die der Saufer verkennt, jeden Gedanken weckt,
Wenn er lehret verachten,
Was nicht wurdig des Weisen ist.
Reizvoll klinget des Ruhms lockender Silberton
In das schlagende Herz, und die Unsterblichkeit
Ist ein grober Gedanke,
Ist des Schweisses der Edlen werth!
Durch der Lieder Gewalt, bey der Urenkelin
Sohn und Tochter noch seyn; mit der Entzuckung Ton
Oft beym Namen genennet,
Oft gerufen vom Grabe her,
Dann ihr sanfteres Herz bilden, und, Liebe, dich,
Fromme Tugend, dich auch gieben ins sanfte Herz,
Ist, beym Himmel! nicht wenig!
Ist des Schweisses der Edlen werth!
Aber suber ist noch, schoner und reizender,
In dem Arme des Freunds wissen ein Freund zu seyn!
So das Leben genieben,
Nicht unwurdig der Ewigkeit!
Treuer Zartlichkeit voll, in den Umschattungen,
In den Luften des Walds, und mit gesenktem Blick
Auf die silberne Welle,
That ich schweigend den frommen Wunsch:
Waret ihr auch bey uns, die ihr mich ferne liebt,
In des Vaterlands Schoob einsam von mir verstreut,
Die in seligen Stunden
Meine suchende Seele fand;
O so bauten wir hier Hutten der Freundschaft uns!
Ewig wohnten wir hier, ewig! Der Schattenwald
Wandelt’ uns sich in Tempe,
Jenes Thal in Elysium!