Fruhling und Schicksal
Das Fest ist aus. Ich bringe dich nach Hause.
Wie dunkel ist der Himmel. Seine Sterne,
Verschleiert, scheinen stumpf und flimmerlos,
Als waren sie aus Messing angelotet.
Wir biegen ein in einen Fahrweg, der
Mit starren, machtigen Ulmen eingefabt ist.
Links liegt ein weites Blachfeld ausgebreitet,
Durch das ein langer Guterzug sich qualt;
Signallaternen schwenkt ein Weichensteller.
Rechts, kaum erkennbar, schlafen kleine Hauser,
Von Arbeitern bewohnt. Aus schlanken Schloten
Zieht sich ein trager grauer Rauch nach Osten,
Mohnblaue Flammen lecken aus den Öfen.
Fabrikgebaude stehen ringsherum,
Aus denen Hammerschlag und Kolbenstobe
Ihr hartes Pflichtgerausch der Welt verkunden.
Friert dich? Du schmiegst dich frostelnd an mich an.
Ich halte dich und fuhl dein warmes Herz.
Wir gehen langsam unsre Strabe fort.
Zuweilen beugt sie ihre Stirn zuruck,
Dab die ergebungsvollen schwarzen Augen
Durch Astwerk und Gezweig nach oben sehn.
Sie spricht kein Wort. Die Hand doch drangt mich schwach,
Wenn ich zu sturmisch meine Liebe zeige.
So unter Wehren und Gewahren, sind
Wir endlich an der Villa angekommen.
Zwei Leonberger, rechts und links der Pforte,
Haben sich hinterm Riegel aufgerichtet,
Die Vorderpfoten an die Stabe stutzend.
Die Schweife wedeln, weil sie beide wissen,
Dab ihre Herrin ungefahrdet ist.
Auf morgen? Ja. Ein letzter Kub. Allein.
Zur Ruhe jetzt? Um Gotteswillen: nein!
So schlendr’ ich in die kuhle Dammerung.
Schon labt das Zwielicht einzelnes erkennen:
An jedem Grashalm wuchtet dicker Tau,
Auf Wiesen weilt der Nebel, und im Nebel
Mault mit geklemmtem Schwanz ein feister Schimmel,
Der sich frostmude nach dem Stalle wunscht.
Nun treten bunte Farben aus dem Grau:
Ein rotes Tulpenbeet in einem Garten,
Das erste zarte, helle Grun der Linden,
Des ubervollen Faulbaums weibe Trauben,
Die gelbe Butterblume an den Graben,
Und stahlblau, eisig sturt ein kleiner Teich.
Ich nehme meinen Weg den Hugel aufwarts,
Und ruhe, Atem schopfend, auf der Hohe:
Tief unter mir die schwere, reiche Marsch,
Unubersehbar Feld an Feld geteilt.
Die Birken um mich sind voll Vogellarm.
Zwei Fohrenwaldchen stehn nicht weit von mir,
Wie heilige Haine, die der Opfer warten,
Wo welke Liebeskranze in den Kronen,
Wo langstvergebne Ruhmeskranze rascheln.
In einem dieser Fohrenwaldchen kniet
Ein kaum erbluhtes, schon verbluhtes Madchen,
Und schmiegt die schmale Stirn dem Altarstein.
Dann heben ihre dunnen Ärmchen steil
Ein Bronzebecken voll von Wasserrosen,
Die sie der Gottin bringt. Ihr magrer Korper,
Zu schnell emporgeschossen, eckig, unschon,
Ist krumm, als hatt’ ihn ewige Last gedruckt
Und kummerliche Nahrung fruh entkraftet.
Aus ihrem Antlitz starrt: Verratne Treue?
Entsagung? Heimweh? Grauen vor dem Tag?
Im andern Fohrenwaldchen steht aufrecht
Ein Krieger, erzumschient, von dessen Helm
Ein langer Robhaarbusch entspringt; er halt
In den erhobnen Fausten eine Rustung
Von allerhochstem kunstlerischen Wert,
Die er im Kampfe seinem Feinde nahm.
Und diese Rustung weiht er seinem Herrn,
Ares, dem Herrn des Himmels und der Erde.
Und alles klart sich nun im blassen Schein.
Wie Marchenschlosser ragen da und dort
Aus Park und Buschen Gartenhauser auf,
Die meilenfern am Horizont hin liegen.
Der Morgen saugt die Nacht in seine Lungen,
Schweigend. Da klingt von einem Friedhof her,
Den nirgends meine Blicke finden konnen,
Choralmusik. Wenn ich einmal mub scheiden.
Mir ist, als stande ich nach grober Schlacht
Inmitten zwischen Leichen, zwischen Trummern,
Und eine Siegerin geht die Sonne auf.
Ihr erstes Licht fullt eine Blutbuche,
Durchgluht sie, heftet sich an jedes Blatt;
Wie Kesselkupfer gleibt der rote Baum.