Prolog zum Solimann
Von allen Sterblichen die diesen Erdenball
Zum Schauplatz ihrer Thorheit machen,
Und zum beweinen viel, doch zehnmal mehr zum lachen
Uns geben, ist sonder Streit ein Mann, dem ein Serall
Zu Diensten steht, das stolzeste Geschopf.
Ein Sultan! – in der That, es ist ihm zu verzeihn,
Was ihn umgiebt ist Sclav; nur er – nur er allein
Darf, was er will, und zieht die armen Tropfe
Wie Marionetten am Drat. Er winkt – so fliegen die Kopfe
Von Bassen und Grobvezieren, wie weggeblasen, herab.
Und, dab er fahig sey, durch einen schonen
Geliebten Kopf, sein Heer im Nothfall zu versohnen,
Ist eine Heldenthat, von welcher an Irenen
Der zweyte Mahomet das schwarze Beyspiel gab.
Mich daurt die Nymphe, mich, die einem solchen Mann
Verurtheilt ist im kalten Arm zu liegen;
So einem Mann, der zu einer Dame Vergnugen
So wenig und so viel zu ihrem Ungluck kann;
Der unter hundert Schonen, die Aug und Herz entzucken,
Sein Herz vertheilt, – und Himmel! welch ein Herz! –
Ein Herz, das Eine zu entzucken,
Zu wenig ist. Nun denket euch den Schmerz,
Die Qual, verdammt zu seyn, den Blicken
Von einem solchen Mann zur Augenweide blob
Zu dienen, ewig sich zu baden und zu schmucken,
Damit er euch, kommts hoch! auf seinen Schoob
Zu setzen wurdigt, euch die weiben Schultern zu streicheln
Die Gnade thut, und seinen stachlichten Bart
An euren Wangen reibt. – Und ihm noch gar zu schmeicheln! –
Zu buhlen um seinen Blick! – Entzuckungen zu heucheln! –
O Amor, und ihr Schutzgeister der Schonheit alle, bewahrt
Ein jedes reizendes Kind vor Diensten dieser Art!
An Solimann, mit dem wir euch heut unterhalten
Stellt’ uns Herr Marmontel, der Favarts Muster war,
Das achte Bild von einem Sultan dar.
Nicht von den murrischen zwar,
Den erschopften Alten und Kalten,
Die eine Venus selbst nicht mehr begeistern kann;
Dieb ist sein Fehler nicht – nur stolz ist Solimann.
Er ist gewohnt, dab ihm die Herzen entgegen fliegen;
So wie er kommt und sieht will er als Casar siegen,
Und seiner Ungeduld heibt jeder Widerstand
Ein Hochverrath – allein – den kleineren Sultanen
Zum warnenden Exempel – fand
Der Stolze doch zuletzt seinen Herrn in Roxelanen.
Wie schon, wie glorreich racht
Ihr reizendere Muthwill’ an ihm das weibliche Geschlecht!
Verzeihet ihm und mir, ihr Herren der Schopfung! wir zollen
Euch den Tribut der euch gebuhrt;
Dab ihr mit gutem Fug die weite Welt regiert,
Erkennen wir in Demuth, wie wir sollen;
Doch wer regieret euch? – Die Antwort bleibt zuruck?
Bedarf es wohl sie muhsam zu ergrunden? –
Wir lesen sie in eurem Blick,
Und ihr – ihr werdet sie in eurem Herzen finden!
Nur noch ein Wort! Ihr Gonner unsrer Kunst!
Thalie hoffet nicht, sucht nicht in eurer Gunst
Durch Schmeicheleyn sich einzustehlen.
Ihr schatzt Verdienste nur – doch wann uns diese fehlen –
So moge wenigstens das eyfrigste Bemuhn
Euch zu vergnugen, uns den Weg zu eurem Beyfall bahnen,
Und heibt das Schicksal uns aus euren Mauern ziehn,
So denkt mit Huld an Roxelanen!