Dab die Poesie am geschicktesten sey
Verfuhrte! deren schwachen Witz
Ein stolzer Wahn mit dicken Nebeln blendet,
Dab ihr der Musen hohen Sitz
Mit grober Thorheit schmaht, mit frechem Lastern schandet;
Genug getobt, genug geschwarmt!
Die Dichtkunst kommt, ihr altes Lob zu retten,
Das wir ihr fast entwendet hatten,
Seitdem an ihrer statt die Reimsucht blob gelarmt.
Sie kommt die rohe Welt zu lehren,
Wie sehr man schuldig sey ihr Wesen zu verehren.
Sie kommt! blickt auf! des Phobus Glanz
Umgiebt ihr Haupt, und scheint sie zu vergottern;
Ein ewig gruner Lorberkranz
Umzirkt die muntre Stirn, mit den geweihten Blattern.
Sie hat Minervens Rustung an,
Ein Seytenspiel in den gelehrten Handen;
Ein guldner Zaum hangt an den Lenden,
Der Herzen wilder Art mit Sanftmuth zahmen kann.
Man sieht zugleich, an beyden Seiten,
Die Gratien bereit, sie tanzend zu begleiten.
Ein huldreich-ernsthaft, heitres Licht
Belebt den Blick mit Stralen muntrer Jugend.
An Zugen gleicht ihr Angesicht,
Zum Theil der Wahrheit selbst, doch grobtenteils der Tugend.
Ihr frischer Schritt geht stark einher,
Ihr fluchtig Kleid ist zierlich aufgeschurzet;
Ihr weises Wort ist wohl gewurzet,
Den Ohren angenehm, an Nachdruck aber schwer.
Sie labt vor ihres Thrones Stuffen
Die Lastrer ihres Ruhms, und ihrer Sohne, ruffen.
Die Macht, womit sie vormals schon
Das wilde Volk der Thracier bezwungen;
Die Macht, womit ihr Zauberton
Bey Thebens Maurenbau durch Stein und Holz gedrungen;
Die Macht, wodurch der Barden Lied
Thuiskons Stamm zur Tapferkeit entflammet,
Daher der Trieb zur Freyheit stammet,
Der bis auf diesen Tag in deutschen Adern gluht:
Die soll allhier durch Proben zeigen,
Wie stark ihr Wesen sey ein menschlich Herz zu beugen.
Willkommen, theures Gotterkind!
Komm, zeige dich der ungerechten Erden,
Wo alle, die dir dienstbar sind,
Mit unverdientem Spott und Hab belohnet werden.
Komm, stutze dein verfallnes Reich,
Und schlage selbst der Feinde Bosheit nieder;
Die rohe Welt bedarf dein wieder:
Denn keiner Lehren Kraft kommt deinen Liedern gleich.
Komm! lab noch itzt an Fels und Thieren
Die alte Wundermacht der starken Seyten spuren.
Hier stutzt der Lastrer freche Schaar,
Ihr ganzer Schwarm empfindet Scham und Schrecken;
Nun wird es allen sonnenklar,
Die Dichtkunst durfe sich vor Tadlern nicht verstecken.
Sie zeigt ihr Antlitz ungescheut,
Und fodert nur auf kurze Frist ein Schweigen;
Sie weis sich liebreich zu bezeigen,
Ihr Wesen, Blick und Mund, ist voll Bescheidenheit:
Kein Rauschen scheint sie mehr zu storen,
Und alles ist geneigt ihr eifrig zuzuhoren.
So bald entschlief nicht Cerberus,
Als Orpheus dort die sanfte Leyer spielte;
So dab Kocytens Schwefelflub
Der Seyten Zauberkraft in seinen Wirbeln fuhlte;
So stark empfand nicht Plutons Reich,
Euridice, die Klagen deines Gatten;
Und selbst das Heer entzuckter Schatten
Kam noch bey weitem nicht den wilden Schaaren gleich,
Die hier der alten Wuth vergessen,
Als hatten sie bereits um Lethens Strom gesessen.
Sie spielt! O! welch ein reiner Ton,
Durchdringt sogleich die ganz verwohnten Ohren!
Der Haufe schweigt, als hatt er schon
Den ungereimten Hab der edlen Kunst verschworen.
Man sieht der Finger Helfenbein
Mit neuer Kunst die Silbertone ziehen;
Ja von den suben Melodien
Scheint jeder, der sie hort, ganz auber sich zu seyn.
Der Wind beginnt sich selbst zu legen,
Und alles Laub vergibt sein lispelndes Bewegen.
Sie ruht. Das Vorspiel endet sich;
Sie regt den Mund, und hebt nun an zu singen.
O grobe Gottinn! starke mich,
Was ich von dir gehort, mit Nachdruck vorzubringen.
Erhebe meines Geistes Kraft,
Und lehre mich dein himmlisch Lied erzahlen;
Lab mich kein einzig Wort verfehlen,
Und schenke mir dabey die seltne Wissenschaft,
Dein Wesen selbst in allen Stucken,
So edel als es ist, vollkommen auszudrucken.
Ein Wink verleiht mir Geist und Muth,
Ich fuhle schon, dab mir die Adern schwellen;
Ein gottlich Feuer regt mein Blut,
Der weisen Spruche Pracht recht lebhaft vorzustellen.
Wie jener Nymphe lauter Mund,
Die sich vor Gram in Luft und Schall verwandelt,
In jedem Nachruff treulich handelt;
Denn der thut jedes Wort und jede Sylbe kund:
So soll das Lied, das ich vernommen,
Getreu und unverfalscht von meinen Lippen kommen.
Edle Sohne der Natur,
Burger der begluckten Erde!
Gonnt mir doch die Freude nur,
Dab ich euch bekannter werde.
Ihr, der Gottheit Meisterstucke,
Himmelskinder, hort mir zu!
Kluges Volk, was zagest du?
Komm und schatz einmal dein Glucke,
Das des Hochsten Huld und Macht
Dir auf Erden zugedacht.
Blicke dich doch selber an,
Prinz und Haupt belebter Dinge!
Alles, was man schatzen kann,
Ist bey deinem Werth geringe.
Sind nicht deines Korpers Glieder
Stark, geschickt und dauerhaft?
Schlagst du nicht, durch Muth und Kraft,
Auch der Lowen Starke nieder?
Weichet wohl das schonste Thier
An Gestalt und Ansehn dir?
Schaue, wie sich Haupt und Glied,
Fleisch und Bein so kunstlich fugen;
Wie sich Flachs und Sehne zieht,
Wie die vollen Musculn liegen?
Gieb auf deiner Adern Menge,
Und des Blutes Kreislauf acht.
Den das Herz mit reger Macht,
Durch sein spritzendes Gedrange,
In die kleinsten Fasern treibt,
Dab kein Punktchen saftlos bleibt.
Schaue deiner Sinnen Zahl;
Die aus dem Gehirne stammen;
Stimmt nicht alles allemal
Mit dem ganzen Bau zusammen?
Deiner Augen runde Holen
Fullt Krystall und Wasser aus;
Und dieb dunkle Bilderhaus
Wirkt bis in den Sitz der Seelen,
Die, was auber ihr geschieht
Durch gespannte Nerven sieht.
Schaue ferner mit Verstand
Auch die Gange deiner Ohren;
O wie viel wird dir bekannt,
Durch dieb Paar von offnen Thoren!
Die gewundnen Schneckenrohren
Fuhren bis zum Labyrinth,
Wo die zarten Knorpel sind,
Als das Werkzeug recht zu horen:
Wenn der Schall die Trummel schlagt,
Und die straffen Nerven regt.
Dieser Sinnen edles Paar
Lehrt den Geist vernunftig werden:
Jener stellt dir alles dar,
Himmel, Wolken, Meer und Erden;
Dieser hilft dir deutlich denken,
Wenn der Ton, den du gehort,
Dich der Bilder Namen lehrt,
Und die Zunge weis zu lenken;
Dab sie dem, der dich befragt,
Mit Vernunft die Antwort sagt.
Sage, Mensch, wer schuff dich so?
Stammst du aus der Baume Rinden?
Wuchsest du, wie Heu und Stroh,
Auf den Bergen, in den Grunden?
Hat ein Zufall dich gebohren,
Dem es blindlings einst gegluckt?
Wer hat ihm sein Ziel verruckt,
Dab er itzt die Kraft verlohren?
Warum bringt er Schilf und Rohr,
Menschen, niemals mehr hervor?
Nein, unendlich weise Macht!
Hier erkennt man deine Starke;
Nur dein Rath und Vorbedacht
Schafft dergleichen Wunderwerke.
Deiner Weisheit lichte Spuren
Zeiget jedes Kraut und Blatt;
Alles, was das Leben hat,
Die verachtlichsten Naturen
Preisen dich, du hochste Kraft!
Weil dein Odem alles schafft.
Zwar ihr Menschen spurt sie nicht,
Denn sie wirkt mit stillen Handen;
Ihrer Gottheit Glanz und Licht
Wurd ein sterblich Auge blenden:
Aber hort nur in den Luften,
Wenn des Donners Stimme brullt,
Und die See von Sturmen schwillt;
Hort den Abgrund in den Kluften,
Wenn der Schlund der Berge raucht,
Dampf und Flammen von sich haucht.
Hebet Haupt und Augen auf,
Seht und mebt des Himmels Ferne;
Rechnet den gekrummten Lauf
Halbbestralter Wandelsterne;
Mebt des Sonnenwirbels Granzen,
Dessen Mittel Flammen hegt,
Dessen Glut den Luftraum regt,
Dessen Stralen ewig glanzen;
Dessen Lichtquell weit und breit
Millionen Blitze streut.
Funfzehn Kugeln schopfen hier
Kraft, Bewegung, Geist und Leben;
Welchen Gott nicht minder Zier,
Als dem Erdball selbst gegeben.
Sechzehn grob und kleinen Erden
Giebt die Sonne Warm und Licht:
Wie viel Welten mussen nicht
Dort noch umgewalzet werden,
Wo der Sterne blaues Feld
Tausend Sonnen in sich halt!
Ey! was tausend? Zehnmal noch,
Hundertmal soviel genommen!
Gleichwohl wird die Anzahl doch
Nicht zu rechter Grobe kommen.
Und wo bleibt der Volker Grauen,
Der Kometen truber Stral?
Den der Menschen grobte Zahl
Sonder Furcht nicht pflegt zu schauen;
Weil ihr Schweif, der sie erschreckt,
Fast den halben Himmel deckt.
Alles dieb ist wunderbar,
Unbegreiflich grob zu nennen.
Steigt ihr tiefer? Auch alldar
Labt der Schopfer sich erkennen.
Wieviel Segen und Gedeyen
Schickt er euch von oben her?
Mub euch nicht der Wolken Meer
Die geschmolznen Perlen streuen;
Deren nasse Kostbarkeit
Auen, Berg und Thal erfreut.
Hier dient alles euch zur Lust,
Land und Wasser, Wild und Fische;
Wald und Garten labt die Brust,
Luft und Abgrund fullt die Tische.
Schenkt der Purpur schwerer Reben
Euch nicht suben Necktar ein?
Und was ist wohl so gemein
Als was Feld und Fluren geben?
Deren fetter Ueberflub
Euch zur Wollust dienen mub.
Seht! Gott winkt, und dieb geschieht;
Hort! Er spricht, und alles bebet:
Er ists werth, dab ein Gemuth
Sich entzuckt zu Ihm erhebet.
O! so schwingt euch in Gedanken,
Ueber Welt und Sonnen hin;
Und vergnugt den scharfen Sinn
Auber aller Himmel Schranken,
Wo der Gott, der euch gemacht,
Noch fur eure Wohlfahrt wacht.
Ja, Er sorgt fur alle Welt,
Mit den zartsten Vatersinnen;
Alles, was Sein Arm erhalt,
Soll Ihm euer Herz gewinnen.
Tausend Schatze sind euch eigen,
Die der schwangre Boden tragt,
Die der Schoob der Erden hegt,
Die der Berge Spitze zeugen:
Alles, alles das zugleich
Gonnt und giebt und schenkt Er euch.
Und was fodert Er dafur?
Nichts als dankerfullte Zungen:
Und vieleicht gesteht ihr mir,
Eure Brust sey schon durchdrungen!
Ja, ich seh, ihr brennt vor Liebe,
Gegen eures Schopfers Huld:
Auf, entrichtet eure Schuld,
Auf, erfullt die frommen Triebe!
Weiht anstatt der Opfer Brand,
Ihm nur Tugend und Verstand.
Thut ihr dieb so zeigt euch auch
Als die redlichsten Gemuther;
Folgt nur euers Herrschers Brauch,
Theilt mit andern eure Guter.
Liebe, Wohlthun und Erbarmen
Macht die Welt zum Himmelreich,
Macht euch selbst der Gottheit gleich;
Drum versorgt und pflegt die Armen:
Dieses ists was Gott gebeut,
Kurz, die schonste Dankbarkeit.
Dann verbannt der Sorgen Heer,
Durch ein tagliches Vergnugen;
Macht euch nicht das Leben schwer,
Labt den Kummer niemals siegen,
Singt und spielet, scherzt und lachet,
Ebt und trinket, lebt und liebt;
Nehmt, was euch die Vorsicht giebt,
Die euch nichts zur Qual gemachet;
Die des Erdballs Zweck und Frucht
Blob in eurem Glucke sucht.
Sie bedarf des allen nicht,
Was ihr starkes Wort bereitet.
Euch zu gut, hat sie das Licht
Durch den Weltraum ausgebreitet;
Euch zu gut, gab sie der Erden
Gras und Krauter, Baum und Thier;
Euch zum Nutz und euch zur Zier,
Schuff sie zahm und wilde Heerden;
Seide, Gold und Edelstein
Soll nur euch zum Zierrath seyn.
Zwar ihr alle konnt zugleich
Alle Guter nicht erlangen:
Doch ein jeder unter euch
Hat sein reiches Maab empfangen.
Keinem kanns in allem glucken;
Dem fehlts dort, und diesem hier,
Allen was, und manches dir;
Niemand darbt in allen Stucken.
Aller Reichthum hat sein Ziel;
Doch hat auch der Aermste viel.
Mochtet ihr nur mit Verstand,
Eurer Guter Frucht genieben!
Jede Stadt, und jedes Land
Wurd euch voller Segen flieben.
Sucht nur Stolz und Geiz zu meiden,
Die mehr wunschen, als man braucht;
Deren Stirn von Sorgen raucht,
Aber nie von suben Freuden.
So konnt ihr vor Gram und Pein
Lebenslang gesichert seyn.
Kommt, ihr Schuler meiner Kunst!
Kommt mit euren edlen Werken;
Auf! zertrennt der Thorheit Dunst,
Helft Vernunft und Tugend starken.
Soll man eure Lieder ehren;
Macht der Welt die Weisheit leicht!
Denn so wird der Zweck erreicht,
Freude, Gluck und Lust zu mehren;
Eine Lust, die jedermann
Unschuldvoll genieben kann.
Flieht, ihr andern, jene Brut,
Die den Reim mit Lastern nahret,
Stets der Tugend Abbruch thut,
Und die Welt noch mehr verkehret.
Seht, sie streut mit frechen Handen
Auch der Bosheit Weihrauch hin:
Denn der nichtigste Gewinn
Reizt sie, meinen Ruhm zu schanden.
Lebe wohl, und hute dich,
Edles Volk! Nun kennst du mich.
Hier schwieg die Gottinn und verschwand,
Die ganze Schaar befiel ein banges Sehnen;
Der Schmerz, den jede Brust empfand,
Zerflob aus Zartlichkeit in heibe Freudenthranen!
Ach! seufzte man, ach Lehrerinn!
O mochtest du doch ewig bey uns bleiben!
Du wurdest unsern Gram verteiben,
Dein weiser Unterricht nahm alle Thorheit hin.
Die Laster wurden bald verschwinden,
Die Weisheit wurde selbst mehr treue Schuler rinden.
Die Menge geht geruhrt zuruck,
Sie will nunmehr nach solcher Vorschrift handeln.
Ein jeder uberlegt sein Gluck,
Und will hinfort vergnugt nach neuen Regeln wandeln.
Man nimmt des Hochsten Fugung an,
Geniebt mit Lust, was ihm ihr Schlub beschieden,
Stellt sich mit wenigem zufrieden,
Und wunschet nicht einmal, was man nicht haben kann;
Verwirft sogar die schnoden Schriften,
Die zu der Dichtkunst Schimpf nur Schand und Laster stiften.
Ihr Dichter! folgt den Spuren nach,
Die Mosis Lied so stark und feurig machten,
Durch Israels gerochne Schmach,
Deborens Lobgesang zu solcher Hohe brachten.
Labt uns ein ruhrend Psalterlied,
Nach Davids Art, durch Geist und Kraft entzucken;
Bemuht euch, geistreich auszudrucken,
Was Gottes Macht erhebt, und Herzen zu ihm zieht:
Ja schreckt bey Sodoms Lasterpfutzen,
Die allzusichre Welt mit Schwefel, Stral und Blitzen.
Wie wird mir? Welch verklarter Held
Senkt sich allhier aus den gestirnten Hohen;
Ach! Luthers Geist besucht die Welt,
Und eilt, mir eifersvoll als Zeuge beyzustehen.
Recht! ruft er, ich habs auch gespurt;
Die Dichtkunst hat des Glaubens Schimpf gerachet,
Des Hollenfursten Grimm geschwachet,
Die Wahrheit fortgepflanzt, das Volk zu Gott gefuhrt.
Ein Lied, so ich die Kirche lehrte,
That mehr, als Stal und Glut, womit man Zion storte.
Ja, theurer Mann! so haben Dir
Auch Dach und Rist, und Gerhard nachgesungen;
Wenn sich vor brennender Begier
Die Andacht oft entzuckt zu Gottes Thron geschwungen.
Wie feurig ist der Tugend Trieb,
Durch ihren Reiz, in mancher Brust entglommen:
Wie hat die Thorheit abgenommen,
Seit manches Dichters Kiel in gleicher Absicht schrieb.
Wie wird die Tugend kunftig steigen,
Dafern wir mehr und mehr ihr reizend Wesen zeigen?
O! was fur Heil und Wohlfahrt bluht!
O! was fur Lust beherrscht den Kreis der Erden!
Wohin ein witzig Auge sieht,
Da scheint die ganze Welt ein Paradies zu werden.
Es scheint nicht nur; sie wirds auch seyn,
Wenn fernerhin die Dichtkunst Weisheit lehret.
Ihr Bruder! die ihr beydes ehret,
Kommt, stimmt mit eurer Gottinn ein:
So wird es euch vieleicht gelingen,
Die Unart boser Zeit dereinst zurecht zu bringen.