Auf die in Leipzig im April des 1733 Jahres angenommene Erbhuldigung
Die Nacht ist hin, der Tag bricht an!
O Sachsen, auf aus deinem Schlummer!
Vergib, was dich betruben kann,
Und fasse dich nunmehr nach herbem Gram und Kummer.
Was weinst du doch um deinen Held,
August, die Lust der halben Welt,
Den du, so wie es schien, vor kurzer Zeit verlohren?
Getrost! du irrst. Er lebet noch!
Er lebt! ach jauchze, jauchze doch!
Und zeigt sich nur verjungt und gleichsam neu gebohren.
Wie eine zarte Braut erwacht,
Wenn sie des Liebsten Stimme horet,
Nachdem der Hochzeitkerzen Pracht
Ein trauriges Gerucht von seiner Gruft gestoret;
Sie rafft sich auf, und sieht umher,
Und horcht besturzt, und zweifelt sehr,
Ob irgend sie dabey ein suber Traum betrogen;
Doch endlich glaubt sie, was sie sieht,
Und weil ihr Gluck nun wieder bluht,
So wird im Augenblick der Brautschmuck angezogen:
So seh ich Sachsens matten Blick
Auf einmal hell und munter werden.
Der blobe Ruf von solchem Gluck,
Gesetzt, er ware falsch, erweckt es aus der Erden.
Wie? heibt sein Wort: Was? lebt August?
Lebt Friedrich, seiner Lander Lust?
Wer spottet meines Grams, und trostet mich zum Hohne?
Es ist unmoglich! – – Sachsen, nein!
Man tauscht dich nicht; dein Wunsch trifft ein:
Denn Friedrich August lebt wahrhaftig in dem Sohne.
Dort kommt ja dein erwunschtes Haupt,
Dein theurer Churfurst, unsre Freude.
Was hat dir nun der Tod geraubt?
Und warum gehst du noch, so wie bisher, im Leide?
Sieh doch sein holdes Angesicht!
Sieh, seiner Augen heitres Licht
Erweckt ja jeder Brust ein wallendes Vergnugen.
Ein jeder dringt vor seinen Thron,
Und will dem groben Konigssohn,
Wie seinem Vater sonst, entzuckt zu Fuben liegen.
Doch nein! das lieb August nicht zu,
Der wollte nichts von Sklaven wissen:
Ein gleiches, Herr! bezeigest du,
Du reichest blob die Hand, nur diese darf man kussen.
So sieht mans, wem du ahnlich bist;
So braucht es weder Kunst noch List,
Des groben Vaters Art in deinem Thun zu finden.
Du bist ihm fast in allem gleich;
War er an Gnad und Weisheit reich,
So weist du beydes auch vollkommen zu verbinden.
Kaum legtest du die Kindheit hin,
So stund dein Herz nach edlen Sachen:
Denn Frankfurt lockte deinen Sinn,
Der deutschen Kaiser Wahl dir recht bekannt zu machen.
Du sahst sie an; doch da Paris
In seinem Ludwig vieles wies,
Was Fursten vor der Welt zum hochsten Ruhm erhebet:
So war der Weg dir nicht zu weit,
Vielmehr hat deine Munterkeit
Dem Gipfel wahrer Hoh begierig nachgestrebet.
Du sahst auch ferner Rom und Wien,
Das alt und neue Haupt der Erden:
Und alles das, mit dem Bemuhn,
Durch das, was du gesehn, ein weiser Furst zu werden.
Nicht fremder Volker Eitelkeit,
Nein, Staatskunst und Erfahrenheit
War, andrer Telemach! der Zweck von deinen Reisen:
Drum spurten auch die Lander schon,
Es wurde dieser Konigssohn
Der Welt einmal ein Bild vollkommner Fursten weisen.
Das Schrecken Achmets, Deutschlands Schutz,
Karl, welcher Temeswar bezwungen,
Und gar, dem Muselmann zu Trutz,
Bis in des Reiches Herz nach Belgrad eingedrungen;
Dieb grobe Haupt der Christenheit
Erblickte bald die Trefflichkeit,
Die Sachsens Churprinz schon in fruhen Jahren zeigte.
Er fand, und hat es oft erklart:
Ein solcher Prinz sey Kronen werth,
Der jedes Herz gewann, und alles zu sich neigte.
Doch dir ward auch dein Hers entfuhrt,
O Herr! als Amor dich gefangen;
Josepha hatte dich geruhrt,
Des Kaiserstammes Schmuck, dein einziges Verlangen.
Du zogst nach Sachsen zwar zuruck;
Doch drehte sich dein kluger Blick
Noch stets nach Oesterreichs und Wiens verlabnen Granzen.
So kehrt sich jener Wunderstein
Nach des entfernten Nordsterns Schein;
Gesetzt, er sieht ihn nicht bey hellem Tage glanzen.
Ihr Musen, denen nichts entfallt,
Was auch vor grauer Zeit geschehen:
O sagt, wie froh war unser Held,
Als seine Liebe drauf den Wunsch erfullt gesehen?
Beschreibt mir doch Josephens Pracht,
Und lehrt mich, was ihr Herz gedacht,
Als Friedrich August sie in Dresden aufgenommen;
Als sie aus Gassen, Volk und Stadt,
Aus Burg und Hof geschlossen hat,
Sie sey in Dresden fast zum Kaiserthron gekommen.
So war das grobe Band nun fest,
Das Sachsenland und Wien verbunden;
Das keine Zeit veralten labt,
Und das noch unverruckt des Himmels Huld empfunden.
Wie manchen Segen keuscher Brunst
Hat dir des Schicksals hochste Gunst,
In deinem Ehbett, Herr, nach Herzenswunsch verliehen!
Noch itzo grunt die Hoffnung schon:
Wie kann dein Stamm denn untergehn,
Da so viel Zweige schon vor deinen Augen bluhen!
Was zeigt sich fur ein Wunderbau?
Hat mich denn Phobus gar entzucket?
Was stellt sich fur ein Schlob zur Schau,
Dergleichen wahrlich Rom und Walschland kaum erblicket?
Wer zahlt der Fenster Menge hier?
Wer schatzt der stolzen Thore Zier?
Wer kann der Dacher Pracht, der Flugel Grobe nennen?
Wer lehrt mich alle Symmetrie,
Und was wir nach der Eurythmie,
Im Bauen, fur ein Werk der grobten Kunst erkennen?
O Hubertsburg! bist du es nicht
In deinen schattigten Gebuschen?
Ja ja, du bists, und mein Gesicht
Kann leichtlich deinen Bau mit Walschlands Pracht vermischen.
Ich seh dich zwischen Berg und Thal,
Mit stolzen Tannen ohne Zahl,
Mit Eichen edler Art und anderm Holz umringet.
Hier ist Dianens Reich und Sitz!
Allhier wohnt Echo, deren Witz
Dem Jager, wenn er blast, die Antwort zehnfach bringet.
Verliert sich doch das Auge ganz
In meilenlang durchschnittnen Waldern!
Da sieht man deiner Fenster Glanz,
Wenn Phobus sie bestralt, in weitentlegnen Feldern.
Man ruckt hinzu, man nahert sich,
Und jeder Schritt vergrobert dich,
Bis dich die Gegenwart in voller Schonheit weiset;
Bis dich durch den gespaltnen Wald,
Des Wildes grunen Aufenthalt,
Ein ferner Blick zuletzt auf langen Wegen preiset.
Mein Churfurst, dieb hat dein Verstand,
Dein grober Geist allein erfunden:
Allhier hat deine Meisterhand
Die Schonheit der Natur und jeder Kunst verbunden.
Dein Lustschlob ist der Jagd geweiht;
Doch deines Volkes Aemsigkeit
Hat seinen Fleib und Witz hier uberall gewiesen:
Hier hat kein Kunstler was versehn,
Und dadurch ist es langst geschehn,
Dab alle den Geschmack, womit du baust, gepriesen.
So bist du denn dem Vater gleich,
Der dir auch darinn vorgegangen:
Denn Bauen macht den Burger reich,
Und lockt die Fremden hin, wo solche Schlosser prangen:
O theurer Churfurst, fahre fort!
Es kostet dich ein einzig Wort,
Dein Sachsen ganz und gar zum Wunderwerk zu machen.
Vollfuhre der Gebaude Pracht,
Die selbst dein Vater ausgedacht,
So wird der Held in dir vor aller Welt erwachen.
Man eilt zur Jagd; dein Rob ist stolz,
Dich, Herr, ins freye Feld zu tragen;
Ein weites Garn umspannt das Holz,
Da will es Preis und Ruhm durch seinen Lauf erjagen.
Das Waldhorn tont, das Windspiel bellt,
Das Rohr geht los, das Wildpret fallt,
Oft sinkt ein matter Hirsch ganz athemlos zur Erden.
O Churfurst! diese Heldenlust
Mub billig deiner Furstenbrust
Der beste Zeitvertreib, nach Muh und Sorgfalt, werden.
Dieb war der alten Helden Brauch,
Die dampften Hydren und Chimaren!
So hetzte sonst Ulysses auch,
Im Jagen so geubt, als in der Weisheit Lehren.
So hat dort der Trojanerheld,
Carthago, durch dein flaches Feld,
Auf einem schnellen Gaul des Wildes Spur entdecket;
So ward auch Agamemnons Pfeil
Manch aufgespurtes Wild zu Theil,
Bevor er Troja noch in lichten Brand gestecket.
O! waren diese Helden doch
Bey solcher Furstenlust geblieben:
So stunden Priams Mauren noch;
So hatte Griechenland sich selbst nicht aufgerieben!
Was half sie ein so langer Krieg,
In dem der theurerkaufte Sieg,
Durch ganze Strome Bluts, ein geiles Weib errungen?
Weit besser ists, ein Thier bekampft,
Ein erimantisch Schwein gedampft;
Als voller Mordbegier ein feindlich Heer bezwungen.
Wenn wird das menschliche Geschlecht
Doch endlich seiner Wuth vergessen,
Und sich nach Billigkeit und Recht
Nicht nach der blinden Macht gestahlter Fauste messen?
Zuruck, ihr Furien, zuruck!
Verbergt nur euren finstern Blick
In des Avernus Pfuhl, und raumt den Kreis der Erden:
Irenens Gottheit zeigt sich schon,
Sie pflanzt sich unter uns den Thron,
Und ganz Europa soll ein Friedenstempel werden.
Sie bricht schon an, die guldne Zeit,
Da wir aus Schwertern Sicheln schmieden;
Wo keine Macht der andern draut,
Seit dem die Feder mehr, als sonst der Stahl entschieden.
Es weicht der Volker Barbarey;
Man liebt kein rohes Feldgeschrey,
Seit die Vernunft den Platz der Dummheit eingenommen.
So scheint es, dab dem Occident,
Der Gott den Gott des Friedens nennt,
Vor allem Blutdurst schon ein Ekel angekommen.
Zwar Waffen blinken uberall,
Doch nur zur Lust der Potentaten:
Man hort der Stucke Donnerknall,
Doch nur aus Frohlichkeit im Gluck vergnugter Staaten.
So wurdest du, o Herr! begrubt,
Als Leipzig, dessen Lust du bist,
Dich, als sein neues Haupt, mit reger Brust empfangen;
So hat des Burgers Rohr gekracht,
Als du ihn gnadig angelacht,
Und ihm vor Zartlichkeit die Augen ubergangen.
Sey, Herr! ein andrer Salomon,
So wie dein Wesen langst geschienen;
Denn Sachsens Gluck entspringt davon,
Wenn seine Kinder dir in Ruh und Friede dienen.
Irene macht die Volker grob,
Wenn Stadt und Land, dem Gluck im Schoob,
Den fetten Acker baut, den Handel eifrig treibet:
Indessen dab ein rustig Heer,
Bereit zu tapfrer Gegenwehr,
Zu voller Sicherheit in steter Uebung bleibet.
Wie ist mir denn? Und welch ein Ton
Entzuckt mich hier von ganzen Choren!
Labt irgend sich Latonens Sohn,
Mit den gelehrten Schwestern horen?
Ist Orpheus und Amphion da?
Ich irre nicht; sie sind es, ja!
Mann nennt sie nur nicht mehr mit den verjahrten Namen.
O susse Zauberharmonie!
Ach wubte dich die Poesie,
Ach wubte dich mein Mund in etwas nachzuahmen!
Ich bin in Dresden, ist mir recht,
In Friedrichs Augusts Hofcapelle.
Hier klang Arions Harfe schlecht,
Hier fand auch Heman selbst im Singen keine Stelle.
Was sag ich viel? Man fuhle nur,
Wie mir der Ton ins Herze fuhr;
Wie der mich bald erquickt, bald wieder halb entgeistert;
Wie der bald froh, bald traurig macht,
Den einen rasend aufgebracht,
Des andern reger Wuth sich durch den Schlaf bemeistert.
Hier, Churfurst, labt dein zartes Ohr
Des reifen Urtheils Starke spuren:
Nur solch ein auserlesnes Chor
Kann deinen edlen Geist durch Kunst und Anmuth ruhren.
So wie dort ein Pythagoras
Fruh morgens auf den Bergen sab.
Entzucket durch den Ton bewegter Himmelsspharen:
So mag auch deine weise Brust,
Im Gottesdienst und bey der Lust,
Nur das vollkommenste, des Himmels Vorschmack horen.
Ein gleiches liebt auch dein Gemahl,
Die Krone deutscher Prinzebinnen;
Vor ihres Urtheils kluger Wahl
Weis nichts verwerfliches den Beyfall zu gewinnen.
O Herr! was unsrer Lust gebricht,
Ist dieses, dab Josepha nicht,
Durch ihre Gegenwart, dein Leipzig auch beglucket:
Dab dieser Kaiserstochter Pracht,
Uns nicht in unsers Traurens Nacht,
Durch einen Gnadenblick vollkommner Huld erquicket.
Lab uns, o Vater! nachstens hier
Des Landes theure Mutter sehen!
Wir alle wollen mit Begier,
Fur sie und ihre Frucht des Himmels Huld erflehen.
Sie schmucket Sachsens Heldenhaus
Durch schone Prinzebinnen aus,
Durch ein erwunschtes Paar von Gott erbethner Prinzen.
Sie fahre fort! so wunscht das Land,
Und nennt dich, Herr, das Unterpfand
Des allgemeinen Heils der sachsischen Provinzen.