Lieder eines Sunders. 41. Licht den Lebendigen
Ich hab’ mich Jenen je und je gesellt,
Die, ausgestoЯen, nur des Tempels Stufen
Und nie das Allerheiligste betreten. . .
Umsonst erklingt ihr banges Hьlferufen,
Umsonst springt von den Lippen brьnstig Beten,
Umsonst ersteht auf ihnen – ja! – ein Held
Der sie aus ihrer Knechtschaft an das Licht
Der goldnen Freiheit fьhren will – ein Sieger:
Er fдllt im Kampf wie ein gemeiner Krieger –
Doch die Galeerenketten bricht er nicht! . . .
Er bricht den Fluch nicht, der auf ihnen liegt
Vom Anbeginn der Welt als ein VerhдngniЯ –
Das Leben ist fьr sie nur ein GefдngniЯ –
Sie sterben in der Tiefe – Keiner siegt!
Ich hab’ mich ihnen je und je gesellt:
Frommt dem Poeten denn – ich frag’ es dreist –
Ein ander Loos? – Wo sich in bangen Qualen
Um niegelцste Rдtsel mьht ein Geist;
Wo auf die Wangen, die verfallnen, fahlen,
Der Hunger seine Fingerspur geprдgt;
Wo sich in wildem Ingrimm eine Hand
Zur Faust zusammenballt, wo, stets verkannt,
Ein Mann im Innersten Empцrung hegt –
Empцrung gegen sie, die Kettenschmieder:
Da tret’ ich hin und singe meine Lieder –
Ja! Lieder, die ich nicht erkьnstelt und erdacht,
Die ich auf tiefstem Seelenschacht,
Aus meines Herzens Tiefe trug an’s Licht –
Und was ich nicht gefьhlt, das sing’ ich nicht! . .
Wohl soll des Sдngers Lied auf Wunden leise
Den Balsam legen! Von den Stirnen bannen
Soll es die Furchen, Thrдnen aus den Augen. . .
Doch giebt’s auch Lieder, die dazu nicht taugen:
Sie ragen trotzig wie die Wettertanne,
Sie zucken wie der Blitz mit loh’nden Zungen,
Sie hallen wie der Donner krachend hallt –
Sie singen von der Schergen Allgewalt,
Von Buben, die der Knechtschaft sich verdungen!
Sie singen eine einz’ge Weise nur:
Die Weise der Empцrung gen Despoten!
Sie flammen wild zusammen zu dem Schwur:
Licht den Lebendigen – die Nacht den Todten!