Lieder eines Sunders. 07. Mitternachts-Vision
Aus eines Weibes Armen komm’ ich her. . .
Hoch brennt mein Blut von seinen wilden Kьssen,
Noch zuckt mein Leib – noch flammen meine Pulse. .
Noch ist es mir, als lдg’ ich hingerissen
Von seiner Schцnheit bebend ihm zu FьЯen –
Als kьЯt’ ich noch der Glieder weiЯe Rundung –
Als kьЯt’ ich noch in wilder Brunst Gesundung!
Gesundung – ja! Vergessen traumverstrickt
Der steten Unrast, die sich festgekrallt
Um meine Seele. . . die sich festgesogen
Und mich nicht lдЯt, ob ich mich auch empцre –
Ob ich mich der despotischen Gewalt
Mit allen Krдften krampfhaft wehre!
Aus eines Weibes Armen komm’ ich her
Und stьrmischer als je wogt auf das Meer,
Das Nacht und Tag in meiner Seele flutet. . .
Phantastisch tьrmen sich die Wellenmassen –
Und plцtzlich reiЯt der Flor – einsam – verlassen
Fьhl’ ich auf einen Bergsitz mich enttragen.
Die Nebelgeister hцr’ ich um mich weben –
Und doch – und doch: in tausendfachem Sein
Hellt sich vor meinem Blick das Menschenleben!
Und wie die Seele zuckt und zittert, schlagen
Lohende Flammen auf – und ьberquollen
Von dieser Flammen dunkelblut’gem Lichte
Seh’ ich die groЯe Posse sich entrollen –
Schau’ ich in Einem alle Weltgeschichte!
Die Nebel flirren und die Flammen lecken –
Ich aber schaue sich durch Dunst und Glut
Ein ьbermenschlich BildniЯ recken. . .
Und Grausen schlдgt mich! . . . So zerfoltert sah –
So qualzerspalten nimmer noch des Heilands
Gesicht ich – wie er da auf Golgatha
Bluttriefend hдngt. . Und doch: ein Andrer ists,
Der sich mit des Gigantenleibes Wucht
An’s Riesenkreuz drьckt – nimmer jener blasse
Braunzarte Schwдrmer mit den nдcht’gen Augen. . .
Ein Andrer ist’s! . . Barmherz’ger Gott! . . Und auch
Von mir trдgt er in seinem Angesichte
Der Zьge manchen – und von Allen, die
Mein Auge sah bis heute – deren Antlitz
Mir die Erinn’rung wieder aufwдrts trдgt. . .
Hat noch die Creatur nicht abgebьЯt? . .
* * *
Unheimlich ist das Spiel – – unheimlich – wьst –
Und jetzt noch grauenhafter – und mein Blick
Erstarrt – verglast –
Es rast
In meinem Hirn bei dieser Fratzenjagd –
Bei diesem Marionettenspiel der Ewigkeit. . .
Wie die Gesichter durcheinander taumeln!
Wie alle Alter durcheinander wirbeln!
Wie Schцnheit sich mit HдЯlichkeit verknьpft –
Und wie die Menschheit vor der Wollust Grinsen
Wie ein gescheuchtes Reh entschlьpft!
Wer hat den Hцllenwirrwarr losgelassen?
Und welcher Dдmon hurt hier mit dem Elend
Der Menschheit? Will der SchooЯ des Himmels sich
Fьr eine Flammenlohe nicht erschlieЯen?
Die sich mit ihrer Arme roten Reifen
Um dieses Spukes Riesenglieder schlдnge?
Will sich kein Sturm aufrecken,
Um dies gemarterte Geschlecht
Mit aller Wьsten Sandstaub zuzudecken –
Ihm BuЯgesдnge
Vom allerletzten Todversцhnen
In’s Ohr zu drцhnen? . . .
Welch’ namenloses Weh! Ja! Jeder leidet!
Und Jeder muЯ sein Auge brechen lassen –
In Schmerzensschauern seinen Leib verrenken –
In Wahnsinnsfiebern seine Seele schinden. . .
Und Keiner – Keiner darf
Es sich ergrьbeln und erdenken:
Wer ihn auf diese fьrchterliche Folter warf!
Und hдngt die Creatur auch nur Sekunden –
Nur irdische Sekunden an dem Holze:
Die Qualen leidet sie von Ewigkeiten –
Von Ewigkeiten! . . .
Doch wer hat je
In seinem grenzenlosen Weh
Ach! dieses einen Wortes Sinn gefunden?
* * *
Aus eines Weibes Armen kam ich her –
Triumphe feierte die Sьnde. . .
Nun weiЯ ich nicht, wo ich Erbarmen finde –
Es ьberwдltigt mich der Schmerzen Meer. .