Lieder eines Sunders. 06. Nur ein Mensch
Ich stand auf sturmbestrichnem, granitnem Bergeshaupt,
Umbrьllt vom Eisorkane, von stechendem Schnee umstaubt –
Tief unter mir, umschlungen vom Nebelgewande der Nacht,
Lag Wahn und Menschenschicksal, lag Elend und Kronenpracht. . .
Lag all’ das wirre Suchen: die Pilgerfahrt zum Licht –
Lag all’ das ewige Irren: ein wьstes Hцllengedicht!
Lag gleiЯender Glanz und Entsagung – Gethsemane und Rom:
Dort wurmt sich ein armer Schwдrmer – hier schwillt der Lьste Strom!
Lag all’ die blцde Verblendung, die vor den Gцtzen kniet –
Lag all’ die feige Knechtschaft, die sich im Staube mьht,
Faulende Frьchte zu sammeln, lohender Brьnste voll –
Lag all’ die jдhe Verzweiflung – der heilige Rдchergroll! . .
Die Sclavenkette klirrte – ihr schneidender Ton verklang;
Die Schellenkappe tцnte – ihr lockend Gelдut versank –
Von bleichen Mдrtyrerlippen verwehte der letzte Schwur –
Im Schweigen der Bergeswьste verstummt die Creatur. .
Die einst mit flammenden Schwertern ьber den Erdball gebraust,
Die Babel-Dome gefestet mit blut’ger Despotenfaust –
Die ihre Cдsarenspuren mit ehernem MeiЯel gehauen,
Hier an den Felsenbrьsten zerfдllt das irdische Grauen,
Das sie heraufbeschworen im bangenden Menschenhirn –
Ihre Kronenscepter zersplittern an der steinernen Bergesstirn –
Und ihrer Allmacht Male zerbrцckeln wie mьrbe Spreu:
Das Schweigen der Felsenцde verschlingt den Siegerschrei. .
Im Schweigen der Bergeswьste verstummt die Creatur –
Hier lebt und atmet nur Eines: die unbefleckte Natur. .
Und mich durchdrang die Wollust, an dieser Felsenbrust
Mein Sьnderhaupt zu zerschmettern – all’ meine Erdenlust –
All’ meine Erdenduldung, von dieser GrцЯe zerdrьckt –
All’ meine Gramverschuldung, wiedergeburtsbeglьckt –
Wiedergeboren und enden: zum ersten Mal ein Held!
Ausatmen in diese WildniЯ meine kleine, dьrftige Welt!
Da kroch es heran, das Entsetzen, belastete mich wie Erz –
Und hдmmern spьrt’ ich mein armes, todbangendes Menschenherz:
Gemach kehrt’ ich zu Thal mich, nach Menschenspur hinab –
Bei Alltagsmьhen zu suchen nach meinem Alltagsgrab.
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