Українська та зарубіжна поезія

Вірші на українській мові






Verbannt

Gleichviel weshalb, ich bin’s, ich bin verbannt
Auf eine kleine, deichumrahmte Insel.
Weit liegt mein walddurchrauschtes Vaterland.
Hier schleicht und kriecht das Wattenmeergerinsel
Durch Schlick und Schlamm, ein schmutzig gelbes Band.
Poltert der Sturm nicht, norgelt Windgewinsel.
Ich seh die Sonne morgens Wasser trinken,
Und abends wieder in die Wogen sinken.

Der Reiher, dem das Nest zerschossen wird,
Er baut sich an im ersten besten Walde.
Der Fluchtling, der von Land zu Landern irrt,
Erreicht vielleicht noch eine grune Halde,
Wo sub und sanft die Friedenstaube girrt,
Und er die reichste Ruhe findet balde.
Verdammt bin ich auf dieses ode Eiland,
Ich gab mein Wort: Es ist fur mich kein Freiland.

Zwar hab ich sonst, was nur das Herz begehrt,
Zigarren, Bucher, Schreibpapier und Tinte.
Auch ist die Seehundjagd mir nicht verwehrt
Und was an Vogeln fliegt in meine Flinte.
Jedwede Woche kommt ein Schiff, beschwert
Mit Briefen, Packen, Zucker, Öl, Korinthe.
Erst gestern ab ich ein Diner von Pfordte,
Und, hinterher, von Kranzler ein Stuck Torte.

Wie mub, heimdenkend, oft am Deich ich lehnen,
Mir jedes ferne dunkle Punktchen buchend.
Gleich Iphigenie, mit endlosem Sehnen,
Das Land der Griechen mit der Seele suchend.
Kein Schiff in Sicht, nur rege weibe Mahnen,
Und ich entferne mich, den Tag verfluchend.
Es rotet die Erinnerung neuer Rost.
Ein letzter Blick aufs Meer und – ah, die Post:

Im Osten, weit, noch hinterm Horizonte,
Wenn dies Paradoxon vielleicht erlaubt ist,
Zeigt sich ein Rauch gleich einer Nebelfronte,
(Verzeihung fur das Wort, das sehr geschraubt ist.)
Doch naher, wie bestimmt ich sehen konnte,
Erscheint ein schwarzer Schornstein, der behaubt ist.
Und dauert auch noch Stunden seine Fahrt,
Bald liegt mein Schiff im Hafen wohlverwahrt.

Was bringt die Post, was kann sie alles bringen,
Trubsal und Trost, Freud’, Bettelbrief und Trauer.
Heut eine Nachricht, dab wir uberspringen
Im Jubelrausch die allerhochste Mauer.
Kann sein, dab morgen wir die Hande ringen,
Miblaunig sitzen wie der Kauz im Bauer.
Das erste ist die Prufung der Adressen,
Den lesen gleich wir, jenen nach dem Essen.

Es brachte mir die Post heut allerlei:
Die Rundschau, Magazin und Nord und Sud,
Kalugas Fahrt vom Ob zum Jenisei;
Dab mir zwei Fullen fielen im Gestut.
Ein Freundesbrief klang frisch und kummerfrei,
Ein andrer trostlos, trub und wegesmud.
Auch sandte mir ein Los Herr Lilienfeld
Mit sichrer Aussicht auf ein Heidengeld.

Ganz unten lag ein rosenrot Kouvert,
Mit Monogramm X. Z. und sieben Zinken.
Ich wubte, dab genannt er Adalbert,
Sie konnte mit dem Namen Laura blinken.
Essence d’Ixora war dem Brief Gefahrt’,
Ihr Handchen wollte mir entgegenwinken.
Ein Blatt zwar hab ich nur mit ihren Zugen:
“Die Eltern hatten heut gern das Vergnugen…”

Der Abend wurde mir verhangnisvoll,
Zu reizend war die kleine Baronesse.
Ich liebte bald wie rasend sie und toll,
Auch zeigte sie mir mehr als Politesse.
Doch wurde aus dem Dur-Akkord ein Moll,
Aus dunkeln Rosen bog sich die Zypresse.
Das Ganze zwangt sich in das Wort hinein
Aus Scheffels Lied: Es hat nicht sollen sein.

Ich glaubte glucklich sie mit ihrem Mann,
An den sie nun zehn Jahr’ gekettet war.
Aus ihren Zeilen, ach, erfuhr ich dann,
Wie schlecht das arme Weib gebettet war.
Dab ein Verschwender er und Haustyrann,
Aus dem Konkurse nichts gerettet war.
Wie herbe schrieb sie diese harte Prosa,
Und doch wie zart und vornehm und sub rosa.

Im Leben mag’s zum Schwersten wohl gehoren,
Aus Glanz und Reichtum plotzlich arm zu werden.
Wie mub es unser Innerstes emporen,
Wenn Hinz und Kunz wir sehn auf unsern Pferden,
Wenn Hinz und Kunz uns unser Heim zerstoren,
Den Rest uns nehmen, was uns lieb auf Erden.
Und dann, wenn alles auseinanderstiebt,
Den anzusehen, den wir einst geliebt.

Genug, genug. Wir alle danken Gott,
Wenn wir zur schnellen Hulfe Mittel haben.
Nahm wer, wir helfen auf und machen flott,
Im Lebenssteeplechase zu kurz den Graben,
Und lassen dann ihn ohne Hohn und Spott,
Und ohne viel zu fragen, weiter traben.
Punkt. Lack, so rot wie ‘n Krebs, ein gut gekochter.
Und in die Ture tritt Thay Thaysens Tochter.

Thay Thaysens hubsches achtzehnjahrig Kind
Mub mir den Tee bereiten, Kaffee kochen,
Flickt meine Wasche, starkt mich mit Absinth,
Will mich ein Hungermangel unterjochen.
Sie staubt den Schreibtisch ab, mein Kleiderspind,
Und dient mir so seit vierundzwanzig Wochen.
Entlassen mubt’ ich meinen Kammerdiener,
Ihm schmeckte gar zu schon mein Benediktiner.

Thay Thaysen ist mein Hausvogt, Moikens Vater.
Er lehrte fruh sie jede Fischerregel.
Beim Krabbenfangen ist er Schlickdurchwater,
Wie er hantiert auch sie mit Seil und Segel.
Was immer fur sie tun er konnte, “tat er”,
Doch las er nicht mit ihr Horaz und Hegel.
Fur meine Einsamkeit ganz wie geschaffen,
Mubt’ ich in Moiken mahlich mich vergaffen.

Ich liebe sehr die kuhne Reigerbeize,
Zur Seiten einer wunderholden Frau.
Dornhecken uber ohne viel Gespreize,
Hep! uber Graben, Hurd’, Verhack, Verhau.
Das alles hat ja ganz besondre Reize:
Die schone Frau, die Falken, Himmelsblau.
Zum Wechsel doch einmal in vollen Zugen
Ein Fischermadel lieben, macht Vergnugen.

Komm ich vom Entenschieben mud’ zuruck,
Eilt Moiken auf der Werfte mir entgegen,
Nimmt mir das Jagdgerat ab, Stuck fur Stuck,
Um dann die Jagersuppe vorzulegen.
Aus allen Ecken lacht mich an das Gluck,
Ich mub das Madchen still am Herzen hegen.
Mit Halligblumchen schmuck ich ihr die Brust,
Die Blumen kub ich dann nach Herzenslust.

Wir plaudern abends haufig am Kamin,
Moiken erzahlt mir Inselmarchen, Sagen,
Ich ihr von Wien, Turin, Dublin, Berlin,
Sie wieder mir von Flut und Sturmestagen.
Erschreckt stutzt sie die Handchen auf die Knie,
Meld ich von Schlacht und wildem Rossesjagen.
Zuweilen les ich ihr Gedichte vor,
Doch hort sie lieber von der Garde du Corps.

Wie reizend ist’s, bestaunt sie meine Sachen,
Denn alles ist ihr neu noch und ein Wunder.
Sie sah bisher nur Netz und Fischernachen,
Den Seehund, Flut und Ebbe, Dorsch und Flunder.
Wie freut sie sich, wie lieblich ist ihr Lachen,
Schenk ich ein Stuckchen ihr von all dem Plunder.
Von Buchern liebt sie nur die schonen Bande,
Und labt von alten Trostern gern die Hande.

Mein Platen ist zum Beispiel gut gebunden,
Den hat sie sich zum Lesen auserkoren.
Neulich hab ich im Grafen sie gefunden,
Mit ihren Fingern schlob sie sich die Ohren.
Doch schien ihr die Lekture nicht zu munden,
Wahrscheinlich ging der Faden ihr verloren.
Hier, Moiken, hier, nimm: Hannchen und die Kuchlein.
Das ist fur dich ein allerliebstes Buchlein.

Wie schatz ich Platen, seine Prachtsonette,
Wie dank ich Geibel, dab sein schonstes Lied
Ihn feiert: Wundervoll sind die Terzette,
Durch die sein roter Zornesfaden zieht.
Platens Balladen sind zwar sehr honette,
Doch ohne Funkelfeuer, Kolorit.
Bei Burger, Strachwitz, Uhland, Dahn, Fontane,
Wie scheint und schimmert die Balladenfahne.

Die Worte: Busen, duften, kosen, wallen,
Sind alte deutsche Worte, schon, verstehlich.
Der Dichter bringt sie gern in ganzen Ballen,
Aus unsrer Sprache sind sie unverwehlich.
Wie kommt es, dab sie nimmer mir gefallen,
Ich finde scheublich sie, ganz unausstehlich.
Um meinen Busen kosen Moikens Locken,
Und wallen, duftend, dann ihr auf die Socken.

Wall”e”t das Haar auch, duftend, auf die Socken,
Nicht kos”e”t mehr ihr Busen an dem meinen.
Im Gegenteil, ihr Busen wallt erschrocken,
Und ach, die subesten der Augen weinen.
Ihr Herzchen wallt, doch nicht wie Abendglocken,
Es wallt wie Sturm das Herzchen meiner Kleinen.
In ihres Busens tief geheimster Bucht
Verankerte sich grimme Eifersucht.

Mein gutes Madchen, sei mir nicht mehr bose,
Dab ich dich, wie du meinst, geargert habe.
Nah freundlich wieder Knopfe mir und Öse,
Durchkrame wieder meine ganze Habe.
Du weibt, ich bin zuweilen sehr nervose,
Sei wieder gut, sonst schelt ich noch im Grabe.
Acht Tage sind es her, dab fort die Truppe,
Und ausgeloscht die letzte Lampenschnuppe.

Ich hatte Komodianten kommen lassen,
Um mir die Zeit ein wenig zu verkurzen
Und meinen treuen biedern Wassersassen
Einmal den rauhen Seemannstag zu wurzen.
War das ein Jux und Jubel, kaum zu fassen,
Ich sah sie lachend sich entgegensturzen
Den angekommnen Kunstlern eine Strecke,
Nur Moiken schielte schuchtern um die Ecke.

Der Herr Direktor war ein alter Mann
Mit weibem Haar und dicker roter Nase.
Die grobten Mimen tat er in den Bann,
Was waren Devrient und Friedrich Haase.
Als Gast war er sogar in Ispahan,
Sprach er von dort, geriet er in Ekstase.
Sehr abgeschabt war des Direktors Rock,
Des Abends trank er dreizehn Glaser Grog.

Die Frau Direktor, eine kleine Dame
Von sechzig Lenzen und vielleicht daruber,
War einst gefeiert, ein beruhmter Name,
Bis mahlich truber ward ihr Stern und truber,
Bis ihr das Leben gab, das muhesame,
Das Leben, ach, zu viele Nasenstuber.
Am Tage stand am Herd sie, wusch und nahte,
Am Abend spielte sie die Margarete.

Liebhaber Nummer eins, er hieb Maresche,
War Heldenvater auch und Intrigant.
Liebhaber Nummer zwei, er hieb Manesche,
War noch ein Junger siebzehnjahriger Fant.
Nicht immer trugen sie die reinste Wasche,
Doch waren sonst sie fein und elegant,
Ergotzten beide, ging der Vorhang nieder,
Das Publikum durch Anekdoten, Lieder.

Naturlich fehlte auch nicht die Soubrette,
Sie war ein junges allerliebstes Ding.
Taguber lag sie freilich gern im Bette,
Wenn ihr das Leben nicht nach Laune ging.
Zuweilen sangen wir bei mir Duette,
Es war fur Schumann ihr Talent gering.
Doch sang sie aus dem Troubadour und Carmen,
War sie zum Kussen niedlich und Umarmen.

Nun sitzen beide wieder wir alleine,
Sei, Moiken, artig, so, gib mir die Hand.
Auf dieser Insel bin ich ganz der deine,
Wo uns so manche schone Stunde schwand.
Und bin auch einst ich ferne, liebe Kleine,
ich denke oft zuruck an unsern Strand.
Hor, wie der Sturm die alte Werft umbraust,
Und wie die riesigen Eschen er zerzaust.

Hier fand ich Ruhe, die nicht ich gefunden
Im Treiben der Gesellschaft, in den Schenken.
Hier fand ich Ruhe, um in vielen Stunden
In unsre Dichter ganz mich zu versenken,
Von alten Wunden endlich zu gesunden,
Vergangnes Leben ernst zu uberdenken.
Viel Glaube stirbt, manch Vorurteil zerschellt
In tiefer Einsamkeit, weitab der Welt.

Bin ich entfesselt der Verbannungsbande,
Leuchtet zuruck vom Heimatufer mir
Die Fackel, hoch auf rotem Felsenrande,
Ich will ins Meer mich sturzen voller Gier
Und schwimmen, bis ich bin im Vaterlande,
Wo mich umrauscht das alte Reichspanier.
Heib kussen will ich, heib, den heiligen Boden,
Zum Orkus trummern meine Traueroden.

Schelt ich den Diener, dab ich nicht am Bette
Den Siphon fand, trank ich zu viel Likor;
Zerstreu ich mich heut abend am Roulette
Und morgen auf dem Ball beim Gouverneur;
Halt wieder mich im Zaum die Etikette,
Die grobe Stadt und all ihr Zubehor;
Dann denk ich oft zuruck im Tageslaut
An meine sube kleine Fischerbraut.

An jene Tage, als mit meiner Bracke
Jagend ich einsam durch die Watten schlich,
Von eines alten Rauberturmes Zacke
Ringsum ersah den letzten grauen Strich
Endlosen Wassers, aus dem schwarze Wracke
Bei tiefer Ebb’ aufragen trotziglich.
An jene Zeit, als mir am Herzen traut
Ein Madel lag, die kleine Fischerbraut.

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Verbannt - DETLEF VON LILIENCRON