Der Kampf der Tugend
Oft klagt dein Herz, wie schwer es sei,
Den Weg des Herrn zu wandeln,
Und taglich seinem Worte treu,
Zu denken und zu handeln.
Wahr ist’s, die Tugend kostet Muh,
Sie ist der Sieg der Luste;
Doch richte selbst, was ware sie,
Wenn sie nicht kampfen mubte?
Die, die sich ihrer Laster freun,
Trifft die kein Schmerz hienieden?
Sie sind die Sklaven eigner Pein,
Und haben keinen Frieden.
Der Fromme, der die Luste dampft,
Hat oft auch seine Leiden;
Allein der Schmerz, mit dem er kampft,
Verwandelt sich in Freuden.
Des Lasters Bahn ist anfangs zwar
Ein breiter Weg durch Auen;
Allein sein Fortgang wird Gefahr,
Sein Ende Nacht und Grauen.
Der Tugend Pfad ist anfangs steil,
Labt nichts als Muhe blicken;
Doch weiter fort fuhrt er zum Heil,
Und endlich zum Entzucken.
Nimm an, Gott hatt es uns vergonnt,
Nach unsers Fleisches Willen,
Wenn Wollust, Neid und Zorn entbrennt,
Die Luste frei zu stillen;
Nimm an, Gott lieb den Undank zu;
Den Frevel, dich zu kranken;
Den Menschenhab: was wurdest du
Von diesem Gotte denken?
Gott will, wir sollen glucklich sein,
Drum gab er uns Gesetze.
Sie sind es, die das Herz erfreun,
Sie sind des Lebens Schatze.
Er redt in uns durch den Verstand,
Und spricht durch das Gewissen,
Was wir, Geschopfe seiner Hand,
Fliehn, oder wahlen mussen.
Ihn furchten, das ist Weisheit nur,
Und Freiheit ist’s, sie wahlen.
Ein Tier folgt Fesseln der Natur,
Ein Mensch dem Licht der Seelen.
Was ist des Geistes Eigentum?
Was sein Beruf auf Erden?
Die Tugend! Was ihr Lohn, ihr Ruhm?
Gott ewig ahnlich werden!
Lern nur Geschmack am Wort des Herrn
Und seiner Gnade finden,
Und ube dich getreu und gern,
Dein Herz zu uberwinden.
Der Krafte hat, wird durch Gebrauch
Von Gott noch mehr bekommen;
Wer aber nicht hat, dem wird auch
Das, was er hat, genommen.
Du streitest nicht durch eigne Kraft,
Drum mub es dir gelingen.
Gott ist es, welcher beides schafft,
Das Wollen und Vollbringen.
Wenn gab ein Vater einen Stein
Dem Sohn, der Brot begehrte?
Bet oft; Gott mubte Gott nicht sein,
Wenn er dich nicht erhorte.
Dich starket auf der Tugend Pfad
Das Beispiel selger Geister;
Ihn zeigte dir, und ihn betrat
Dein Gott und Herr und Meister.
Dich musse nie des Frechen Spott
Auf diesem Pfade hindern;
Der wahre Ruhm ist Ruhm bei Gott,
Und nicht bei Menschenkindern.
Sei stark, sei mannlich allezeit,
Tritt oft an deine Bahre;
Vergleiche mit der Ewigkeit
Den Kampf so kurzer Jahre.
Das Kleinod, das dein Glaube halt,
Wird neuen Mut dir geben;
Und Krafte der zukunftgen Welt,
Die werden ihn beleben.
Und endlich, Christ, sei unverzagt,
Wenn dir’s nicht immer glucket;
Wenn dich, so viel dein Herz auch wagt,
Stets neue Schwachheit drucket.
Gott sieht nicht auf die Tat allein,
Er sieht auf deinen Willen.
Ein gottliches Verdienst ist dein!
Dies mub dein Herze stillen.