Fruhlingsgebet
Fruhling, knospengekronter,
sonnesanfter,
liebreichster Gott der Erde:
willst du endlich erscheinen,
mir erscheinen?
Nach soviel Sturmen,
soviel unstater Wetterflucht,
nach manchem kalten Sonnentage
voll leichenhaften Glanzes:
willst du endlich auferstehen,
mein Heiland?
Ja, mir sagt ein heiliges Grauen:
nun erwachst du,
den ich manchmal ahnte
in den Dammertagen der Kindheit,
und den ich eitel vergab
im selbst sich vergotternden Junglingsrausch.
0 strahle mir
deinen klaren Himmelsblick reinigend
in die sehnsuchtoffne Seele!
0, erfulle mich mit deinem Atem,
Fruhling, atherleichter,
lachelnder Sonnesohn!
Erfulle mich mit deiner Werdelust,
nicht der wilden, wolkensuchtigen,
staubaufschuttelnden, blinden Lust
hitzigen Knabenubermutes:
mit deiner heiter quellenden,
still knospenden,
sicher schaffenden Freudigkeit
erfulle mich, du Lichtgeist!
Schon jubl’ ich laut:
ja, da erhorst mein Gebet!
Du bist in mir, Fruhling,
du mein Jubelruf,
du bewegtest mich schon
vor meinem Gebet!
Du, du, Fruhling, warst ja
meine fromme Seele,
als sie bang dich suchen ging,
mein Fruhling!
0, verlab mich nicht,
bleib mir, in mir,
welken auch die Bluten!
Dann werd’ ich ansehn durfen
mit geweihten Augen,
wie der Sommer Brande wirft
und der Herbst Giftnebel braut
und der Winter Leichenlaken-spinnt,
sicher meiner Frucht.
Ja, mein Fruhling,
aller Seelen Fruhling du,
mein Weltfruhling:
du tatest mir die Erde auf,
offne mir auch das Himmelreich!