Adonis Totenfeier
Wehe! dab der Gott auf Erden
Sterblich mubt geboren werden!
Alles Dasein, alles Leben
Ist mit dem Tod gegeben.
Alles wandelt und vergehet,
Morgen sinkt, was heute stehet;
Was jetzt schon und herrlich steiget
Bald sich hin zum Staube neiget;
Dauer ist nicht zu erwerben,
Wandeln ist unsterblich Sterben.
Wehe! dab der Gott auf Erden,
Sterblich mubt geboren werden!
Alle sind dem Tod verfallen,
Sterben ist das Los von allen.
Viele doch sind, die nicht wissen,
Wie der Gott hat sterben mussen;
Blinde sind es, die nicht sehen,
Nicht den tiefen Schmerz verstehen,
Nicht der Gottin Klag und Sehnen
Ihre ungezahlten Tranen,
Dab der sube Leib des Schonen
Mub dem kargen Tode frohnen.
Lab die Klage uns erneuern!
Rufet zu geheimen Feiern,
Die Adonis heilig nennen,
Seine Gottheit anerkennen,
Die die Weihen sich erworben,
Denen auch der Gott gestorben.
Brecht die dunkle Anemone,
Sie, die ihre Blatterkrone
Sinnend still hinunterbeuget,
Leise sich zur Tiefe neiget,
Forschend ob der Gott auf Erden
Wieder soll geboren werden!
Brechet Rosen; jede Blume,
Sei verehrt im Heiligtume,
Forscht in ihren Kindermienen,
Denn es schlaft der Gott in ihnen;
Uns ist er durch sie entstanden
Aus des dumpfen Grabes Banden.
Wie sie leis hervor sich drangen
Und des Hugels Decke sprengen,
Ringet aus des Grabes Engen
Sich empor verschlobnes Leben;
Tod dem Raub mub wiedergeben,
Leben wiederkehrt zum Leben.
Also ist der Gott entstanden
Aus des dumpfen Grabes Banden.