In der Einsamkeit
Fernab fallt wie fortwandelnder Sturme Sausen
Hin verworrener Larm der Riesenweltstadt,
Und in’s Ohr nur tont mir selten
Noch ein Ruf und mudes Kinderlallen.
Lockte der erste Maiensonntag
Bunte jubelnde Menschenfluthen
Fort und weg zu goldigspiegelnden Wassern,
In das weiblichschillernde Fruhlingsgrun;
Walten alle, jauchzenden Herzens,
Wie zum Gnadenbilde der Himmelsfurstin
Singende Monche mit seidenen Bannern wallen.
Doch mich warf die glanzende Fluth zur Seite,
Da in Schmerzen erschauerte meine Seele,
Und ich wandte, Dunkel im Herzen,
Wandte die Schritte denn ein jedes
Liebeathmende Frauenantlitz
Mahnte mich an deine Schonheit,
Deine trunkenen Kusse und die Luge
Deines Herzens.
Nimm mich auf, nimm mich auf,
Einsamkeit in deinen Dom,
Lab eintreten mich, Friedsuchenden,
Und vor deinem Altar in Opferschalen
Ausgieben mein Blut und meine Thranen.
An deinen Busen nimm mein Haupt!
Ueber mir nur Sternflammen
Und wehende Wolken…
Hier versink’ ich im weiten Raum,
Wandle wie Ihr leuchtende Himmelsseelen
Allein – allein in endlosen Weiten.
Einsamkeit, wie bebte ich einst vor dir,
Schrak vor dir, wie die erste Bluthe
Schrickt im Garten vor nachziehenden Winterfrosten.
Schauernd vor dir barg ich mein Haupt
An der Frauen weibem Busen,
Suchte dich heilige Liebe,
Helles, kuhles Morgenwasser du,
Dab ich in dir baden wollte
Und gesunden zu ewiger hoher Wunderfreude!
Liebe! Rosige Briefchen ihr,
Beschmutzt mit Lugen und falschen Schwuren,
In’s Feuer, in’s Feuer!
Voruber wallen an mir Gestalten – –
Hinunter, hinunter ihr Gleibenden,
Nicht lockt ihr mich wieder!
Und auch du!
Waffengenosse, mit dem ich stets zusammenstand,
Umqualmt vom Rauch der Schlacht,
Du, mein Schild, Du, mein Streitbeil –
Ein Mantel deckte uns, ein Becher labte uns –
Wir beide, Zweige am selben Baum,
Bruder wir, –
Nach anderem schoneren Sterne
Ausbreitest du die opfernden Hande,
Und von mir fliehen deine Augen.
Allein, allein!
Feinde ringsum!
Dicht wie wetterschwarze Wolken
Drangen sie gegen mich heran,
Hier im Busen, drauben im larmenden Weltstrom,
Umlagern mein Zelt wie Raubthiere.
Tausend Pfeile sind gerichtet gegen mein Herz,
Tausend Schwerter flammen wider mich;
Wenn der Morgen mit blassem Munde mich kubt,
Setzt sich fahle Noth zu mir,
Und wenn der Abendnebel fallt,
Ruht mein Haupt im Schobe des Leides,
Aus wirren Traumen banger Erinnerung,
Weckt mich der Schmerz zur Nachtzeit.
Nun wardst du zur Freundin mir, Einsamkeit,
Zur hohen schonen Geliebten,
Dir tont mein Lied, athmend
Die Schauer der Zukunft.
Deine Hand liegt auf meinem Herzen,
Deine Kusse fallen auf mein Haupt,
Meine Seele zittert in deinen Armen.
Du Gebarerin grober Gedanken,
Du Erzeugerin weltsturmender Thaten,
Du gieb’st in unseren Busen den Schmerz,
Der wegfegt wie Lenzsturm
Herb’, grob, rauhathmend
Die welken Blatter von den Straben,
Den Staub des Alltags.
Des Herzens Acker zerreibt du in wilde Furchen,
Dab tausendfach munter hervorschiebt
Der gold’ne Weizen kuhnen Wollens.
Du singst uns vor mit dust’rer Stimme
Das uralte, herbe Lied vom Menschenschicksal:
In die Welt nackt gestoben
Einsam steh’n wir auf oder Wacht,
Jeder Feind dem anderen,
Allein Kampfer, allein Sieger!
Eigne Kraft nur ist unser Schwert,
Allein nur fallst du, und kein Lebendiger
Tauscht je die goldige Fulle seines Tages
Voll erhabenen Mitleids
Mit den Schatten deiner Todesnacht.
Einsamkeit!
In deinem Schoobe lag Homers ehrwurdiges Haupt,
Und deine Hand ruhte auf Caesars Scheitel,
Mit gluhendem Auge und brennendem Herzen
In der Wuste suchte dich der Welterloser,
Und weggescheucht vom rothfunkelndem Wein
Brach vor dir stammelnd in’s Knie
Der gewaltige brittische Herzenserschutt’rer.
Giebe du Feuer in meine Seele,
Und Frost in mein Gehirn,
Bade mich im Drachenblute,
Und unverwundbar durch dich
Heb’ ich mich auf vom Lager
Und trage meine Waffen jauchzend der Welt entgegen.
Eine ganze Welt in Waffen,
Eine Welt in Waffen wider mich,
Wider mich allein.
Fliege empor mein Geist,
Deine strahlenden Flugeln hebe zum Himmel auf,
Und einen Strahl der Sonne bringe mir nieder
Stern nur von deinem Himmel
Erflehe ich, dunkle Zukunft!
Fliege empor, mein Geist,
Deine machtigen Augen wirf in der Zukunft Nacht!
Wirbelt auf dunkler Staub,
Drangen an tausend bitt’re Lanzen,
Bohren sich tausend Pfeile in meine Brust,
Und schmerzzitternd sturzt mein Leib
Nieder auf blutigen Grund.
Nichts als Leiden gewinn ich,
Nichts als jammervollen Tod,
Und vielleicht noch einen Schimmer der Morgenrothe,
Einen einzigen Zweig bluhenden Lorbeers.