Anna
Die Drossel ruft vom Lindenbaum, die Sonne steigt herauf mit Lust,
Lab einmal noch mein blasses Haupt sich lehnen mud’ an deine Brust.
Noch einmal lab mich deine Hand inbrunstig kussen heib und schwer, –
Nicht deinen Mund – nicht deinen Mund! ich liebe dich sonst nimmermehr.
Maimorgenwind lacht heimlich leis’ und raunt im grunenden Spalier,
Doch wenn der Abend niederfallt, dann bist du, Heinrich, nicht mehr hier!
Nein, nein, dein Mund und Auge lugt: Es weib dein Herz so gut wie ich,
Und wenn Du einst auch heimwarts kehrst, nie wieder schaut mein Auge dich.
Sonst logst du nie, ich weib es wohl, sprachst niemals von dem gold’nen Ring,
Du, Heinrich, bist so klug und ich ein arm unwissend hablich Ding.
Ich wubt’ es wohl, ich wurde nie dir dienen treu und still als Frau, –
Denn deine Hand ist weich und zart, und meine ganz von Arbeit rauh.
Ich weib es wohl, wie du dich stolz verzehrst nach Ruhm und Sonnenschein,-
Und in der Reichen helles Schlob, ich Arme, darf nicht mit hinein.
Ich wubt’ es wohl, ich wubt’ es wohl vom ersten Anfang an, dab du –
Mein Ungluck, Schmach und ew’gen Tod, – ach alles fugtest du mir zu!
Ich wubt’ es wohl, dab so es kam, Elend und Schande uber mich,
Und dennoch, dennoch kam’s, denn ach! ich liebte gar zu innig dich!
Die Drossel ruft vom Lindenbaum, die Sonne kommt herauf mit Lust,
Lab einmal noch mein blasses Haupt sich lehnen mud’ an deine Brust.
Weh, meinen Busen prebt und sprengt’s, ein Feuer lodert schwul und heib,
Und unter meinem Herzen quillt und regt es sich und athmet leis’.
Und fallt hernieder jene Nacht, und lieg’ ich blab und leidenswund,
Dann Heinrich bist du fern und kub’st – ach, kub’st wohl einen schon’ren Mund.
Und dennoch ist’s von deinem Fleisch und dennoch lebt’s von deinem Blut,
Und dennoch sieht’s dein Auge nie, das treu und zartlich aus ihm ruht.
Nur Thranen fuhlt es, fallend schwer, Gluhtropfen, auf sein Angesicht,
Nur Seufzer hort’s und leisen Schlag des Herzens, das im Tode bricht.
Und eh’s geboren, ertont ihm schon des Vaters und der Mutter Fluch;
War’st du doch todt, mein Kind, mein Kind, und lagst du stumm im Leichentuch! …
Wir waren lang zusammen nun, Heinrich! ich glaub, ‘s ist schon ein Jahr
Da kubtest du zum ersten Mal verstohlen mein lichtblondes Haar.
Nun lacht heimlich Maimorgenwind und raunt im grunenden Spalier,
Und wenn der Abend niederfallt, dann bist du, Heinrich nicht mehr hier.
Und bist du fern, ich will ja nicht, dab Thranen du um mich vergieb’st,
Doch denk daran, wie heib um dich aus meinem Aug’ die Thrane fliebt…
O denk’ zuweilen, wie mich Noth und Ungluck packt so rauh und hart,
Vergib es nicht, dab ich aus Liebe zu dir so sehr unglucklich ward!
Und fuhrst du einst ein Fraulein dir zur Hochzeit und zur Kirch’ hinab,
Zum letzten Male denke dann, wie der Wind geht uber ein fernes Grab.
Doch sage nie, kubt du voll Gluth den Mund und ihrer Augen Schein,
Sag’ nicht, dab du von mir gegangen, weil ich so schlecht und so gemein.
Und spotte du am Schenktisch nie, wie man am Schenktisch sonst wohl thut
Der armen Dirne aus dem Volk, die dich so liebte, dir so gut.
Denn thatest du’s, denn thatest du’s, dann wollt ich sprengen wohl mein Grab,
Und schmetterte Krankheit und Wahnsinn auf dein verfluchtes Haupt herab…
Dann wurf ich Blut und Flammengluth wohl auf das Liebste, was du hast,
Dann send’ ich in das Herz und Hirn die ganze Holle dir zu Gast…
O Suber, Liebster zurne du, o zurn’ nicht uber solch ein Wort, –
Die Sonne steigt, die Stunde naht, und du gehst ewig von mir fort.
Und was ich wollte, Lieber du? Ich wollte nur, sei nicht betrubt,
Du hast nicht Schuld, ich segne dich, ich hab’ dich ja so sehr geliebt!
Ich segne dich fur jedes Wort, fur jeden Kub von deinem Mund,
Und treff’ dich nie so harter Schmerz und furche deine Seele wund!
Die Sonne steigt, die Sonne gluht… still, armes Herz, die Glocke schlagt,
Der Wagen rollt, der Wagen rollt, der dich auf ewig von mir tragt.
Noch einmal lass’ mich deine Hand inbrunstig kussen heib und schwer,
Nicht deinen Mund! Nicht deinen Mund! Ich liebe sonst dich nimmermehr.