Der Trompeter von Sakkingen 14. Stuck – 3
Aus der Erdmannlein-Hohle. I.
Einsam wandle deine Bahnen,
Stiller Herz, und unverzagt!
Viel erkennen, vieles ahnen
Wirst du, was dir keiner sagt.
Wo in sturmischem Gedrange
Kleines Volk um Kleines schreit,
Da erlauschest du Gesange,
Siehst die Welt du grob und weit.
Andern lab den Staub der Strabe,
Deinen Geist halt frisch und blank,
Spiegel sei er, wie die Meerflut,
Drein die Sonne niedersank.
Einsam aus des Tages Larmen
Adler in die Hohen schweift,
Storch und Kranich fliegt in Schwarmen,
Doch ihr Flug die Erde streift.
Einsam wandle deine Bahnen,
Stiller Herz, und unverzagt!
Viel erkennen, vieles ahnen
Wirst du, was dir keiner sagt. II.
Lab die breitgetretnen Platze,
Steig nach unten, klimm nach oben;
Reiche Nibelungen-Schatze
Liegen rings noch ungehoben.
Und du schaust vom Grat der Berge
Fernes Meer und Ufer dammern,
Horst tief unten der Gezwerge
Ergewaltig dumpfes Hammern.
Mannagleich wird dich erquicken
Sube, starke Geistesnahrung,
Hell vor den gestahlten Blicken
Glanzt die alte Offenbarung:
Wie der grobste und der feinste
Faden sich zu einem Netz schlingt,
Wie durchs Grobte und das Kleinste
Stets das gleiche Weltgesetz dringt.
Aber einmal, – schwer Gestandnis, –
Einmal mubt du doch dich beugen,
Und am Ende der Erkenntnis
Steht ein ahnungsvolles Schweigen. III.
Blasse Menschen seh’ ich wandeln,
Und die Klag’ tont allerorten:
“Schal ist unser Tun und Handeln,
Siech und alt sind wir geworden.”
Wollt’ euch nie bei euerm Forschen
Die uralte Mar erklingen
Von dem Brunn, darin die morschen
Knochen wundersam sich jungen?
Und der Brunn ist keine Dichtung,
Fliebt so nah vor euren Toren,
Euch nur mangelt Weg und Richtung,
Ihr nur habt die Spur verloren.
Draub im Wald, im grunen, heitern,
Wo die Menschenstimmen schweigen,
Wo auf duft’gen Farrenkrautern
Nachtlich schwebt der Elfenreigen:
Dort, versteckt von Stein und Moose,
Rauschet frisch und hell die Welle,
Dort entstromt der Erde Schobe
Ewig jung die Wunderquelle.
Dort, umrauscht von Waldesfrieden,
Mag der kranke Sinn gesunden,
Und des Lenzes junge Bluten
Sprossen uber alten Wunden. IV.
Willst die Welt und klar erschauen,
Schaue erst, was vor dir liegt,
Wie aus Stoffen und aus Kraften
Sich ein Bau zusammenfugt.
Lab die Starrheit des Gewordnen
Kunden, was belebend treibt;
In dem Wechsel der Erscheinung
Ahne das, was ewig bleibt.
Aus dem Dunkel eignen Meinens
Nie entkeimt die frische Saat,
Im Nachdenken nur erschwingt sich
Menschengeist zur Schopfertat. V.
Die Blicke scharf wie der junge Aar,
Das Herz von Hoffnung umflogen,
So bin ich dereinst mit reisiger Schar
In den Kampf der Geister gezogen.
Die Fahne hoch, gradaus den Speer –
Da wichen der Feinde Reihen;
O Reiterspab, dem fliehenden Heer
Die breiten Rucken zu blauen!
Doch kamen auch wir an jenes End’,
Zu wissen, dab nichts wir wissen!
Da hab’ ich langsam mein Rob gewend’t
Und mich des Schweigens beflissen.
Zu stolz zum Glauben – bin ich gemach
In die Felskluft niedergestiegen;
Die Welt da drauben ist oberflach,
Der Kern mub tiefer liegen.
Nun freut mich mein alt Gewaffen nicht mehr,
Verspinnwebt liegt’s in der Ecken;
Doch soll drum kein hochweiser Herr
Als wehrlosen Mann mich necken:
Noch reicht ein Blick, das Eulenpack
Und die Fledermaus zu verjagen,
Noch reicht ein alter Eselskinnback,
Den Philisterschwarm zu erschlagen! VI.
Aus deinem Auge wisch die Tran
Sei stolz und lab die Klage;
Wie dir wird’s manchem noch ergehn
Bis an das End’ der Tage.
Noch manch ein Ratsel ungelost
Ragt in die Welt von heute,
Doch ist dein sterblich Teil verwest,
So kommen andre Leute.
Die Falten um die Stirne dein
Lab sie nur heiter ranken;
Das sind die Narben, die darein
Geschlagen die Gedanken.
Und wird dir auch kein Lorbeerreis
Als Schmuck darum geflochten:
Auch der sei stolz, der sonder Preis
Des Denkens Kampf gefochten.