Українська та зарубіжна поезія

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Sonnenuntergang

Die gluhend rote Sonne steigt
Hinab ins weitaufschauernde,
Silbergraue Weltenmeer;
Luftgebilde, rosig angehaucht,
Wallen ihr nach; und gegenuber,
Aus herbstlich dammernden Wolkenschleiern,
Ein traurig todblasses Antlitz,
Bricht hervor der Mond,
Und hinter ihm, Lichtfunkchen,
Nebelweit, schimmern die Sterne.
Einst am Himmel glanzten,
Ehlich vereint,
Luna, die Gottin, und Sol, der Gott,
Und es wimmelten um sie her die Sterne,
Die kleinen, unschuldigen Kinder.
Doch bose Zungen zischelten Zwiespalt,
Und es trennte sich feindlich
Das hohe, leuchtende Ehpaar.
Jetzt am Tage, in einsamer Pracht,
Ergeht sich dort oben der Sonnengott,
Ob seiner Herrlichkeit
Angebetet und vielbesungen
Von stolzen, gluckgeharten Menschen.
Aber des Nachts,
Am Himmel, wandelt Luna,
Die arme Mutter,
Mit ihren verwaisten Sternenkindern,
Und sie glanzt in stiller Wehmut.
Und liebende Madchen und sanfte Dichter
Weihen ihr Tranen und Lieder.
Die weiche Luna! Weiblich gesinnt,
Liebt sie noch immer den schonen Gemahl.
Gegen Abend, zitternd und bleich,
Lauscht sie hervor aus leichtem Gewolk,
Und schaut nach dem Scheidenden, schmerzlich,
Und mochte ihn angstlich rufen: “Komm!
Komm! die Kinder verlangen nach dir -“
Aber der trotzige Sonnengott,
Bei dem Anblick der Gattin ergluht er
In doppeltem Purpur,
Vor Zorn und Schmerz,
Und unerbittlich eilt er hinab
In sein flutenkaltes Witwerbett.
Bose, zischelnde Zungen
Brachten also Verderben
Selbst uber ewige Gotter.
Und die armen Gotter, oben am Himmel
Wandeln sie, qualvoll,
Trostlos unendliche Bahnen,
Und konnen nicht sterben,
Und schleppen mit sich
Ihr strahlendes Elend.
Ich aber, der Mensch,
Der niedriggepflanzte, der Tod-begluckte,
Ich klage nicht langer.

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Sonnenuntergang - HEINRICH HEINE