Rosenwacht
Im Glase bluht ein frischer Rosenstrauss,
Daneben webt ein Junglingsleben aus;
Ins Zimmer bricht der volle Abendglanz
Welch schones Bild in einen Totentanz!
Von rotem Golde taut das Sommerland,
Die Reb’ am Fenster und die Kammerwand,
Der Sterbenskranke und sein Linnentuch,
Das Kirchenmannlein und sein schwarzes Buch.
Du armer Dunkelmann, was suchst du hier?
Die Menschen nicht, noch Blumen lauschen dir!
Nach Westen neigen sie sich insgesamt:
Die Sonne halt das heil’ge Totenamt.
Wie abendschon des Kranken Antlitz gluht,
Dass kaum man ahnt, wie weiss der Tod da bluht!
Sein Nachtmahlkelch ist flussig Sonnengold,
Wie durstig trinkt er diesen Liebessold!
Und scheidend winkt der letzte Sonnenstrahl,
Erkaltet und vergluht sind Berg und Tal,
Das junge Menschenkind ist bleich und tot,
Die Rosen sind geblieben frisch und rot.
So halten die Verganglichen die Wacht
Beim stillen Manne bis zur dritten Nacht;
Dann legen sie bescheiden ihr Gewand
Dem Herrn des Lebens in die Vaterhand.