Lehrgesang
1.
O Mensch, leg’ alle Sorgen hin
Und geh’ in dein Gewissen:
Versamle deine trage Sinn’
Und lab dich nicht verdriessen
Zu horen deines Hertzens Sprach,
Denck deinem gantzen Leben nach,
Es wird dich nicht gereuen.
2.
Was du hast wider GOTT gethan,
Bleibt andren zwar verborgen,
Doch klagt dich dein Gewissen an
Und macht dir schwere Sorgen.
Du tragest das Gesetz in dir,
Und richtest du dich selbsten hier,
So wirstu nicht gerichtet!
3.
Nichts ist uns nach dem Sundenfall
Ohn Nachtheil uberblieben
Als des Gewissens Gegenschall,
Wann wir die Sund veruben;
Dab rufft und schreit uns heimlich nach
Und weiset uns der Hollen Rach,
Wann wir nicht folgen wollen.
4.
Es bleibt, was recht und unrecht ist,
In unser Hertz geschrieben.
Hier hilfft noch Trug noch arge List,
Man weib, wie mans getrieben,
Und ist uns solches Hertzgesetz
Ein unvermeidlich starckes Netz,
Dab uns gar hart bestricket.
5.
So bald die Lust empfangen hat,
Gebieret sie die Sunden.
Zuweilen pflegt man in der That
Die Reue zu empfinden,
Zuweilen ruhet auch die Straff
Und ist in des Gewissensschlaff
Vom Tod nicht weit entfernet.
6.
Ist nun das Mab der Sunden voll,
Da fuhlt man Gottes Grimme.
Wer nicht busst, wie er billich soll,
Der furchte Gottes Stimme,
Die er liesst aus des Hertzensbuch,
Und drucket ihn der schwere Fluch,
Damit er sich beleget.
7.
Wann uns dann unser Hertz verdammt,
Dab wir fur Furchten beben,
So kranckt uns des Gewissens Amt,
Weil wir im Jammer schweben.
Nach Trost, nach Trost ist uns so bang,
Wir klagen: HERR, wie lang, wie lang
Verbirgst du deine Gnade?
8.
Ist aber das Gewissen rein,
So leben wir in Freuden:
Die Unschuld kan gesichert seyn
Im Jammer und in Leiden
Und weib, dab sie durch Gottes Sohn
Des Zutritts zu dem Gnadenthron
Sich endlich kan getrosten.
9.
So lasset uns doch mit bedacht
Betrachten das Gewissen,
Dann wer es nicht nimmt stets in acht,
Der wird es ewig bussen.
Wer nicht hier in der Gnadenzeit
Die Sund und Missethat bereut,
Kan dort nicht selig werden.
10.
Mein Gott, lab mich ein Tempel seyn,
Von deinem Geist bewohnet;
Halt mein Gewissen heilig rein,
Von deiner Gnad bethronet.
Schaff du in meinem Hertzen Ruh,
Dab ich nichts boses denck noch thu
Und stetig dir gefalle!