An die heutigen Eucratiten
Was edle Seelen Wollust nennen,
Vermischt mit schnoden Lusten nicht!
Der achten Freude Werth zu kennen
Ist gleichfalls unsers Daseins Pflicht.
Ihr fallt oft tiefer, klimmt oft hoher,
Als die begluckende Natur:
Ihr kennt vielleicht Epicuraer;
Doch kennt ihr auch den Epicur?
Sind nicht der wahren Freude Grenzen
Geschmack und Wahl und Artigkeit?
Entehrte Scipio mit Tanzen
Den Heldenruhm und seine Zeit?
Die Liebe, die auch Weise loben,
Macht ihre Liebe nicht zu frei:
Der Wein, den Plato selbst erhoben,
Verfuhrt ihn nicht zur Vollerei.
Zu altdeutsch trinken, taumelnd kussen
Ist hochstens nur der Wenden Lust:
Wie Kluge zu genieben wissen,
Verbleibt dem Pobel unbewubt,
Dem Pobel, der in Gift verkehret,
Was unserm Leben Starkung bringt,
Und der die Becher wirklich leeret,
Wovon der Dichter doch nur singt.
Von welchen Vatern, welchen Muttern
Erbt ihr die Einsicht grober Welt?
Die Liebe kennt ihr aus den Rittern,
Die uns Cervantes dargestellt;
Euch heibt der Wein der Unart Zunder,
Und fremder Volker Trinklied Tand:
O dafur bleib’ euch der Burgunder,
Lainez und Babet unbekannt!
Der Unterschied in Witz und Tugend
Ist grober, als man denken kann.
Es zeigt die Sprache muntrer Jugend
Nicht stets der Jugend Fehler an.
Petrarchen, der in Versen herzet,
War Laura keine Lesbia;
Voiture, der so feurig scherzet,
Trank Wasser, wie ein Seneca.
Nie ist der Einfalt Urtheil schwacher,
Als wann’s auf Schriftverfasser geht.
Da heibt Sallust kein Ehebrecher:
Er lehrt ja streng, als Epictet;
Doch Plinius ist zu verdammen:
Der hatte Welt und Laster lieb.
Wie sehr verdient er Straf’ und Flammen,
Weil er ein freies Liedchen schrieb!
So liebreich und so grundlich denken
Die Tadler spielender Vernunft,
Und wunschen, um sie einzuschranken,
Der ernsten Zeiten Wiederkunft;
Der Jahre, da des Gastmahls Lange
Den steifen Sitzern Lust gebar,
Und wiederholtes Wortgeprange,
Was jetzt ein Lied von Carpsern, war.