Über ein Knicktor gelehnt
Über das Knicktor mich lehnend,
Pendelt lassig mein Stock
In den ubereinandergelegten Handen.
So dicht stehn mir die nachsten Ähren
Des bald sensendurchsurrten Roggenfeldes,
Dab sie die Stirn mir kitzeln.
Schon braunen sie sich;
Hell doch sticht ihre Farbe ab
Gegen den grunen Heckenzaun,
Gegen den umgrenzenden Wall,
Den roter Mohn,
Blaue Kaiserblumen,
Gelber Lowenzahn,
Weibe Kamillen
In bunter Malerei
Prachtig uberflochten haben.
Wahrlich, ein reizender Kranz
Fur das grobe Kornviereck;
Dankbar gewunden
– Ein wenig voreilig scheint mir –
Dem kunftigen Segen.
Wie still es ist;
Wie die Lerche jubelt,
Wie die scheue Wiesenralle schnarrt.
Friede, deine Himmelsfahne
Hangt breit und ruhig
Über meinem Haupte.
Hor ich nicht plotzlich vor mir,
Weit hinter dem Getreideschlag,
Schwach, wie aus einem Talchen steigend,
Den Vorwartsmarsch?
Mein Stock pendelt nicht mehr;
Ich recke mich,
Um uber die leis im Winde
Spielenden Halmspitzen zu schauen.
Und, keine Tauschung mehr,
Über den spielenden Halmspitzen
Glitzern blitzende Helmspitzen.
Immer deutlicher klingen
Die turkische Trommel,
Die Becken,
Die Tuben.
Voran, auf milchweibem Hengst,
Den purpurne Ziertroddeln umtanzen,
Der spanischen Schritt geht
Wie der Gaul im Kunstreiterzelt,
Fuhrt der Oberst.
Und, eine einzige Linie,
Folgt sein Regiment:
Im Gleichschritt,
Ein wenig horbarer
Den linken Fub setzend,
Im Takte der Musik
Vor den Fuben
Das wachsende Brot;
Hinter den Fuben
Das zerstampfte Brot,
Die Wuste.
Schrecklich sind der Kriegsbestie
Zerkauende Kiefer;
Aber nie werden sie ruhen,
So lange der Menschen “verfluchte Rasse”
Die schone Erde bevolkert.
Nur vorwarts, Grenadiere!
Kein Zagetreten!
Ihr verteidigt das Vaterland!
Über euren aufgepflanzten Seitengewehren,
Im rucksichtslosen Angriff,
Schwebt die Siegesgottin,
Hinter ihnen her zieht schnell der Friede.
Doch ach, ist sein Triumph
Der Triumph ewiger Dauer?
II
Oftmals hab ich schon in ihren Armen gedichtet,
Und des Hexameters Mab leise mit fingernder Hand
Ihr auf den Rucken gezahlt. Sie atmete lieblichen Schlummer.
Und es durchgluht ihr Hauch mir bis ins Tiefste die Brust.
Romische Elegien, V.
Goethe, du Prachtkerl,
Wubtest du nicht,
Als du diese Doppelzeilen uns schenktest,
Dab die deutsche Schonwissenschaft
Von den Familienmuttern
Streng gepruft und uberwacht wird?
Dab das Heer
Der albernen Beurteiler,
Die nicht mitfuhlen konnen,
Elender Allerweltsschwatzer
Dich in die Holle verdammen,
Dich gehassig begeifern wurde?
Und du nanntest diese Krachzer,
Diese beschrankten, hamischen Heuler,
Diese kleinlichen Seelen,
Die deine Anmut,
Deine goldene Kunstlerhand
Nicht einmal ahnen konnen
In ihrer geheuchelten Tugend,
In ihren grablichen Mathematikherzen,
In ihrer skatledernen Durftigkeit –
Du nanntest diese Gesellschaft
Hunde?
Diese Gesellschaft:
Nuchterner als die weiben Kalkwande
Einer lutherischen Dorfkirche;
Hochmutiger als Satanas;
Die, wenn sie nicht anders kann,
Als ein Anerkennungchen
Sagen zu mussen,
Mit sauersuben Mienen
Stets beginnt:
“Ich gebe ja zu, dab…”
Diese Gesellschaft
– Ich frage dich zum andern Mal –
Nanntest du
Hunde?
Gewaltiger! Ich lache dich aus,
Dab du einige Stunden
Dir verbittern liebest
Durch Hunde.
Einst, du Hoher,
Fingerte ich Verse wie du.
Himmlisch war es.
Gaukelnd von Holdchen zu Holdchen,
– Abwechslung verdumpft das Herz nicht –
Hatt’ ich sie alle so gern.
Freilich, der Philister schaudert
Bei diesen Worten;
Annehmbarer schon klingt es der biederen Seele,
Zahmer, harmloser, erlaubt.
Ein ander Stadtchen, ein ander Madchen
Damals dacht’ ich nicht an dich,
Du treues Roggenfeld.
Rosen wand ich
Der Liebsten ins Haar;
Mit Spangen und Ringen
Schmuckt’ ich ihr Arm und Hande,
Heute steh ich ernst am Knicktor,
Zusammengerafft,
Klarer, denkender,
Der gefallten Ähre
Unvergleichliche Wichtigkeit erkennend.
III
Das Beste
Von allem das best’
Ist ein Herz, heiter und fest,
Ein gesunder Leib,
Ein liebes Weib
Und ein kleines Eigen,
Wer das hat, mag sich freun und schweigen. (Johannes Trojan)
Ein kleiner Besitz,
Zwei Schweinchen und eine Kuh,
Bei meinem Hause
Ein Garten mit Kohl und Kartoffeln,
Und ist noch Raum:
Mit einem Nelkenbeet
Und einer Laube.
An schonen Sommerabenden
Stutzen mein Weib und ich uns
Über das Gitter
Unsres einzigen Roggenfeldes.
Aller Fahrlichkeit trotzen wir,
Mein Weib und ich.
Wie ich sie liebe, die eine nur.
Wie wir gemeinschaftlich
Des Lebens trummertragenden Strom
Kraftig durchteilen;
Eins dem andern
Trost und Halt sind.
Nach hartem Tagesmuhn
Schmauch dann ich
Das Pfeifchen der Zufriedenheit.
Und des gesundesten Schlafes uns freuend,
Beginnen mit Sonnenaufgang wieder wir
Der Pflichtstunde geregelte Arbeit.
Hute dich, mein Herz,
Vor dieser Zufriedenheit;
Sie lullt dich ein,
Dab du selbstisch wirst,
Und selbstgefallig und protzig,
Und kleinlich und enge;
Dab du dir sagst:
Was gehn mich die andern an;
Dab du verknocherst, verschachtelst,
Und der Deutschen furchtbare Zwingherren
Sich einnisten bei dir:
Hochmutige Spiebburgerlichkeit,
Einseitige Schulweisheit,
Eigensinnige Vorurteile.
Doch, doch! Bei dem ewigen Himmel!
Kranz und Krone, ihr winkt
In des schicksalumlauerten Lebens
Atemlosem Wettlauf:
Ein kleines Eigen,
Ein liebes, stolzes Weib.
Dann: Ein gerader Sinn,
Ruhig Überlegen,
Richtig Fuhlenkonnen:
Das ist der Weg der Wahrheit,
Den ich gehe.
Und unablassig die Bitte
An die Sterne:
Dab ich ein guter, edler Mensch werde;
Dab ich dem Nachbar helfe, wo ich kann,
Dab ich ein frisches Herz behalte,
Ein frohliches!
Trotz allem Drang und Druck der Erde.